ZeitKonsum – Zukunftsmusik – Review
Um gleich mal jeglichen Druck rauszunehmen: “Zukunftsmusik” von ZEITKONSUM (Eigenschreibweise ZeitKonsum) ist nicht wahnsinnig innovativ im eigentlichen Sinne. Trotzdem macht die Punkband aus der Zukunft einiges besser, als ein Großteil der Bands, die einfach nur auf ihrer imaginären Strichliste einen Haken hinter “gegen Nazis”, “gegen Staat” und “für Saufen” machen. Ganz oben auf der Liste steht die Tatsache, dass hier jemand wirklich richtig gut Gitarre spielen kann. Es kann nicht jeder AKNE KID JOE sein und natürlich ist es auch für Punkbands nicht hinderlich, wenn sie ihre Instrumente spielen können.
Um meine Bedürfnisse kümmert sich hier keiner
Nimmt man Zeit tatsächlich als wesentlichen Teil des Konzeptes, dann reisen ZEITKONSUM sogar häufiger nach früher und selten nach vorne. Der Bass wirkt stark von Funk geprägt (“arte”) und ganz oft erinnert mich die Band an MEGAVIER, ein gelungenes Projekt von DIE FANTASTISCHEN VIER Anfang der Neunziger. ZEITKONSUM kommen nicht nur, um Kritik zu üben. Mit “Gitarrenlehrling” widmen sie sich dem schönen Gefühl, wenn man etwas Kreatives erschafft und andere damit anstecken kann. “Simpel” kommt mit der passenden Formel, die uns allen bekannt ist – alle können etwas tun, wenn sie bisschen zuhören, nachdenken und sich danach engagieren.
Live zündet das sicher
In solchen Momenten erinnern ZEITKONSUM stark an SONDASCHULE. An die Kompositionen müsste echt mal jemand ran, der richtig Ahnung davon hat, denn mit dieser ungezwungenen Art könnte man mit Sicherheit mehr Leute erreichen. Wenn auch noch vollkommen unausgereift, dann blitzen hier und da Ideen auf, die live bestimmt gut zünden und schnell für Verbindung mit dem Publikum sorgt. Man kann mit ZEITKONSUM mit Sicherheit live eine gute Zeit haben (“Ich will die 7 sein”). Wie man spielt, wie man singt, beides muss man der Band nicht erzählen, nur etwas Struktur geben.
Keine dummen Parolen
Und um nochmal das Wort Zeit zu bemühen, ZEITKONSUM scheren sich überhaupt nicht darum, was jetzt gerade hip sein könnte und spielen Punkrock, der eigentlich richtig angestaubt ist. Nehmt die Instrumentals von “Liebeslied” oder “Radio” und sagt mir nicht, dass das keine Songs von DIE ÄRZTE sein könnte. Gleich im Opener “Reise” bricht die Gitarre frech aus und startet einen Rock’n’Roll-Angriff, das ist unangepasst im ursprünglichen Sinne. Und trotzdem sabbelt die Band nicht so Dünnpfiff, wie manch andere deutsche Punkband, die uns mit erhobenem Zeigefinger und gekünsteltem Iro von oben herab erzählen will, dass wir alle frei und unangepasst sein sollen.
Soviel zu den Vorteilen, allerdings ist das Album etwas zu lange geraten, denn dazu passiert zu wenig. Und so richtig weiß man ZEITKONSUM auch eben nirgendwo hinzupacken, da sie mal hier mal da stippen. Mit Sicherheit habe ich hier schon mehrere Bands besprochen, die zwar besser produziert, schöner fotografiert (no offense, es geht um den gespielten Coolness-Faktor und das Ausstatten mit Punk-Symbolen bei anderen) und über ein Label besser präsentiert waren, aber deutlich weniger Herzblut und Potenzial hatten.
Dauer: 43:20
Label: Eigenproduktion
VÖ: 22.10.2021
Tracklist “Zukunftsmusik” von ZEITKONSUM
Reise
Voyeur
Liebeslied
Ich will die 7 sein
Interlude
Radio
arte
Ihren Ex
Gitarrenlehrling
Revolte
Zeit wie Gras
Simpel
Punk ist der Beweis
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