Gemischte Tüte mit Thorsten Nagelschmidt und Felix Gebhard von Muff Potter – Interview

Welchen Umfang hatte dein supply für ein Wochenende, ungefähr?

Thorsten: Ich habe halt viel getrunken immer und man konnte davon besonders viel trinken, es hatte nur so 8.5% Alkohol und ich habe das so wie Fanta getrunken, konnte da viel ab.

Was steht heute auf dem Rider von MUFF POTTER?

Thorsten: Weißwein immer noch, aber mit einer kleinen Angabe, welche Preisklasse er nicht unterschreiten sollte (lacht).

Wirklich?

Thorsten: Ja, aber eine ganz humane, also so „gerne Grauburgunder aus dem Weinladen“…

Felix: Ach so, ja, aber kein konkreter Preis!

Thorsten: Genau. Und Cremant ist seit Neustem angesagt, dafür haben wir den Schnaps mal runtergenommen, jetzt ganz frisch. Weil den irgendwie niemand mehr so richtig trinkt. Vor Kurzem haben wir aber in Münster gespielt, mit unseren Freunden von MESSER und ich habe da gerade vom Tod von Kristof Schreuf erfahren (Anm. d. Red.: Sänger von KOLLOSALE JUGEND; Musiker und Journalist), der mich ganz schön hart erwischt hat, in dem Moment. Und da war noch eine Flasche ABSOLUT unten und da haben wir uns, im ersten Schock, nochmal ein Schlückchen eingeschenkt und mit Wodka angestoßen. Aber das war das einzige Mal, dass auf der Tour Schnaps getrunken wurde, von mir auf jeden Fall.

Felix: Ich habe bei dieser Tour sogar von dem alkoholfreien Bier noch ein paar mehr draufgesetzt, weil ich gerade so das Gefühl habe, dass Alkohol gar nicht so mein Ding ist.

Wie ist es für dich mit MUFF POTTER auf Tour zu sein?

Felix: Es ist ja quasi schon die zweite Tour für mich und gerade im letzten Jahr war ich mit anderen Gruppen so sehr unterwegs, dass ich auf fast 70 Konzerte insgesamt kam. Ich bin ganz froh darüber, dass es in diesem Jahr etwas weniger ist und habe mich eigentlich schon wieder daran gewöhnt. Im letzten Jahr bin ich in Konstellationen unterwegs gewesen, wo noch ganz doll geschaut wurde, in welchem Hygienekonzept man sich bewegt und wie viele Leute man überhaupt backstage trifft oder ob überhaupt. Und mittlerweile habe ich das Gefühl, wir sind back to normal, auf ´ne Art. Was natürlich nicht bedeutet, dass nicht Touren unterbrochen werden, wegen irgendwelcher Krankheitsfälle. Aber ich bin der Meinung, dass wir jetzt wieder auf dem richtigen Weg sind.

Hattet ihr das so erwartet? Ich hatte, für mich persönlich, die Befürchtung, dass es länger dauert, um wieder reinzukommen. Aber es wirkt auf mich fast so hemmungslos wie vorher?

Thorsten: Ja, ich kann das bestätigen. Aber als Musikkonsument kann ich das nur aus der Sicht von Berlin sagen. Es gab ja mehrere Pandemie- und Lockdownphasen, wo man dann wieder auf sein erstes Konzert gegangen ist. Und ich kann mich an jedes davon erinnern, weil es für mich etwas Besonderes war. Und eines davon, das war nach der ersten Phase, war die Band PISSE im Festsaal Kreuzberg. Es war ausverkauft und beim ersten Song haben alle sofort angefangen zu diven und das war schon richtig krass. Es waren nicht mehr nur keine Abstandregelungen, sondern es sprangen auch alle wieder übereinander her (lacht). Das ist wahrscheinlich auch eine Typsache, wie man damit umgeht und ob man das jetzt ganz befremdlich findet oder Zeit braucht, um da wieder reinzukommen. Ich habe es registriert, dass das wieder möglich ist und mich dann total darüber gefreut. Ich bin im letzten Jahr wahrscheinlich auf so viele Konzerte gegangen, wie in meinen Zwanzigern.

Es waren auch einige der besten Konzerte meines Lebens dabei – wobei ich da nicht so hochstapeln will – und mehrere fantastische. Also nicht nur, was die Bandperformance angeht, sondern auch was die Stimmung im Raum betrifft. Ganz unterschiedliche Musik, laute Sachen und leise Sachen, ein klassisches Konzert in der Elbphilharmonie und Punksachen. Das hatte auch ganz oft was mit der Energie im Raum zu tun, dass man das anders beurteilt und das was man für selbstverständlich genommen hat, nun auch anders wertschätzt. Und es wurde klar, dass es bei mir und auch vielen anderen ein echtes Bedürfnis gibt, Musik mit anderen Menschen in einem Raum zu erleben und mit all dem, was da passieren kann. Unverhofftes und Spontanes, auf musikalischer Ebene, dass man auf einmal auch merkt, dass man in manchen Clubs gerne drin ist, weil die auch was ganz Eigenes haben. Unten sind die Bässe und da oben schießen die Höhen. Ein Beispiel sind THE NOTWIST, die habe ich im Astra in Berlin gesehen. Früher ist man da manchmal nicht so gerne hingegangen, weil der Sound da nicht sooo gut war.

Aber dann haben wohl auch viele Clubs in der Pandemiezeit Hilfen bekommen, die sie in ihre PA oder in die Räume gesteckt haben. Ich habe Konzerte in Berlin im Tempodrom gehört, MOGWAI, CAT POWER und PHOEBE BRIDGERS, dass klang alles fantastisch, ganz unterschiedliche Musik. Von THE NOTWIST bin ich Fan seit der ersten Platte und habe dann jetzt, im dreißigsten Jahr meiner NOTWIST-Liebe und im Astra, das beste Konzert dieser Band gesehen. Und es ging nicht nur mir so, dass ist das was meine. Man hat sich umgeschaut und nur in strahlende, beseelte Gesichter geschaut, weil es so ein beglückendes musikalisches Erlebnis war. Es bedeutet für ganz viele Leute etwas, dieses Erlebnishafte und sich nahe mit anderen Menschen in einem Raum zu sein.

Ich empfinde das auch so und selbst wenn ich mich scheue zu sagen, dass die Pandemie gute Seiten hat, dann kommt es in Interviews immer wieder zur Sprache, dass es Bands und ihren Alben gutgetan hat, im kreativen Prozess etwas umstellen zu müssen oder auf Distanz zu arbeiten. Dass und die Clubs, die mit den Hilfen den Sound verbessert haben und auch das erneute Wertschätzen von Musik, sind vielleicht doch positiv zu werten.

Felix: Ja! Und auch die Zeit für den kreativen Prozess. Das ist ja auch in vielen Fällen, wenn Leute Musik machen und das aber nicht deren Hauptberuf ist, ein Faktor. Die Arbeit an unserem aktuellen Album fand ja auch zu einer Zeit statt, in der alle viel Zeit hatten, weil andere Sachen ausfallen mussten.

Thorsten: Für uns war es ja sogar so, dass das der Ersatz für das auf Konzerte gehen war. Als wir mit dem Album angefangen haben, haben wir ja fast alles in einwöchigen Sessions auf dem Kulturhof Nottbeck geschrieben und auch dort gewohnt. (Anm.d.Red.: Mehr dazu auch im krachfink.de Podcast mit Felix zum Album „Bei aller Liebe“) Das waren teilweise bizarre Situationen. Denn als Freunde hätten wir uns gar nicht zu viert treffen dürfen, aber als Kollegen irgendwie schon, weil ja bei Amazon auch weiter alle an den Bändern standen. Also es war auch teilweise echt hanebüchen. Wir konnten also nicht auf Konzerte gehen, aber eben in diesem Raum stehen und das Musikerlebnis selber herstellen. Die Art und Weise, wie die Platte entstanden ist, hat also totalen Einfluss darauf, wie sie letztendlich klingt.

Über Felix‘ erste Konzerterfahrung mit MUFF POTTER haben wir jetzt schon gesprochen. Was sind denn deine Erinnerungen an das erste Konzert als MUFF POTTER, Thorsten? Wie hast du es dir vorstellt und wie war es dann?

Thorsten: Das war sehr schön, denn wir waren die Vorband von meiner anderen Band SEXTON AND THE FRUSTIES, die ich und unser Schlagzeuger Brami damals schon hatten. Damals war er aber noch kein Schlagzeuger von MUFF POTTER, das kam erst zwei Jahre später. Diese beiden Bands sind dann nach Zeulenroda in Thüringen gefahren und am nächsten Tag das zweite Konzert war in Zeitz, in Sachsen-Anhalt. Keine der Bands hatte bis dahin eine Tonträgerveröffentlichung, es war also nicht davon auszugehen, dass an diesem Wochenende viele Leute kommen. Aber es steht symptomatisch für die Geschichte von MUFF POTTER, weil wir von Anfang an nicht in unserer Heimatstadt Rheine spielen wollten.

Wir haben dann schon mal dort gespielt, aber es ging uns nicht darum, local heroes zu sein, wie das für manche andere Bands ein Ziel war. Für uns war das die Möglichkeit irgendwo anders hinzufahren und wenn das dann eben ein Ort namens Zeulenroda ist, von dem man zwar noch nie gehört hat, wo aber jemand draufgängerisch genug ist, um zwei völlig unbekannte Bands einzuladen, dann brettert man da eben 9 Stunden hin und spielt ein wahrscheinlich rumpeliges Konzert, hat aber das Gefühl ‚Ey geil Alter, wir sind auf Tour!‘ (lacht).

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