Interview mit Sibbi und Panzer von Itchy zur Bandbiografie
Die deutsche Punkband ITCHY hat gerade den zweiten Teil ihrer Bandbiografie nachgelegt. Das Buch „20 Years Down The Road, How To Survive As A Rock Band II“ erschien vor einigen Wochen im GoodToGo-Verlag. Über 250 Seiten, bunt und exklusiv bebildert, zeichnen sie den Weg des Trios sehr detailliert, anhand von Tagebucheinträgen, nach. Sie beschreiben, wie viel Glück im Spiel war, wie viel schief ging und vor allem wie viel Spaß sie und das Publikum in den letzten zwei Jahrzehnten gemeinsam hatten. Sibbi und Panzer ließen sich ein paar Fragen zu Pleiten, Pech, Pannen, Party und Punk gefallen.
Wie lange habt ihr an der Biografie gearbeitet und wie oft hattet ihr keinen Bock mehr und seid kurz davor gewesen alles hinzuwerfen? Ich stelle mir das krass aufwendig vor, die Tagebucheinträge alle zu ordnen und dann in den einzelnen Kapiteln hin- und herzuschieben?
Panzer: Erstmal mussten wir ja die Frage klären, ob nach unserem ersten Werk „How To Survive As A Rock Band“ aus dem Jahr 2015 überhaupt noch genügend interessantes und spannendes Material da ist, um ein zweites Buch zu rechtfertigen. Nach zwei Tagen Recherche war dann klar, dass wir theoretisch auch eine ganze Enzyklopädie schreiben könnten, weil wir in den letzten 20 Jahren einfach so unzählig viele absurde, witzige, peinliche aber auch schöne und ergreifende Momente erleben durften und mussten. Anschließend haben wir uns dann 10 Monate lang durch fast 1000 Tourtagebucheinträge, alte Zeitungsausschnitte und Videomaterial gearbeitet und versucht das ganze irgendwie in eine sinnige Abfolge zu bringen.
Parallel dazu wurden die einzelnen Kapitel geschrieben und passende Fotos einsortiert. Uns war es beim Schreiben unheimlich wichtig, einen maximal ehrlichen Rückblick auf unsere Karriere zu zeigen und keine glänzende, aufpolierte Fassung, die nur die geilen und erfolgreichen Momente zeigt. Ich persönlich finde, dass gerade in den Stellen, in denen wir schonungslos zeigen, wie oft wir – objektiv betrachtet – hart gescheitert sind und dann einfach trotzdem lachend weitergemacht haben, die größte Schönheit in unserem Buch liegt.
Habt ihr eigentlich auch genauso viel Videomaterial, sodass man mal eine visuelle, umfangreiche Dokumentation erwarten kann?
Sibbi: Da gibt es auf jeden Fall sehr, sehr viel Material. Wir hatten eigentlich schon von Beginn an Videokameras mit dabei. Das sind unzählige Stunden an Szenen, die man auf keinen Fall jemandem zeigen sollte (lacht).
Wo liegt eure Schmerzgrenze, musstet ihr viel herausstreichen, weil es schlicht zu peinlich war?
Sibbi: Wir haben da echt ’ne sehr hohe Schmerzgrenze. So schnell wird uns nach 20 Jahren in dieser Band nichts peinlich. Aber die allerhärtesten Bilder haben wir nicht ins Buch, sondern für die Buch-Besteller in unserem eigenen Online-Shop auf eine extra dafür erstellte Webseite gepackt.
Welche Bandbiografie von anderen Bands könnt ihr empfehlen und warum?
Panzer: Ozzy Osbourne. Ich bin zwar kein sonderlich großer Fan seiner Musik, aber die Biografie ist wahrscheinlich das Lustigste, was ich jemals gelesen habe. Man fragt sich beim Lesen eigentlich auf jeder einzelnen Seite, wie es sein kann, dass dieser Typ heute immer noch lebt. Realistisch betrachtet müsste der seit 50 Jahren tot sein. Außerdem kann er gut über sich selbst lachen und er gibt ein paar bemerkenswerte Lebensweisheiten von sich, die manchmal erst auf den zweiten Blick ihre Bedeutungsschwangerschaft zeigen. Vielleicht haben wir ihm auch deshalb auf unserem letzten Album mit „Wo seid ihr denn alle“ einen Song gewidmet und ich gebe es lieber gleich zu: Den Anfangs-Joke in unserem Buch mit den leeren Seiten, haben wir von ihm geklaut. Aber mal ehrlich: Bands, die nicht offensichtlich von anderen Künstlern und Künstlerinnen klauen, kann ich eh nicht ernst nehmen.
Sibbi: Dem ist nicht hinzufügen, außer das Buch „The Dirt“ von MÖTLEY CRÜE. Die Mutter aller Band-Autobiografien.
Was ist rückblickend wohl die beste Entscheidung, die ihr für die Band getroffen habt?
Panzer: Dass wir irgendwie vergessen haben, uns zwischendurch aufzulösen.
Und was ist die schlechteste?
Panzer: Wenn wir nicht ständig schlechte Entscheidungen getroffen hätten, hätten wir ja niemals Material für zwei komplette Bücher zusammen bekommen. Von daher war jede falsche Entscheidung eine richtige. Zumindest im Nachhinein. Und mit großem Abstand betrachtet.
Zu der SLAYER-Flippergeschichte, neben der Streaminggeschichte ist das meine Lieblingsstory, wer hat besser gepunktet, ihr oder die? Könnte mir vorstellen, dass man angesichts der einschüchternden Statur von Kerry King gerne mal verliert.
Sibbi: Natürlich habe ich bei allen Wettkämpfen in meinem Leben, bei denen ich als Verlierer vom Platz gehe, den Gegner netterweise gewinnen lassen.
Nachdem ihr jetzt, wie alle, lange Zeit nicht spielen konntet und als Band getrennt gewesen seid: Was war die Erkenntnis? Bisschen ITCHY-Pause war cool oder ohne ITCHY geht’s echt gar nicht?
Sibbi: Also ganz ehrlich tut uns allen hin und wieder eine Pause gut. Ist ja auch völlig normal. Ich glaube, ich habe Panzer die letzten 20 Jahre öfter gesehen als Freundin, Frau, Mutter und Vater zusammen. Allerdings sind diese Pause dann selbst gewählt. Eine gezwungene, wie durch die Pandemie, 5 Tage vor dem Beginn unserer großen Tour, die braucht kein Mensch. Und dann setzt sehr schnell die Vermissung ein. Und auf’s ganze Leben betrachtet: Ohne ITCHY geht’s in der Tat gar nicht.