Vandalismus – RITUAL O.S.T. – Review
„RITUAL O.S.T.“, so heißt die neue Platte des Rappers VANDALISMUS. Ein gut durchgeführtes Ritual kann heilsam, aber eben auch nachhaltig furchteinflößend sein. Und auch die neu gewonnene Fassung des Künstlers wird unterschiedliche Reaktionen bei den Hörerinnen und Hörern auslösen. Ja, es scheint etwas verheilt zu sein, Risse zugewachsen oder mit mentalem Gras überwuchert und erstmal nicht mehr sichtbar.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass VANDALISMUS vor Lebensfreude nicht weiß, wohin mit sich und die Musik poppig-zugänglich blubbert. Er hat eine neue Tiefe gefunden, nicht ganz so destruktiv, aber mitnichten debil-dauerfroh. Wer denken kann, kann wohl auch niemals wirklich glücklich sein.
Musik für die Übriggebliebenen
Nach dem liebenswert schrulligen Intro „Kotaro lebt alleine“, mit Anspielung an die japanische Serie über einen minderjährigen Einzelgänger mit offensiver Schüchternheit, stellt VANDALISMUS mit „Die Marotten des Maskottchens“ die Weichen für „RIUTAL O.S.T.“. Verfeinert mit einem Sample von HOLEs „Doll Parts“, widmen wir uns der Tatsache, dass die Dunkelheit wahrscheinlich immer Übergewicht haben wird. Doch schon hier wird eine ganze andere Harmonie spürbar, eine beruhigende Ausstrahlung, die es erlaubt, sich (innerlich und tatsächlich) zurückzulehnen. Die Platte steht trotzdem unter Dauerspannung, ständig befürchtet man, dass sie ihm doch wieder durch die Finger rinnt, die neu gewonnene, zeitweise Zufriedenheit.
Doch VANDALISMUS bleibt stabil, vereinzelte neue sprachlich Akzentuierungen zeigen ihn auf eine ganz andere Art angriffslustig. Er jongliert weiterhin mit Kontroversen, provoziert Diskurs, mit offensiven Aussagen, aber immer ohne jegliche Polemik. Das ist kein Eskapismus und auch keine Gratis-Therapiestunde. Im besten Fall ist dieses Album ein akribisches Stalking, durchgeführt vom Künstler selbst und uns freu(n)dlicherweise zur Verfügung gestellt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Haltbarkeit.
„Meine Mum will, dass das Blut dranbleibt…“
„Kleiner König kokettiert“ scheint egozentrisch zu sein, das VANDALISMUS hier wieder ganz offensiv über sich erzählt. Der eigentliche Charme ist die übergeordnete Botschaft, wenn der Song stehenzubleiben scheint und massiver Bass Hand in Hand mit Frauengesang die Komposition beinahe in Luft auflösen zu scheinen. Genau diesen Effekt gibt es auch tatsächlich in übersteigerter Selbstreflexion. Wer zu lange nachdenkt, weiß plötzlich gar nichts mehr.
Es gibt weniger Samples als gewohnt, auf „RITUAL O.S.T.“ von VANDALISMUS, dafür massig Featuregäste (PILZ, MAULI, CRAK, BASSTARD, ELAY). Und überraschenderweise, obwohl VANDALISMUS ein einzigartiger und auch positiv sperriger Künstler ist, harmoniert er mit allen. Wobei man den Gedanken nicht los wird, dass immer eine unsichtbare Milchglasscheibe zwischen ihm und den anderen steht.
Und so bleibt VANDALISMUS mit „RITUAL O.S.T.“ weiterhin kontrovers. Wenn auch auf eine ganz andere Art und Weise als bisher. Es gibt an jeder Ecke etwas zu entdecken, genau wie der Künstler selbst, kann, soll und darf man unzählige Abzweigungen nehmen, mehrere Themen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten und ist danach auf jeden Fall nicht dümmer. Es ist unmöglich, alles hier zu entblättern. Zum einen, weil alle einen anderen Zugang zu diesem Labyrinth haben, aber auch, weil der Weg hier das Ziel ist.
Dauer: 41:48
Label: Audiolith
VÖ: 04.11.2022
Tracklist “RITUAL O.S.T.” von VANADLISMUS
Kotaro lebt alleine
Die Marotten des Maskottchens
Ein Dessert vor der Anarchie feat. CRAK/NO REMORZE
Kleiner König kokettierte
Der Diskurs ist vorherbestimmt feat. BASSTARD
Skoro Domoj
Irrwisch feat. MAULI & ELAY
Brutalismus
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EsoPunkRap feat. PILZ
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