Inga Humpe Wir trafen uns in einem Garten

Inga Humpe – Wir trafen uns in einem Garten – Review

Schon das mysteriöse Artwork zu „Wir trafen uns in einem Garten“ von Inga Humpe fängt genau die Wahrnehmung ein, die ich von ihr als Künstlerin habe. Alarmrot und im Rampenlicht, trotzdem stilvoll zurückhaltend, nicht eindeutig greifbar und zeitlos. Die 288 Seiten skizzieren ein vages und gleichzeitig stimmiges Bild. Die einleitenden Beschreibungen einiger Szenen aus ihrer Kindheit und Jugend liefern nur einen schemenhaften Eindruck von Inga Humpe. Aber sie enthüllen zumindest, dass hinter manchen Texten noch mehr persönlicher Bezug steht, als sowieso schon vermutet.

Mit der Punkband NEONBABIES, den DÖF, ihrer Schwester Anette als HUMPE & HUMPE und im Rahmen des Elektropop-Duo 2RAUMWOHNUNG, mit ihrem langjährigen Lebensgefährten Tommi Eckart, ist sie eine wichtige Konstante der deutschen Musikszene. Der Buchtitel bezieht sich auch auf einen Song von 2RAUMWOHNUNG, dieser Bandname leitet sich wiederum aus der im Osten Deutschland damals üblichen Bezeichnung für eine 2-Zimmerwohnung ab.

I see somebody lonely and me…

Die Leichtigkeit von allem, in das Inga Humpe involviert ist, resultiert nicht nur aus ihrer Stimme, die gleichermaßen präsent und zerbrechlich klingt. Es sind auch die Texte, die alles andere als banal sind. Essenzieller Bestandteil von „Wir trafen uns in einem Garten“ sind also auch die zahlreichen, prämierten Texte von Inga Humpe. Alle komplett abgedruckt und bereit dazu, in den scheinbar einfachen Zeilen die Tiefe zu entdecken. Mit deutscher Sprache umzugehen, ist nicht einfach. Zu schnell landet man in der Schlagerecke, tendiert zu Belehrungen oder bricht zu stark auf polemische Parolen herunter. Humpe gelingt es von jeher, auch mit ihren überwiegend deutschen Texten lediglich Gedanken anzustoßen und den Blick eher nach innen zu richten.

Genau wie ihre Musik, die voller Widersprüche steckt und genau deshalb so fesselnd ist. Die Beats rennen nie mit dem Kopf durch die Wand, erzeugen immer eine warme und die HörerInnen schützend ummantelnde Atmosphäre. Und trotzdem scheut sich Humpe nicht davor, sich im richtigen Moment auch mal öffentlich unmissverständlich zu positionieren.

Gedanken für die Ewigkeit

„Wir trafen uns in einem Garten“ von Inga Humpe endet mit einer schönen Lebenserklärung von Benjamin von Stuckrad-Barre. Er gießt die positiven und irgendwie auch reinigenden Fiebertraumassoziationen, die auch ich mit Humpes Musik verbinde, in einen poetisch angemessenen Rahmen. Wer einen herkömmlichen Abriss ihres Werdegangs erwartet wird enttäuscht sein, hat aber wahrscheinlich auch den eigentlichen Wert von 2RAUMWOHNUNG (noch) nicht verstanden. Als Ausgleich für eine gewisse Sensationslust gibt es aber im vorderen Teil von „Wir trafen uns in einem Garten“ eine schöne Sammlung von privaten Fotos. Und am meisten erfährt man über Inga Humpe sicherlich sowieso durch ihre Texte.

Seiten: 288
Verlag:  KiWi-Taschenbuch
ISBN-10:  3462053175
ISBN-13:  978-3462053173
VÖ: 07.11.2019

Artikel, die Dir gefallen könnten:
Dave Grohl – Der Storyteller – Geschichten aus dem Leben und der Musik
Henri Maximilian Jakobs mit Christina Wolf – All die brennenden Fragen, Ein Gespräch über Transerfahrungen
Jeff Tweedy – Let’s Go (So We Can Get Back)
LINA MALY – Nie zur selben Zeit
Kelly Osbourne – There Is No F*cking Secret: Letters From a Badass Bitch
Linus Volkmann – Sprengt die Charts! Wie werde ich Popstar (und warum?)
Udo Lindenberg, Thomas Hüetlin – Udo
Alexander Gorkow – Die Kinder hören Pink Floyd
Potzblitz 31 + 1 Erleuchtende Liebeserklärungen an meinen Liveclub 
AUGUST AUGUST – Liebe in Zeiten des Neoliberalismus

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert