HSB Mein gruenes Herz

Heaven Shall Burn – Mein grünes Herz in dunklen Zeiten – Review

Unter der Woche, eine Doku über eine Metalcoreband in Thüringen im Kino – kommt da überhaupt jemand? Als wir den Kinosaal betreten, sind wir schon ziemlich überrascht, wie viele Leute die Doku „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ über HEAVEN SHALL BURN sehen wollen. Mit einem beeindruckenden Anheizer, der richtig Bock auf das kommende Doppelalbum“…Of Truth And Sacrifice“ macht, startet der Film. Als Erstes dürfen wir in den Proberaum schauen und bekommen einen kleinen Eindruck davon, wie die Alben der Band entstehen. Einige der Gastsänger für die kommende Platte werden enthüllt und beim Einsingen oder Einspielen ihrer Parts gezeigt. Auch Matty von NASTY, der verpeilt hat seinen Beitrag aufzuzeichnen und deshalb einen witzigen Nachtrag leistet. In den folgenden 82 Minuten erfahren wir viel über die Band an sich und jedes einzelne Bandmitglied, mit teilweise beeindruckenden Kamerafahrten.

Heaven Shall Burn Of Truth and Sacrifice

Es ist schon seltsam, den Sänger Markus Bischoff bei seiner Schicht als Krankenpfleger auf Intensivstation zu beobachten und zu sehen, wie er in seinen Kasack steigt. Auch alle anderen Musiker von HEAVEN SHALL BURN nehmen uns mit in ihrem beruflichen Alltag und arbeiten heraus, in welchem Zusammenhang ihre Aktivitäten in der Band dazu stehen. Man kann HEAVEN SHALL BURN dafür loben, dass sie sich entschieden haben, nie ganz auf die Rockstarkarte zu setzen. „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ verdeutlicht aber, dass sie unterm Strich trotzdem auf beiden Seiten das volle Programm machen. Das führt dazu, dass sie allesamt komplett geerdet und nicht abgehoben sind, was sich in ihrer Musik spiegelt und der wiederum eine bemerkenswerte Authentizität verleiht.

Die Band zur Haltung

Was alle fünf Bandmitglieder gemeinsam haben, ist die beruhigende Bodenständigkeit und die angenehm reflektierte und in keiner Sekunde aufgesetzt wirkende Art zu sprechen. „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ hat viele lustige Momente, die meistens mit Gitarrist Maik Weichert zu tun haben. Schon etwas peinlich berührt sieht man ihn im Gespräch mit den Professoren seiner Uni, die wohlwollend versuchen seine musikalischen Ergebnisse ansprechend zu würdigen. Trotz komplette akustischer Überforderung erkennen sie die Tiefe und diese Ausdrucksform an. Maik dann ganz kleinlaut: „Ist ja oft so, dass Geisteswissenschaftlicher so abseitige Hobbys haben.“ Im Laufe des Films dürfen wir die jeweiligen Arbeitsplätze aller und viele, für die Band wichtigen Stationen ablaufen. Es geht zum Lagerraum, zum Sportplatz vom Fußballverein Carl Zeiss Jena, zum Schwimmtraining und zum Burgerladen, den Maik mit einem Kumpel aufgemacht hat: „Weil es eben keine guten Läden für Veganer gab und ich noch Rockstargeld übrig hatte.“ Er nimmt uns auch mit in die Straße seiner Kindheit und erzählt – gewohnt reflektiert und tolerant – von seinem Aufwachsen, seinem Blick auf die Politik und einer Stadt, die immer brauner wurde.

HEAVEN SHALL BURN 2020, Foto von Candy Welz

Spannend wird es auch, als Gitarrist Alexander „Ali“ Dietz und Maik sich nach Dänemark zum bekannten Produzenten Tue Madsen aufmachen, um den Mix für „Of Truth and Sacrifice” fertigzustellen. Sehr interessant zu sehen, wie genau die Arbeit abläuft – nämlich unspektakulärer, als man denkt – und auf was HEAVEN SHALL BURN Wert legen. Danach geht es ab nach Russland, um dort von einem Orchester einen Part für den Song „Weakness Leaving My Heart“ aufzunehmen, den Maik für seinen verstorbenen, sehr guten Freund geschrieben. Dazwischen werden immer wieder Aufnahmen vom Auftritt der Band auf dem Wacken 2017 reingeschnitten. Das verdeutlicht stark, wie absurd gegensätzlich die beiden Welten sind, in denen sich die Musiker bewegen.

Individuell und trotzdem sozial

„Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ verdeutlicht genau das, was HEAVEN SHALL BURN ausmacht. Ohne es auszusprechen, zeigt die Band, wie man individuell bleiben und trotzdem seinem Leben einen Sinn geben kann, indem man seinen Beitrag zur Gesellschaft leistet. Das führt dazu, dass die Alben von HEAVEN SHALL BURN wahrhaftiger klingen, als die derjenigen, die sich – meist zu früh und ohne Rückfahrkarte – nach Rockcity verabschiedet haben. „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ wird dem kommenden Doppelalbum als DVD beiliegen, sodass alle, die ihn verpasst haben, nochmals die Gelegenheit dazu haben werden, den Film zu sehen. Dem Regisseur Ingo Schmoll ist es gelungen einzufangen, was diese Band besonders macht. Es ist nicht seine erste Dokumentation einer Band und man merkt, dass er verstanden hat, worauf es bei Musik ankommt und welche Wirkung eine Band und deren Tun auf die Gesellschaft haben kann.

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