Lest das Interview mit Sarah und Matti zu "4 von 5" bei krachfink.de

Interview mit Akne Kid Joe zu „4 von 5“ – Teil 1

Sarah und Matti von AKNE KID JOE haben sich lange Zeit genommen und mit krachfink.de ausführlich über die kommende Platte „4 von 5“ geplaudert. Das Gespräch ist natürlich – im positiven Sinne – wie immer komplett ausgeartet, weshalb ihr euch auf mehrere Teile freuen dürft und hier somit eine Art Countdown entsteht, sodass ihr dann ab 07. Juni die Platte gleich mit ganz anderen Ohren hören werdet. Im ersten Teil geht es um die Entstehung der Platte, den Zusammenhang von seelischer Gesundheit und Bands zwischen Selbstausbeutung und Selbstvermarktung, das Stockholm-Syndrom der Szene, das von einer KI erstellte Artwork, den Gedanken einfach alles plattzumachen und neu zu starten und natürlich über den neuen Schlagzeuger Sebastian.

Als ich euch vor fünf Jahren zum ersten Mal interviewt habe, da saßt ihr beide auf der Couch nebeneinander, nach ein paar Minuten hat Sarah eine Wolldecke rausgeholt und euch beiden über den Oberschenkel gelegt. Und ich dachte mir so…ok, ganz schön Punkrock, ihr habt es euch erstmal gemütlich gemacht. Mir hat die entspannte Art, wie ihr das damals Interview geführt habt, extrem gut gefallen. Klar, jetzt kennen wir uns ein bisschen, aber hat sich was geändert bei euch, wenn ihr Interviews gebt, überlegt ihr euch, welche Fragen kommen könnten?

Matti: Hey, damals, das war dieses Blind Date, oder? Dieses musikalische Blind Date für das Ox und dann noch die Gemischte Tüte für krachfink. Da kann man sich natürlich nicht gut vorbereiten. Aber ansonsten würde ich sagen, also ich habe mich jetzt für dieses Interview hier nicht vorbereitet.

Heute morgen hätten wir eigentlich ein Musik-Express-Interview gehabt und dafür hätten wir uns aber auch nicht vorbereitet. Wir bereiten uns vor, wenn wir wissen, dass es vielleicht teilweise Fragen gibt, bei denen es ungünstig ist, wenn man einfach so dumm herumstammelt. Aber generell würde ich schon sagen, dass unsere Stärke auch die Spontanität ist.

Sarah: Genau, ich würde sagen, dass wir uns vorher für Interviews einfach einmal abgesprochen haben, auch bezüglich des Themas Mental Health. Da haben wir kurz besprochen, was wir von uns preisgeben wollen. Also ich finde, das muss man einmal kurz vorher besprechen, bevor man irgendwie sagt, ja, der Matti war in der Tagesklinik und Matti will aber gar nicht, dass das jeder weiß.

Interessant, da hätte ich jetzt nicht drüber gesprochen, obwohl ich natürlich davon weiß. Du meinst, das Thema wird wirklich in Interviews angesprochen?

Sarah: Ja, also es wird angesprochen. Aber auch, weil wir offen damit umgehen und weil das irgendwie zu diesem Albumprozess sogar dazugehört, finde ich. Also weil das durch unsere ganzen mentalen Zustände schon auch deswegen auch sehr anstrengend für uns war und das Album uns auch in mentale Zustände gebracht hat, die teilweise sehr schwer für uns waren.

Matti: …und uns fast an den Rand der Verzweiflung gebracht haben! Deswegen gehört dieses Thema für mich quasi zu dem Album mit dazu, für diesen Albumprozess. Aber es steht jetzt in keinem Pressetext oder so. Deswegen, klar, wenn es Leute wissen, sprechen sie uns darauf an oder vielleicht kommt es auch so im Gespräch bei uns irgendwie raus, aber ja. Es ist uns jetzt kein Anliegen, hier irgendwie so einen auf Instagram-Otto zu machen halt und die ganze Zeit hier Mental Health und die ganze Scheiße und sowas halt so. Also die Leute, die die ganze Zeit irgendwie über Mental Health auf Social Media labern, die gehen mir auch voll auf die Nerven.

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Matti im Studio, Foto von Sebastian König

Ich glaube, uns ging es wirklich nur ein bisschen darum, diesen Aspekt der Selbstausbeutung, die einfach in diesem ganzen Musikding irgendwie voll präsent ist, ein bisschen mit unterzubringen. Und das gehört dann halt einfach dazu. Ich meine, wenn du dich halt zerreißt, irgendwie zwischen Lohnarbeit, Familie und Touren und dann zwischendurch noch Album aufnehmen und so weiter… Kohlemäßig kommt eigentlich eh nicht so viel rein. Wobei, das ist ja auch scheißegal, niemand von uns ist angetreten, um damit Geld zu verdienen. Aber du musst dann trotzdem irgendwie schauen, wie bezahlst du so ein Studio? Wie bezahlst du die Leute, die mit auf Tour sind und so weiter? Stellst du einen Antrag bei der Initiative Musik? Dann kann es sein, dass du von irgendwelchen Gralshütern des wahren Punkrocks deswegen wieder angekackt wirst. Also man ist schon ständig einer Belastung ausgesetzt.

Sarah: Es ist nicht einfach immer nur alles geil und alles cool. Auch dieses Unbedarfte… wir gründen jetzt eine Band und gehen auf Tour. Dieser unbedarfte Zustand und diese Euphorie, die kann ganz schnell schon auch so in einem Zustand von Überforderung und Selbstzweifel weichen. Und ich glaube, über sowas zu sprechen, finde ich eigentlich cool. Aber mir geht es jetzt wie gesagt nicht darum, irgendwie zu sagen, hey, wir haben auch Mental-Health-Probleme übrigens.

Matti: In diese Art der Mental-Health-Influencer will ich mich ja keineswegs einreihen.

Die Erkenntnis ist auf jeden Fall schon mal gut, aber trotzdem macht man immer Einschränkungen. Du, Matti, hast jetzt eben gesagt, na ja, wir wollen ja auch nichts verdienen…

Matti: Nee, aber man will ja auch nichts draufzahlen.

THE SCREENSHOTS haben doch gerade ein Statement rausgehauen, wie schwer es für Band ihrer Größe ist… (das Statement findet ihr hier auf dem Instagram-Kanal der Band)

Matti: Ja, ich habe es gesehen, ja.

Mein erster, dummer, Gedanke war, Hä, THE SCREENSHOTS, die wären doch bei Jan Böhmermann in der Show. Und dann fiel mir in der nächsten Sekunde wieder ein, dass das halt einfach überhaupt nichts zu sagen. Was will man denn jetzt als Band? Schon, dass es irgendwie immer weiter geht, oder?

Matti: Ich weiß nicht. Ich habe jetzt bei uns nicht irgendwie diesen Drang. Also ich muss da jetzt nicht nochmal einen draufsetzen. Wir haben mit dieser Band mehr erreicht, als wir uns jemals auf die Fahne geschrieben haben. Wir haben irgendwie einfach in Städten gespielt, in die ich niemals gekommen wäre sonst, weil Leute zu unserem Konzert gekommen sind. Es kam Feedback von Leuten, die gesagt haben, wir hören eure Mucke gern an und wir haben es auf große Festivals geschafft. Alles voll cool. Also ich habe jetzt nicht irgendwie so das mega Verlangen, da irgendwie das Ganze noch mehr zu professionalisieren,

Worauf ich nur keine Lust habe, ist Leuten hinterherzurennen. Und dieses Gefühl, Leuten hinterherrennen zu müssen, das hat sich mittlerweile, glaube ich, bei den Bands eingestellt, dass das dazugehört. Man postet die ganze Zeit irgendwas so, hier pre-saved schon mal meine nächste Scheiß-Single, die in drei Wochen kommt. Und hier jeden Tag noch ein Reel, wenn man auf Tour ist, dass es heute Abend noch Tickets an der Abendkasse gibt und so, weil die Tickets mittlerweile 30 Euro kosten und sich das auch kein Mensch mehr leisten kann. Und in so einen Modus zu geraten, dass ich irgendwie ständig Leuten noch ein Produkt verkaufen muss und dann für dieses Produkt gibt es dann aber irgendwie auch nichts, weil irgendwie alles von der Inflation geschluckt wird, auf sowas habe ich keinen Bock. Und das verursacht aber genau diesen mentalen Druck, den wir eigentlich vorher angesprochen haben.

Damit sind wir als Band ja nicht allein, das ist ja die ganze Kulturbranche, die diesen Treffer abbekommen hat. Also ich mache im Z-Bau auch den ganzen Tag nichts anderes, als zu schreiben: Heute gibt es noch Tickets an der Abendkasse für dieses Konzert von diesem Artist, den kein Mensch kennt. Kommt vorbei, kostet nur 30 Euro.

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Sarah im Studio, Foto von Sebastian König

Sarah: Ja, es ist halt irgendwie schwierig im Allgemeinen geworden. Ich glaube, man braucht dieses Agreement für uns auch. Und unser Agreement bei AKNE KID JOE lautet einfach: Wir spielen tendenziell einfach weniger Konzerte in einem Jahr. Wir spielen keine 60 Konzerte mehr pro Jahr, weil das auch bedeuten würde, dass man weniger Zeit hat, um zum Beispiel Kohle zu verdienen in der normalen Arbeit. Also das heißt, man hat das Agreement mit der Band, das ist vielleicht ein Zuverdienst, aber das ist niemals irgendwas, was deinen Lebensunterhalt finanzieren kann. Und das bedeutet, du brauchst Zeit, um zu arbeiten, dich um deine Familie zu kümmern und all diese Dinge. Dafür spielst du halt dann weniger Konzerte. Und das ist ja auch das im Prinzip, was THE SCREENSHOTS auch gesagt haben. Sie können das einfach nicht, die ganze Zeit auf Tour zu sein und hier und da und überall mitzumachen, weil sie diese Zeit dafür nicht haben, weil man eben Geld verdienen muss.

Matti: Das war auch in dieser Doku, die im ZDF jetzt letztens lief. Da kam das sehr gut raus, dass Bands, kleinere Bands, sehr viel weniger inzwischen davon leben können, als noch früher in der vergleichbaren Größe, weil halt einfach die Möglichkeiten nicht mehr da sind. Und deswegen müssen alle arbeiten und deswegen haben alle diesen Stress. Aber für uns ist es irgendwie cool zu sagen, wir machen uns diesen Stress nicht mehr, sondern wir spielen so viele Konzerte, wie wir können und sagen halt aber sau viel auch einfach ab oder können halt nicht alles machen.

Sarah: Und mich hat das früher sehr krass unter Druck gesetzt, weil ich auch immer Bock hatte, überall zu spielen und überall mit dabei zu sein. Aber das geht halt einfach nicht so. Man hat einfach nicht so viel Zeit.

Ein Kommentar

  • Wow! Das ist ja schon mal aufschlussreich und interessant. Ich freue mich schon auf die weiteren Teile, wann kommen die?

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