Goldroger 2020 Teaser

Interview mit Goldroger zu “Diskman Antishock II”

Der Kölner Rapper GOLDROGER hat letzten Freitag sein neues Album “Diskman Antishock II” veröffentlicht. Letzte Woche sprachen wir am Telefon ausführlich über das Album, seine kreative Art zu texten, seinen eigenen Anspruch an seine Kunst, seine Homies von Dienst & Schulter, seine Videos und der Moment, in dem er zum ersten Mal bereut hat, sein Jurastudium nicht beendet zu haben.

Goldroger-2020

Wie geht es Dir denn, so kurz vor der Veröffentlichung von “Diskman Antishock II”?

Eigentlich ganz ok, ich bin gar nicht so nervös. Es ist natürlich schon doof, dass das jetzt in die Corona-Zeit fällt, aber was willste machen, ne? Man muss schon sagen, dass es schon ein sehr Singles-starkes Release war und deshalb kennt man den Großteil der Platte schon. Das fanden die Leute gut und es würde mich jetzt wundern, wenn sie jetzt die paar neuen Songs mega scheiße finden würden. Von daher bin ich schon happy bisher und vielleicht deshalb nicht so aufgeregt. Und natürlich hoffe ich, dass doch noch ein paar Überraschungen für die Leute auf “Diskman Antishock II” dabei sind.

Die einzelnen Songs wirken für sich gut, aber das ganze Album “Diskman Antishock II” wirkt schon nochmal anders, wegen der Anordnung der Songs und der dadurch entstehenden Atmosphäre. Du hattest noch verhältnismäßig viel Glück, denn die Tour zum Album war sowieso für Oktober 2020 angesetzt.

(lacht) Ja, voll. Ich war erst richtig sauer, dass wir keine Tour früher bekommen haben. Das hat einfach vom Booking her nicht so hingehauen, auch das Routing für Oktober war einfach besser planbar. Und jetzt im Nachhinein, bin ich richtig, richtig happy, weil wir die Tour ja eh hätten verschieben müssen und im schlimmsten Fall hätte man gleich nach 2021 verlegen müssen. Ich habe jetzt quasi die Primetime (lacht), wenn die Leute hoffentlich wieder tanzen dürfen.

Beim Titel “Diskman Antishock” hab ich mich tatsächlich sofort an den Diskman als Medium erinnert, hast Du sowas noch? Wie konsumierst Du Musik, fette Plattensammlung oder CDs?

Ich höre nur Streaming, ich hatte mal einen Diskman und hab da auch Musik damit gehört. Aber schon als einer der Ersten hatte ich damals mp3-Player und habe mir immer CD digitalisiert und dann auf den mp3-Player gezogen. Glaube nicht, dass jemand noch einen Diskman hat, wobei manche Leute ja auch Vinyl hören und das ist ja eigentlich auch super altmodisch. Als ich aber musikalisch sozialisiert wurde, da saß ich aber echt in der Pause in der Schule mit dem Diskman rum und hatte ein fettes CD-Mäppche mit zehn Alben drin, auch Singles, und dann war heavy rotation angesagt.

Interessant, dass Du als Musiker, einfach so sagst, dass Du vorrangig streamst. Viele Künstler beschweren sich über die geringen Einnahmen, ich als Hörerin finde, dass der größte Vorteil die Verfügbarkeit ist. Man sagt ja auch, dass die Leute, die streamen, Musik eher beiläufig konsumieren würden und die Aufmerksamkeitsspanne für komplette Alben nicht da wäre. War letzteres auch ein Grund dafür, dass Du “Diskman Antishock” in zwei Teile gesplittet hast?

Ja, auf jeden Fall, damit es kürzere Abschnitte und kleinere Häppchen waren. Alle haben nur noch darüber geredet, dass angeblich niemand mehr Alben hören will, weil Alben viel zu lange wären. Ich sehe mich aber schon als Albumkünstler, weil mir der Kontext total wichtig ist, bei den Songs, die ich mache. Also habe ich ein Zwischending, zwischen Single-Kult und Album für mich gesucht. Ich habe überlegt, wie viele Tracks ein Album braucht, wenn man die Filler weglässt. Also die Tracks, die eh nur zum Auffüllen so lieblos raufgeklatscht sind. Ab sechs Songs ist es eine große EP, aber wenn es sieben, richtige Songs sind, dann ist es für mich ein richtiges Album. Es gibt ja auch Metalalben, die acht Songs haben und dann trotzdem vierzig Minuten gehen (lacht). KANYE WEST hat das auch geprägt, mit “Ye”. Den Move fand ich cool und dann bin ich direkt auf den KANYE-Zug aufgesprungen (lacht).

Bei dem Album war es auch sinnvoll, weil Du wirklich so viel anbietest, dass auf einen Schlag wohl zu viel vom Inhalt verpufft wäre. So hat man sich intensiver damit befasst. Bei “Avrakadavra” war es noch einfacher.

Das Konzept oder die Songs?

Das Konzept, bei “Diskman Antishock I & II” hatte ich das Gefühl, dass manche Songs gar nicht so ein eindeutiges Thema haben, auch wenn es kein Mixtape im eigentlichen Sinne ist.

Ja, das ist schön auf den Punkt gebracht und genauso habe ich es mir gewünscht. Ich mag es, wenn das Thema diffus ist und es um mehrere Sachen geht. Oder auch, wenn ein Mixtape Vibe hat, aber nicht so wirkt, als ob es durch konzeptioniert ist, aber das ist es vom Verständnis her schon auch. Im Idealfall soll es einfach wirken und je öfter es man hört, umso mehr Inhalt findet man. So wie bei FRANK OCEAN, ich bin Riesengroupie, ich darf es bloß nicht dauernd sagen (lacht). Aber da habe ich genau diese Momente und das so krass gefeiert an der Mucke, oder bei “DAMN” von KENDRICK LAMAR, da fand ich das auch megageil. Das kam ja nach dem Album “To Pimp A Butterfly”, das total durch orchestriert war und dann war da plötzlich ein ganz anderer Anspruch, der wie ein richtig, krasses Mixtape wirkte. Und letztendlich ist es das Album, das ich am meisten von ihm höre. Weil es einfach durchläuft, viele coole Momente hat und sehr abwechslungsreich ist. Aber es wirkt eben wie ein lockeres Mixtape.

Goldroger 2020

Bei “Uu” auf “Diskman Antishock II” merkt man es sehr. Es ist ja eigentlich ein Song über Sex, Du deutest es aber nur so, baust das Gefühl auf und gibst auf einmal an die Musik ab. Das ist eine Szene, die man nicht greifen kann und das finde ich auch sehr cool. Ist sicher nicht so einfach, dann als Künstler auch laufen zu lassen.

Ja, das habe ich bei “Avrakadavra” überhaupt nicht hinbekommen. Sobald irgendwo eine Lücke war, musste ich da noch was rein rappen, das hat jetzt besser geklappt, einfach der Musik mehr Raum geben und nicht alles volltexten. Schön, dass Du gemerkt hast, dass es bei “Uu” eigentlich nur um eine Sexszene geht (lacht).

Auch, wenn es nicht so aufdringlich war.

(lacht) Ja, das war das Experiment. Viele sagen ja, dass deutsche Songs über Sex immer cringe sind und ich habe mich gefragt, ob ich das hinkriege. Es ist schon explizit, auch wenn ich keine Triggerwörter sage.

Die textlichen Querverweise, die sich durch alle Alben ziehen, wie kommt es dazu? Sind das Zeilen, die Du besonders gelungen findest oder denkst Du beim Schreiben an den jeweils anderen Song?

Mal so, mal so. Bei “Räuberleiter” gab es ja den Song “Se Botschaft” und da war eine Zeile, die ich dann bei dem Song “Unter Nelken” wieder benutzt habe. Ich fand es irgendwie auch cool, wenn ich diese Zeile dann auf jeder Platte oder jedem Projekt drin gehabt hätte. Wenn es in dem Moment passt, dann scheue ich nicht davor zurück, mich nochmal zu wiederholen. Das sind zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Es macht das Gesamtwerk kohärenter, gerade wenn jemand aufmerksam zuhört. Als Hörer finde ich das selbst cool, wenn man sowas entdeckt, dann ist das ein sehr befriedigender Moment. Und andererseits (lacht) brauche ich dann eine Zeile weniger. Mega gut und manchmal wirkt die Zeile dann sogar noch besser (lacht)

Bei dem Beispiel von Dir hast Du es ja von “Se Botschaft”, wo die Zeilen der Refrain waren, bei “Unter Nelken” so nebenbei untergemengt. Also man könnte sagen, dass Du die Zeile etwas downgraded hast. Es macht Dich als Künstler greifbarer, mir gefällt es auch, wenn Bands einfach ein Riff nochmal verwenden, in anderer Tonart oder anderem Tempo.

Es lässt alles mehr zusammenkleben und das ist irgendwie cool. Ich werde das so beibehalten.

Bei “Lip Gallagher” singst Du einmal “Sag mir, Du fühlst meinen Schmerz” und dann “Sag nicht, Du fühlst meinen Schmerz”. Deine Texte sind oft sehr persönlich, in welchem Moment prüfst Du bei Deinen Texten, was Du nicht doch lieber für Dich behalten möchtest?

Das mache ich auf jeden Fall und gerade bei “Lip Gallagher” habe ich eine Zeile nachträglich gestrichen. Die war mir erstens zu privat und außerdem geht man dann mit einem total ätzenden Gefühl aus dem Song raus. Auf “Stromkreis” rappe ich auch “Über so viel schon geschrieben, über so viel mehr geschwiegen”. Das kam auch daher, weil mir Leute schon öfter gesagt haben, dass ich sehr privat rappe. Und ich dachte mir, wenn dass die Dinge sind, die ihr komisch findet, wie krank sind dann die Sachen, die ich nicht auf den Song packe? Den Filter habe ich auf jeden Fall, es passiert meistens schon beim Schreiben und selten im Nachhinein. Immer wenn ich einen Song mache, der persönlich ist, dann ziehe ich das in eine Metaphorik rein und dann fällt es mir doch einfacher, es zu sagen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich zu krass die Hose herunterlasse, dann versuche ich die Kurve zu kriegen und mich selbst auf die Schippe zu nehmen.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert