Wiegedood Century Media 2022 250

Interview mit Levy von Wiegedood zum Album „There’s Always Blood At The End Of The Road“

Das belgische Black-Metal-Trio WIEGEDOOD ist mit Sicherheit eine der interessantesten Bands der letzten Jahre. Nachdem die Trilogie „De Doden Hebben Het Goed“ zu Ende gebracht wurde, legen Levy, Gilles und Wim ein ganz anderes, vielseitiges Werk vor, das die Abgründe der menschlichen Existenz unter die Lupe nimmt. Sänger und Gitarrist Levy Seynaeve gab bereitwillig Auskunft über die Songs, seine Ideen und Gedanken zu den Texten und über die aktuelle Situation der Band in Zeiten der Pandemie.

War es schwerer oder einfacher, dieses Mal 9 Songs, statt wie bisher vier lange, zu schreiben?

Man kann nicht wirklich sagen, dass es schwerer oder einfacher war, es war aber auf jeden Fall ganz anders, als bisher. Als wir die Trilogie gemacht haben, war klar, dass jedes Album der gleichen Struktur folgen wird. Vier Songs und ungefähr vierzig Minuten Spielzeit. Nachdem wir das erste Album gemacht haben, stand schon der Plan für das nächste und alles war mehr oder weniger in Stein gemeißelt. Es ging einfach nur noch darum, die Songs zu schreiben.

Aber jetzt mit „There’s Always Blood At The End Of The Road“ saßen wir quasi mit einem leeren Blatt Papier da und waren in jede Richtung offen, konnten tun, was immer wir in diesem Moment wollten. Das war befreiend, aber anfangs war es etwas schwierig einen Start zu finden. Wir hatten erst einen Song mit drei Minuten und wussten nicht so richtig, wie wir da anknüpfen konnten. Die Freiheit war also erst überfordernd für uns (lacht).

Die ersten drei Alben waren von Anfang an als Trilogie angelegt. Ist „There’s Always Blood At The End Of The Road“ ein einzelnes, für sich stehendes Album oder der Anfang einer neuen Reihe?

Es soll für sich stehen und wahrscheinlich werden wir erstmal für eine Zeitlang nur noch einzelne Alben schreiben (lacht). Es ist wirklich sehr schön, jedes Mal einen frischen Start zu haben und uns dann darauf zu fokussieren, aus diesem Album etwas Besonderes zu machen.

Was es von euch beabsichtigt, die Grenzen des Black Metals so derart auszureizen oder hat sich das durch die von dir angesprochene Freiheit ergeben?

Ja, wir wollten weg von diesen typischen Regeln, denn selbst mit der Trilogie waren wir da noch sehr nah dran. Dieses Mal war klar, dass wir das nicht wollen, dass wir über die Linien wollen und das einbringen, was wir für interessant und anders halten. Das ist für uns persönlich, als Band, ein Schritt nach vorne.

„There’s Always Blood At The End Of The Road“, das ist der Albumtitel, steht die Straße also als Synonym für das Leben?

Ein stückweit schon, ja. Bei der Trilogie war der Titel bezogen auf die Menschen, die nicht mehr unter uns sind, die nicht mehr leben. Dieser Albumtitel sollte sich an die Gegenseite richten und aus der Sicht der Lebenden erzählen. Also ja, die Straße ist ein Synonym für das Leben und das Blut steht dafür, dass am Ende immer der Tod wartet und es sehr viele Herausforderungen auf dem Weg dahin zu bewältigen gibt.

Der Opener heißt „FN SCAR 16“, das ist der Name eines belgischen Gewehrs, das hauptsächlich von der US Army benutzt wird. Wolltet ihr damit zum Ausdruck bringen, dass wir am Ende alle irgendwie in den Krieg involviert sind?

Den Titel haben wir gewählt, weil der Song und ganz besonders das Riff wie ein Maschinengewehr klingen. Eine Waffe, die bis zum letzten Schuss entladen wird, dann kommt ein Klickgeräusch, es wird nachgeladen und weiter geschossen (lacht bitter). Deshalb heißt er so.

Du hast schon angesprochen, dass die letzten Alben sich mit Verlust befasst haben. Jetzt geht es um die Abgründe der Lebenden, also um physische und emotionale Kriege.

Ja, es geht noch um einiges mehr. Das kam eben auch bedingt durch die Freiheiten, die wir hatten. Es ist eine Art Collage von Dingen, die nicht unbedingt in Zusammenhang stehen. Nichts ist direkt verbunden und irgendwie hat doch alles miteinander zu tun. Das sind die Dinge, die bei mir im Leben so abgehen und mich beschäftigt haben, als wir das Album geschrieben haben.

„Noblesse Oblige Riches Oblige“ befasst sich mit der Macht von Reichen und natürlich auch mit Verpflichtungen, die damit einhergehen. Wie sind denn die Einkommensverhältnisse in Belgien?

Ich würde sagen, dass sich die Menschen in Belgien nicht beschweren können und wir ziemlich gut abgesichert sind. Es gibt ein Netzwerk, auf das man sich verlassen kann. Natürlich kann es immer besser sein, aber verglichen mit anderen Ländern, ist das in Ordnung.

Kannst du mir mehr zu dem Song sagen?

Die Zeile „Noblesse Oblige Riches Oblige“ ist ein von mir missbrauchtes Zitat, das ich in seiner Ursprungsform sehr arrogant finde, denn Reiche versuchen sich damit über andere zu erheben. Ich denke nicht, dass es in Ordnung ist, dass manche unverschämt reich sind und andere unter Armut leiden müssen. (Anmerkung: Nobless Oblige = Adel verpflichtet)

Bisher habt ihr englisch gesungen, ich bilde mir ein, jetzt mindestens drei Sprachen zu hören, stimmt das?

Nein. Alle Texte waren schon immer auf Englisch, aber witzig ist, dass viele denken, es wäre niederländisch, wahrscheinlich wegen den Albumtiteln. Die Songtitel sind manchmal eine andere Sprache, einfach, weil ich den Eindruck habe, dass sie so den Punkt besser treffen. Manche Wörter klingen einfach passender, zu dem, was ich ausdrücken möchte.

Bei dem Song „And In Old Salamano’s Room, The Dog Whimpered Softly“ war ich mir bei einer Szene nicht sicher, ob das rückwärts oder russisch sein könnte.

Ah, ich weiß, was du meinst. Das ist eine Kombination aus arabisch und französisch. Das ist ein Bettler in den U-Bahn-Station von Paris, er bittet um Geld und betet gleichzeitig. Das ist ein verrückter Mischmasch.

Der Songtitel „And In Old Salamano’s Room, The Dog Whimpered Softly“ ist eine Zeile aus dem Buch „The Stranger“ von Albert Camus. Lässt du dich oft von Gedichten und Büchern inspirieren?

Ja, meistens erstelle ich eine Collage, bestehend aus Sätzen oder Ideen, die ich gelesen habe und dann bringe ich das mit meinen eigenen Überlegungen zusammen, sodass es größtenteils dann wieder zu etwas Neuem von mir wird. Aber ich leihe mir schon mal etwas aus Büchern oder lasse mich von Filmen inspirieren. Ich habe mich niemals als einen Texter verstanden, auch wenn es immer besser wird mit den Jahren und mein Selbstvertrauen wächst. Aber für mich war das immer ein Job, den man eben als Sänger übernehmen muss (lacht).

Aber du lässt dich weniger von Politik oder Gesellschaft beeinflussen?

Ja, das versuche ich aber. Selbst wenn es mir wichtig ist, WIEGEDOOD keinen politischen Stempel aufzudrücken. Es geht bei uns um Musik und es sollte nicht in eine bestimmte Richtung gehen, auch wenn ich mich selbst als links bezeichnen würde und das mit Sicherheit doch irgendwie durchscheint. Aber es so nicht offensichtlich und plakativ in den Songs vorhanden, das versuche ich zu vermeiden. Auf dem letzten Album ist mir selbst aufgefallen, dass ich deutlich mehr Statements dazu platziert habe, ohne das jetzt beabsichtigt zu haben. Es hat sich einfach eingeschlichen.

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