Interview mit Monosphere zu „The Puppeteer“
Mit „The Puppeteer“ hat sich die deutsche Post-Metalcore-Band MONOSPHERE einiges vorgenommen und überaus detailliert ausgestaltetes Konzeptalbum vorgelegt, das inhaltlich und musikalisch überzeugen kann. Drummer und Songwriter Rodney Fuchs hat bereitwillig einige Fragen dazu beantwortet. Mit diesen interessanten Antworten im Hinterkopf, hört sich das Album nochmals ganz anders an.
Das ist euer erstes Interview für krachfink.de, wer ist also bei MONOSPHERE dabei, seit wann spielt ihr zusammen und mit welcher Idee habt ihr begonnen gemeinsam Musik zu machen?
Rodney: MONOSPHERE besteht seit dem Jahr 2015 und resultierte damals aus der Band LOST WITHOUT DIRECTION. Nachdem wir uns damals musikalisch etwas auseinandergelebt haben, haben wir uns inoffiziell einen Tag nach der Veröffentlichung unserer letzten EP „Fragile“ aufgelöst. Es dauerte nicht lange, bis ich den ersten MONOSPHERE Song geschrieben habe und ihn unserem Sänger Kevin gezeigt habe. Er war total begeistert und zeigte es dem Rest und am Ende fanden wir uns in derselben Besetzung, in der wir uns aufgelöst hatten, wieder und haben eine neue Band begründet, die musikalisch eine ganz andere Richtung eingeschlagen hat, haha.
Die Idee war damals ruhigere Musik voller Emotionen zu machen, die sich an Bands wie DEVIL SOLD HIS SOUL und THE ELIJAH orientiert. Von dieser Idee sind wir nun wieder abgedriftet und klingen so, als hätten wir diesen Gedanken mit dem Progressive Deathcore Ansatz von LOST WITHOUT DIRECTION vermischt. Mit Kevin bin ich seit 2010 in einer Band und wir waren immer der Anker, der zusammengehalten hat. Unser Gitarrist Max ist seit 2014 dabei und war auch noch Teil von LOST WITHOUT DIRECTION. Unser Bassist Marlon kam 2019 in die Band und Valentin erst im Sommer letzten Jahres. Erst dann begannen auch die Recordings zu „The Puppeteer“ und nach eineinhalb Jahren werden wir im November auch das erste Konzert in dieser Konstellation spielen können.
„The Puppeteer“ ist ein sehr ambitioniertes Werk, wie oft wolltet ihr zwischendrin hinschmeißen?
Das ist eine gute und berechtigte Frage. Ich glaube mindestens fünf oder sechs Mal. Es gab einige Punkte, die uns aufgehalten haben. Angefangen mit dem Ausstieg zweier Bandmitglieder im Jahr 2018 aufgrund von unterschiedlichen musikalischen Visionen, was auch am Songwriting für „The Puppeteer“ gelegen hat. Wir haben das Album mehrmals aufgenommen, da wir erst nicht zufrieden waren mit der Qualität der eingespielten Spuren. Dann haben wir uns gefragt, ob das Album überhaupt Sinn ergibt. Ich habe oft mit mir selbst gekämpft, weil ich genau wusste, wie groß dieses Projekt ist und erst Anfang Oktober haben wir uns gefragt, ob wir den ganzen Plan nicht doch verwerfen und die Veröffentlichung verschieben. Doch diese Zweifel galt es zu überwinden und wir haben es geschafft am Ball zu bleiben, denn das einzige, was wir uns am Ende hätten vorwerfen können, wäre gewesen, dass wir es nicht durchgezogen hätten.
Wie kam es zu der Idee der Geschichte? Hast du Angst davor, kontrolliert zu werden, die Kontrolle zu verlieren oder einen falschen Eindruck von Realität zu verfolgen?
Dazu muss man sagen, dass die Geschichte komplett von unserem Sänger Kevin stammt. Ich habe „nur“ die Musik komponiert und Kevin hat die Musik und ihre Dramaturgie genutzt, um die musikalischen Narrative in Worte zu packen, was ihm erstaunlich gut gelungen ist. Ich sehe den Plot so wie einen Thriller, der undurchsichtig ist. Diese Undurchsichtigkeit lässt es spannend werden.
Kevin: Zunächst habe ich die instrumentale Pre-Production des Albums bestimmt über 100 Mal gehört. Ich habe mich primär an den Gefühlen orientiert, die die Musik in mir ausgelöst hat und somit bei jedem weiteren Hördurchgang fragmentweise Textstellen in meinem Kopf kreiert, die das Grundgerüst für die Geschichte bildeten. Das Erste dieser Fragmente war zum Beispiel „The only one I loved was you, how am I going to pull through?“ im Song „The Lover“. Das Album sollte allerdings auf keinen Fall eine klassische Liebesgeschichte werden, sondern eher eine Tragödie erzählen.
Durch die musikalische Zweiteilung des Albums entstand also die Idee, eine Geschichte aus zwei Perspektiven zu erzählen, denn gerade heutzutage wird es immer wichtiger, mehr als nur eine Quelle für Informationen in Betracht zu ziehen. Es gibt so viele komplexe Verschwörungstheorien, die sich meist mit simplen Fakten widerlegen lassen. Diesen Bezug zur Realität wollte ich aufgreifen und erfand meine eigene „Verschwörungstheorie“ für die Geschichte, nämlich dass eine private Organisation Menschen mit modernster Computertechnologie steuern kann und möglichst glaubwürdig in den Tod führt. Der erste Teil des Albums erzählt aus der Perspektive einer Person, die einen neuen Job bei besagter Organisation beginnt. Der zweite Teil erzählt aus Sicht des/der Liierten dieser Person. Dabei ist den Hörenden überlassen, welche Perspektive die „richtige“ ist.
Da die Geschichte sehr komplex ist, hattest du manchmal den Eindruck, dass sie an einigen Stellen zu viel Macht über das Songwriting übernimmt?
Rodney: Da das Songwriting von Anfang an getrennt von der Musik stattgefunden hat, hat sich die Geschichte dem musikalischen gefügt. Die Worte und Ausdrücke im Text sind also eher eine Bekräftigung des musikalischen Treibens, als dass sie die Musik in irgendeiner Weise übernehmen. Am Ende des Tages geht es aber darum, dass sowohl Musik als auch Text – zusammen mit der visuellen Darstellung – in einer Symbiose stehen und das Konzept stringent und überzeugend erzählen.
Rodney, du hast eine Begleitarbeit verfasst, die aus musikwissenschaftlicher Perspektive die Parameter des Konzeptalbums beschreibt. Kannst du zusammenfassen – für Leute, die gar keine Ahnung davon haben – was unter dem Begriff Musikwissenschaft zu verstehen ist und wie du vorgegangen bist?
Die Musikwissenschaft ist die Wissenschaft der Musik und beinhaltet Teile der Musikhistografie, Musiksoziologie, Musiktheorie und vieles mehr. Es geht um die Erforschung der Musik in allen möglichen Aspekten. Meist jedoch um das Verständnis und die Rezeption von Musik. Also auch um Kontexte, in denen Musiken entstanden sind. Die Frage danach wie politisch eine Band ist und woran man das erkennen kann, oder etwa wie Johann Sebastian Bach sein Liebe zu Gott in seiner Musik ausdrückte und diese mitsamt einer Zahlensymbolik versah.
Das Fach ist unendlich groß, aber insbesondere in der kontemporären Geschichtsschreibung kaum ausgebaut. Es gibt so viele Fragen, die unfassbar spannend sind, die jedoch noch nicht ausreichend geklärt sind. Als ich im Jahr 2018 meine Bachelorarbeit geschrieben habe, merkte ich, dass es kaum Quellen aus erster Hand gibt und oftmals nur Briefwechsel oder Interviews Belege liefern können, um in den Kopf von Komponist*innen schauen zu können.
Doch nur so können wir Evidenzen finden. Da ich selbst großer Musikliebhaber bin und es liebe mich in theoretische Arbeiten zu tauchen, um mehr über Symboliken, Techniken und Ideen hinter der Musik zu erfahren, reifte in mir die Idee ein Album zu schreiben, das genau diese Aspekte aus erster Hand mitliefert.
Da in „The Puppeteer“ jede Menge musikalischer Tweaks und Details versteckt sind, war es nur logisch eine Begleitarbeit zu verfassen. Denn so durchdacht diese Elemente auch sind, die wenigsten werden sie bemerken, was aus der Sicht eines Komponisten unfassbar traurig ist. Natürlich ist es cool, wenn Leute Dinge entdecken, aber davon auszugehen, dass man ein Album durch analysiert, ist eigentlich ziemlich bescheuert. Stattdessen wollte ich all denen, die daran interessiert sind mehr über den Prozess und den musikalischen Inhalt zu erfahren, die Möglichkeit geben hineinzutauchen.
Die Arbeit zeigt auf, welche Motive sich im Album wiederholen, wie einzelne Tracks miteinander verknüpft sind, welche Techniken ich aus der klassischen Musik adaptiert habe und wie die Musikvideos das Konzept komplettieren. Darüber hinaus gibt es aber auch einen Basisteil in die grundlegende Informationen gegeben werden. Also was ein Konzeptalbum überhaupt ist, welche Parameter dafürsprechen und was „progressive Musik“ überhaupt sein kann. Am Schluss wird alles auf „The Puppeteer“ angewandt und man kann viel über das Album lernen, ohne sich etliche Stunden mit Stift und Bleistift vor den Plattenspieler zu setzen und Dinge herauszuanalysieren.
Die konzeptionelle Herangehensweise zieht sich auch durch das Artwork und die Videos, die euer Sänger Kevin gemacht hat. Bist du selbst auch an Zeichnen und bildender Kunst interessiert?
Ich habe früher viel und gerne gezeichnet und gemalt und wenn ich die Musik nicht hätte, wäre die bildende Kunst wohl ein wichtiger Teil in meinem Leben geworden.