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Interview mit Jojo von Sperling zu “Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie”

Mit “Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie” bohrt die Band SPERLING gleich mit ihrem zweiten Album ein dickes, emotionales Brett. Texter, Sänger und Rapper Jojo äußert sich ausführlich zur neuen Platte, wie er auf die Songgerüste von Malte aufsetzt, welche Erfahrungen die Band in den letzten Jahren sammeln durfte und was für die Zukunft ansteht. Wer die Entwicklung, die Jojo zweifelsohne auch als Künstler gemacht hat, nachvollziehen möchte, kann gerne mit der Podcastfolge 10 mit SPERLING anfangen, die wir vor fast 3 Jahren zum ersten Album “Zweifel” aufgenommen haben.

Erstmal die offensichtliche Frage: Warum habt ihr diese sperrige Textzeile aus “Dünner als Papier” als Albumtitel gewählt?

Ich finde, der Song “Dünner als Papier” ist einer der persönlichsten Songs. Er erzählt eigentlich die Geschichte von einer sehr guten Freundin und davon, wie schlecht ich oft mit ihr und der Freundschaft umgegangen bin. Wir waren in der Schule sehr gut befreundet, danach verliert man sich natürlich ein wenig aus den Augen. Ich bin leider sowieso sehr schlecht im Kontakt pflegen und oft mit eigenen Sachen beschäftigt, die im Nachhinein gar nicht wichtig sind.

Ich bin generell ein Mensch, der oft mit sich zu kämpfen hat und oft unzufrieden mit sich selbst ist, weshalb das Album auch an vielen Stellen über innere Konflikte oder die Suche nach „Irgendetwas neuem, besserem“ erzählt. Weil ich oft so schlecht mit mir umgehen kann, fällt es mir umso schwerer, mit anderen Menschen, die mir nahe und wichtig sind, umzugehen. Speziell in diesem Song geht es um die Angst, diese Menschen zu verlieren – aber auch eine nüchterne Akzeptanz und fast schon Stagnation, die es einfach hinnimmt als „Ich kann es gerade nicht ändern, entweder man verzeiht mir das alles oder eben nicht“.

Diesen Satz hatte ich im Kopf, nachdem ich auf unserer Tour mit BEING AS AN OCEAN ein intensives Gespräch mit dieser Freundin hatte, und hab am selben Abend angefangen darüber zu schreiben, woraus dieser Song entstanden ist. Ich finde dieser Satz, Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie, und die Haltung, die dahintersteht, findet sich in den meisten Songs des Albums wieder. So war uns schnell klar, dass wir das Album danach benennen wollen. Tatsächlich ein etwas sperriger Titel, aber vielleicht trotzdem einer, über den man nachdenken kann.

Eure Entwicklung hat mich extrem geflasht, kompositorisch und auch lyrisch habt ihr einen bemerkenswerten Sprung gemacht. Was genau hat sich in den letzten Jahren bei SPERLING getan, was hat euch bereichert?

Es hat sich, glaube ich, einiges getan und vieles verändert, vor allem privat, was sich natürlich auch auf die Band und die Musik auswirkt. In der Zeit unseres Debütalbums haben wir noch alle nahe beieinander gewohnt, haben auch viel mehr Zeit gehabt um 2–3-mal die Woche zu proben. So sind über die Zeit einfach Songs entstanden, bis wir dann an den Punkt kamen zu sagen „Mit denen gehen wir jetzt ins Studio und machen ein Album“. Beim zweiten Album haben wir uns jedoch bewusst hingesetzt und angefangen ein Album zu schreiben – besser gesagt, hat Malte angefangen zu schreiben, der die Musik auf dem Album hauptsächlich allein geschrieben hat. Das lag zum Teil auch daran, dass wir nicht mehr so dicht beieinander wohnten, aber auch daran, dass Malte in der Pandemiezeit schon super viele Demos geschrieben hatte und generell zu Hause sehr viel Musik schreibt. Ich habe parallel dazu Texte geschrieben. Wir haben uns dann häufig auch zu zweit in seiner Wohnung getroffen und an Demos gearbeitet, der Song “Wach” zum Beispiel ist so quasi über Nacht in Maltes Wohnzimmer entstanden.

Im Studio entsteht dann trotzdem noch einiges. Vor allem an Cello-Arrangements haben Luca und Beray lange gesessen und gefeilt, verschiedene Sounds und auch Instrumente benutzt, wie das Klavier in “November”. Luca hat sogar ein 4-stimmiges Streicher-Arrangement für den Song “Die Welt ist schuld” geschrieben. Das macht super viel Spaß, ist aber auch ein sehr kräftezehrender Prozess und man kommt hin und wieder an seine Grenzen.

Lest die Review zu "Menschen wie mir verzeiht man die Welt oder hasst sie" von SPERLING bei krachfink.de
SPERLING, Foto von crankmerino

Ich glaube, auch intern hat sich einiges getan. Das merkt man, finde ich, gerade in so einer Zeit sehr gut. Beim ersten Albumrelease wussten wir zum größten Teil gar nicht richtig, was auf uns zukommt und wie viel Arbeit das Ganze wird. Dadurch läuft einiges unkoordiniert und chaotisch ab. Bei diesem Release waren wir besser vorbereitet und konnten besser planen und organisieren. Allerdings ist trotzdem für alles wenig Zeit und Chaos gibt es trotzdem noch – es hat aber jeder seine feste Rolle und wir haben großartige Leute wie Mirko von Uncle M und Kim von Räuberleiter die uns unfassbar gut unterstützen.

Wir haben generell großartige Leute kennengelernt und richtig coole Sachen machen dürfen. Wir haben einen Tape-Sampler herausgebracht, zwei unfassbar schöne Jahresabschlusskonzerte gespielt, wir durften eine Tour durch Europa mit BEING AS AN OCEAN und später noch eine mit MARATHONMANN spielen. Außerdem konnten wir auf richtig coolen Festivals wie dem Green Juice und dem Deichbrand Festival auftreten und bei allen Shows natürlich superliebe Menschen treffen, die in unserer Musik etwas für sich mitnehmen können.

Nach einer langen Zeit mit eingeschränkten Möglichkeiten, können auch SPERLING jetzt nun also wieder live spielen und richtig Gas geben. Was waren die schönsten Erfahrungen seitdem?

Jetzt habe ich die Frage gerade fast schon beantwortet. Es war aber natürlich damals ein Rückschlag, nach unserem Debütalbum keine Tour spielen zu können. Es gab natürlich ein paar Alternativen wie Autokonzerte oder unser Livesession bei der PopRlp oder sogar dem WDR, das ersetzt aber live und Touren spielen natürlich nicht wirklich. Dazu kam noch, dass wir nach unserem Debüt auf einmal ganz viele neue Leute erreicht haben, die uns richtig schöne und ehrliche Nachrichten geschrieben haben, wie gut ihnen das Album gefällt. Auf Social Media ist das aber immer noch ein großer Abstand und man sieht zwar eine Menge Zahlen aber lernt niemanden kennen. Auch das war cool, als wir wieder Shows spielen durften und endlich einen Teil der Menschen kennenlernen durften, die unsere Musik feiern.
Die Highlights, die danach kamen, waren natürlich zwei großartige Touren mit großartigen Bands und Leuten, durch tolle Städte und Länder, in denen wir teilweise noch nie gewesen sind, und eine richtig gute Zeit hatten. Dazu kamen noch tolle Festivals und ein paar kleinere Shows die Spaß gemacht haben.

Wie kam es zu der Idee mit dem Artwork – gemacht von Lucas Mayer – zur Platte? Es zeigt eine Hand, die aus dem Wasser ragt und auf einem ausgestreckten Finger einen Ball balanciert. Ich dachte erst, es sei ähnlich wie das Artwork zum Debüt und es ist zwar ganz anders, hat aber tatsächlich eine ähnliche Silhouette.

Wir lassen Lucas und anderen Menschen, mit denen wir arbeiten, immer sehr viel Freiheit. Wir fragen Lucas in erster Linie, weil wir seine Kunst und seine Art zu arbeiten lieben und da viel Verbindung zu unserer Musik sehen und das entsteht ja am besten, wenn der Künstler sich da ganz austoben kann. Er bekommt dann das gesamte Album im Vorfeld und wir sagen ‘Mach einfach, was die einfällt’ Danach tauscht man sich aus und in der Regel werden häufig auch mehrere Artworks angeboten, bis eben das dabei ist, womit alle glücklich sind und das waren wir.

Wir hatten sogar einen Entwurf, der dem Cover von “Zweifel”, relativ ähnlich war, aber mit einer weitaus düstereren Note. Wir haben uns dann nach einigem hin und her doch anders entschieden, weil uns die einsame Schlichtheit des Covers gegenüber des aussagekräftigen Albumtitels gut gefallen hat. Für mich persönlich ist es tatsächlich die Weltkugel, die da balanciert wird. Es hat für mich etwas Schönes, aber auch Zerbrechliches, Unsicheres. Als würde der oder diejenige, welche versucht die Welt zu balancieren, jeden Moment daran scheitern. Die Farben und Formen erinnern mich aber auch passenderweise an Wind und Meer und löst deshalb etwas Sehnsüchtiges und Beängstigendes aus.

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