Interview mit Karo von 24/7 Diva Heaven über „Gift“
24/7 DIVA HEAVEN aus Berlin sind mit Sicherheit eine der besten Rockbands der letzten Jahre. Mitten in der Pandemie haben sie mit „Stress“ eine kantige Noise-Grunge-Platte veröffentlicht und damit die komplette Fachpresse und eine Menge Fans begeistern können. Nun wurde vor einigen Wochen mit „Gift“ über Noisolution nachgelegt, nicht weniger durchschlagkräftig, aber noch eine Spur selbstbewusster und nur grob geschliffen. Kat, Mary und Karo haben ihren bewährten Stil lediglich optimiert. Bei krachfink.de findet ihr auch zwei kurzweilige und informative Podcastfolgen mit der Band. Für die aktuelle Platte traf sich krachfink.de mit Bassistin Karo zu einem ausschweifenden Gespräch. Wir plauderten über die Entwicklung von „Stress“ zu „Gift“, wie man mehr Selbstsicherheit erlangen kann, wie wichtig die flankierende Optik einer Veröffentlichung ist, warum Scheitern auch sympathisch sein kann und ob Karo sich vorstellen könnte, hauptberuflich Musikerin zu sein. Außerdem sprachen wir über den Aufnahmeprozess in Darmstadt und darüber, warum es besser ist, sich nicht geschwollen auszudrücken, sondern ergebnisorientiert zu verhalten.
Mir ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass ihr ja euer Debüt echt krass in Corona reingesetzt habt und eigentlich erst mal richtig gearscht wart. Das war mir damals gar nicht bewusst. Fühlt es sich jetzt anders an, mit der zweiten Platte, oder war das vielleicht auch cool, damals in dieses Loch reinzustoßen?
Also, das ist ja schon ein bisschen her, deswegen habe ich nicht ganz den direkten Vergleich. Ich weiß nicht, wie verfälscht der mittlerweile ist. Aber eigentlich war es bei uns so, dass das Loch sich gar nicht so groß angefühlt hat, weil die Resonanz ziemlich gut war. Viele haben das ja nicht gemacht, etwas in Corona rauszubringen, sondern haben noch ein bisschen gewartet, bis das alles ein bisschen abgeflacht ist. Und die, die es gemacht haben, da habe ich das Gefühl, dass es eigentlich gar nicht so schlecht war, weil zum Beispiel viele schriftliche Reviews reinkamen, weil vielleicht einfach weniger zu tun war. Das heißt, Resonanz gab es super viel und auch eigentlich nur Gutes. Also wirklich nur Gutes, bis auf einmal Rolling Stone, was aber auch ein bisschen amüsant war.
Ich erinnere mich, ja.
Und dann gehörten wir auch zu den glücklichen Leuten, die eigentlich so ab August, obwohl ja noch voll Corona am Laufen war, dann schon noch ein paar Festivals mitgenommen und Konzepte vorgelegt haben. Wir haben dann bestuhlt und draußen in Karlsruhe gespielt, oder diese Fusion, die Beta Fusion mit weniger Leuten. Dafür, dass eigentlich nichts ging, haben wir schon viel gespielt. Und als Corona dann vorbei war, kam richtig die Klatsche rein, da haben wir sehr viel gespielt in dem Jahr. Und deswegen fühlt es sich vielleicht gar nicht so unähnlich an. „Gift“ kam im Herbst, also später im Jahr, nicht im Frühjahr. Jetzt haben wir Livetouren gemacht und nächstes Jahr geht’s richtig los.
Ich glaube, es stimmt, was du sagst, dass man damals als Redakteurin offener war für Musik, weil man einfach mehr Zeit hatte, sich intensiver damit zu beschäftigen. Ich bilde mir ein, dass ich in diesen Jahren so viele Bands kennengelernt habe und entdeckt habe wie niemals davor und danach.
Schade eigentlich. Ich glaube, für kleine Bands hat es echt ganz gut was gebracht.
Wie war denn jetzt der erste Tourblock für dich? Ist das der Punkt, an dem die Musik eigentlich wirklich erst so richtig zum Leben erweckt wird, wenn die Fans dazukommen?
Ja, schon irgendwie. Weil man natürlich dann auch interessiert ist, welcher Song kommt wie an. Man hat ja so selber seine Favorites, und das ist schon interessant zu sehen, dass deine Favorites vielleicht nicht die Favorites des Publikums sind. Es ging auch alles so schnell, Schlag auf Schlag. Wir waren ja erst im Juni im Studio, dann hast du alles gefühlt 50.000 Mal gehört, während es in Mix und Master ging. Und dann war kurz der Videodreh, überlegen, was wie eine Single sein könnte – und dann war „Gift“ auch schon da. Also es war nicht so, dass man irgendwie so viel Zeit gehabt hätte, um sehnsüchtig zu warten, zu präsentieren, weil man schon so drin war. Aber klar, das Live-Spielen ist das Wichtigste.
Von welchem Song hast du denn gedacht, dass der gut ankommt? Und welcher kam denn dann gut an, von dem du es nicht gedacht hättest?
Na, also ich hätte zum Beispiel gedacht, dass, auch wenn es was anderes ist, der Titelsong ziemlich gut ankommen würde, einfach weil er gut reingeht. Aber das ist zum Beispiel live schon so, dass man sich daran gewöhnen muss, dass die Leute eventuell einfach quatschen, wenn jemand alleine mit einer Gitarre erst mal vor sich hinsingt. Das ist so ein bisschen, ja, so Bar-Atmosphäre. „Crown of Creation“ kommt super gut an, das hätte ich vielleicht jetzt auch erst mal nicht so gedacht, weil es ja doch eher eine poppigere Nummer ist. Das war aber von vornherein so, dass auch die Leute, die es vorher schon zum Hören gekriegt haben, meinten, der Song fällt besonders auf. Der ist zum Beispiel auch beliebter als „These Days“. Wir dachten uns bei dem Song okay, also wenn schon Pop, dann richtig.
Ich hätte jetzt gedacht, dass „L.O.V.E. Forever“ live gut abgeht, da der IDLES-mäßige Part stark animiert, oder eben „Manic Street Ballet“ wegen dem prägnanten Refrain.
Die gehen auch ab. „Manic Street Ballet“ zum Beispiel hatten wir schon relativ lange live gespielt, den gab’s also vorher schon. Das ist keiner von den Songs, die quasi noch nie präsentiert wurden. Daher wusste man da schon so, wie der ankommt. Und bei „L.O.V.E. Forever“ habe ich mir überhaupt gar keine Sorgen gemacht. Ich dachte, ey, kommt so eine Punk-Nummer, die nehmen die Leute immer dankend an, um ein bisschen abzumoschen.
„These Days“ ist der Song mit Arnim von den BEATSTEAKS. Da ist mir total aufgefallen, wie krass ihr mit einfachen Mitteln, ohne lang rumzuschwenken, auf den Punkt kommt. Arnim schnörkelt schon oft in den Songs mit rhythmischem Atmen und Huhuuus, er geht nie über den Punkt, dass es nervt, aber bei dem Song fiel auf, dass ihr genau das eben nicht macht und euch das gut steht.
Ja, danke, danke, das ist ein sehr schönes Kompliment. Das nehme ich ganz gut an und werde es an die Mädels weitergeben.
Habt ihr euch festgelegt, ob es „Gift“ auf Englisch oder „Gift“ auf Deutsch heißt?
Da haben wir uns natürlich überhaupt nicht festgelegt, weil das natürlich super wie beim Debütalbum „Stress“ funktioniert. Kannst du ja auch auf Deutsch und Englisch sagen. Bedeutet zwar dasselbe, aber am Ende, ja, kann man sich da seine eigenen Gedanken zu machen. Und Fun Fact: „Gift“ auf Dänisch bedeutet verheiratet. Und aber auch, also das „Gift“ ist das Mittel, um jemanden zu vergiften. Also eigentlich gibt es noch mehr Möglichkeiten.
Fallen euch diese doppeldeutigen Albumtitel zu oder macht ihr euch da schon Gedanken?
Also Kat hat wohl eine Liste mit doppeldeutigen Albumtiteln und sie kam ziemlich schnell damit um die Ecke und meinte so, was würdet ihr davon halten, wenn du dein nächstes Album „Gift“ heißt? Und wir so, ja klar, auf jeden Fall sofort gekauft. Ob es ihr zugeflogen ist, weiß ich nicht. Ein bisschen Gehirnschmalz wird sie wohl reingelegt haben, aber vielleicht ist das ihr, also vielleicht ist sie auch zugeflogen und daraufhin hat sie dann die Liste angelegt, weil ich denke, sie würde wohl ein bisschen Nachdenken brauchen. So viele Titel würden mir nicht einfallen, ich muss dafür auf jeden Fall nachdenken.