Interview mit Matthias von Albert Luxus zum Album „YinYin“
ALBERT LUXUS haben ein neues Album gemacht, „YinYin“ heißt es. Ist das jetzt der Wunsch nach starken Gegensätzen oder ein bewusstes Betonen von Gleichartigkeit? Matthias Sänger hat netterweise Fragen dazu beantwortet: Von Magic auf dem Dorffest, Zeugen Jehovas, Tinderburschen und Orangen, die in Träumen erscheinen.
Schon zum zweiten Mal läufst Du mir in diesem Jahr musikalisch über den Weg. Erst mit FREINDZ und jetzt wieder mit ALBERT LUXUS. Kannst Du Dich an den letzten Tag für Dich ohne Musik erinnern?
Kann mich nicht an den letzten Tag ohne Musik erinnern. Es gibt wahrscheinlich niemanden, der nicht gerade fern ab von der Zivilisation lebt, der noch an Musik im Alltag vorbeikommt. Sei es im Supermarkt, in der Bahn über die Kopfhörer von den anderen Fahrgästen. Überall Beschallung. Zur Zeit höre ich aber wenig Musik. Vereinzelt mal eine neue Single. Aber so langsam gehe ich wieder zu Konzerten und merke, wie sehr ich doch vermisst habe, mit anderen in einem Raum zu stehen und auf das zu reagieren, was auf der Bühne passiert. Und wie wichtig es für mein eigenes Schaffen ist. Inspiriert mich immer sehr, Neues zu hören und wieder andere Dinge auszuprobieren.
Und wann trat Musik in Dein Leben, wie weit kannst Du Dich zurückerinnern? Was waren die ersten Instrumente, Inspirationen und wann kam der erste Song?
Zum ersten Mal hat mich Musik so richtig umgehauen, als ich bei einem Freund, das QUEEN Live Killers Konzert von 1979, damals noch auf VHS, gesehen habe. Ich war so 11 oder 12 Jahre alt und hatte sowas noch nicht gesehen. Wir saßen in einem abgedunkelten Wohnzimmer und diese ganze Welt, die QUEEN da gezaubert haben, hat uns alles andere vergessen lassen. Das war Anfang der Neunziger, als diese Miniplaybackshows gerade voll in waren. Wir haben dann zwei weitere Freunde mit ins Boot genommen und dann „A Kind Of Magic“ bei einem Dorffest performt. Ich durfte Freddy sein.
Ich glaube, ab dem Zeitpunkt war ich angefixt, auf der Bühne zu stehen und Musik zu machen. Meine Mutter hat mich dann auch recht schnell bei einem Gitarrenkurs angemeldet. Der erste Song den ich spielen konnte war „Die Affen rasen durch den Wald“. Den ersten eigenen Song habe ich mit 15 geschrieben. Die Freundschaft zu meinem damaligen besten Freund und Nachbarn wurde sehr distanziert. Das hat mich dazu gebracht, meinen ersten Songtext auf Englisch zu schreiben. Bassgitarre kam dann auch so mit 15,16 dazu und ich fing auch schon an, die Stücke mit einem Vierspurrekorder aufzunehmen. Auf Kassette war das noch.
Nun kommt das Album „YinYin“. Wann habt ihr damit angefangen, sind die Ideen gesprudelt oder hat euch das Album viel abverlangt?
Gerade der Endspurt des Albums war schon sehr intensiv. Ich bin vor kurzem Papa geworden und wusste, dass ich das Album vor Entbindungstermin fertig bekommen will. Musikalisch gar nicht so schwierig, aber es fällt mir schwer, mich zum Texten zu zwingen. Das dauert bei mir immer sehr lange. Meist habe ich bereits ein bis zwei Strophen und vielleicht auch schon einen Refrain. Das Texten einer weiteren, fehlenden Strophe, die das einfangen soll was die anderen Zeilen schon vorgeben, kann sich dann aber über Monate hinziehen.
Die erste Single „Einsame Hornissen“ haben wir schon vor über einem Jahr veröffentlicht. Es ist dann auch immer spannend zu sehen, ob man die schon vorhandenen anderen Skizzen dann in eine ähnliche Soundästhetik gepackt bekommt, um dann am Ende ein homogenes Album zusammen zu haben. Intensiv haben wir die letzten 1 ½ Jahre an den 11 Stücken gearbeitet. Manche der Songs sind bereits drei Jahre alt und im Anschluss an unser vorheriges Album „Diebe“ entstanden.
„YinYin“ ist ja eine direkte Anspielung auf „Yin und Yang“, also keine Gegensätze in eurem Fall. Strebst Du Gegensätze im Leben an oder glaubst Du grundsätzlich nicht an die Wirkung?
Ich glaube, ohne Gegensätze geht’s gar nicht und alles wäre fad und langweilig und auch nicht im Gleichgewicht. Es braucht beide Pole, um ausbalanciert zu sein. Yin und Yang bezeichnen ja entgegengesetzte und dennoch aufeinander bezogene Kräfte oder Prinzipien, die sich nicht bekämpfen, sondern ergänzen. Wenn man sich anguckt, womit wir heute in den Medien befeuert werden, scheint es ja nicht gerade so als wäre die Menschheit und unser Planet in Symmetrie. Da gerät gerade einiges aus dem Ruder. Klimakrise, politische Unsicherheiten und Unruhen, immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Burn Out. Zu viel von einer Kraft, von einer Richtung. Daher der Titel.
Auch im musikalischen merke ich immer wieder wie effektiv und fruchtbar gegensätzliche Typen und Ansätze sein können. Auch wenn das oft anstrengend sein kann. Aber Reibung erzeugt ja bekanntlich Wärme, was nicht das Schlechteste in diesen kalten Tagen ist (lacht).
Ich beschreibe euer Album in meiner Review in erster Linie als entspannend. An manchen Stellen fühlt es sich für mich wie ein beruhigende Gute-Nacht-Geschichte an und oft merkt man erst im Nachhinein, dass sich zwischen den Zeilen einige inspirierende Denkanstöße verstecken. Ist Musik für Dich eher Ausdruck, um Dich zu entlasten und/oder zu unterhalten oder musiziert ihr für ALBERT LUXUS mit einem gewissen Appell und legt Wert darauf, auch Inhalte an andere zu vermitteln?
Ich weiß gar nicht so recht, ob es mir beim Texten darum geht, irgendwem etwas mitzugeben. Vielmehr teile ich mich in der abstrakten Form gerne mit und jede Person kann sich dann rauspicken was für sie relevant und ansprechend ist. Ich mag es aber auch einfach, hin und wieder doppelbödige Zeilen zu schreiben, die auch nicht immer so greifbar sind. Die kommen aber meist ohne groß vorher darüber nachzudenken. Wahrscheinlich ist es beides. Ich schreibe auf, um das festzuhalten was ich erlebe, denke und fühle. Spielerisch bringe ich das in eine Form, in eine Art Container oder ein schön gestaltetes Paket das für andere wiederum spannend zu entdecken und zu öffnen ist. Was da dann letztlich drinnen steckt entscheidet jeder für sich.
Mein Lieblingssong ist aktuell „SUV“, kannst Du uns mehr über die Absichten und die Entstehung erzählen?
Auch einer meiner Lieblingssongs. Fühlt sich irgendwie in fast jeder emotionalen Lage richtig an. Ich hatte einen Song von KENDRICK LAMAR irgendwo shazamed. Weiß nicht mehr wie der heißt. Ich wollte auch sowas machen. Simple, langsam und mit melancholischem Verve. Zu der Zeit war ich wohl nicht gerade offen für neue Beziehungen und es fiel mir schwer, Nähe zu Menschen zuzulassen. Da kam die Analogie zu diesen schweren, wie gepanzert wirkenden Fortbewegungsmitteln ganz von alleine.
Sind alle Begebenheiten aus „YinYin“ durch persönliche Erfahrungen geprägt und inspiriert?
Ja, ich habe auch noch nicht wirklich versucht, über was zu schreiben was mir nicht wirklich nahe geht oder mich nicht berührt. Das sind alles Erfahrungen die ich gemacht und Eindrücke die ich gesammelt habe, gepaart mit Bildern die ich meiner Phantasie erlaube. Erzählungen und der Austausch mit Freunden bringen mir oft auch Ideen die ich in die Songtexte mit einfließen lasse.