Lilly Among Clouds, live im Club der Halle 02 in Heidelberg, 18.12.2019 – Konzertbericht
Während alle noch die neue ADELE oder die nächste FLORENCE AND THE MACHINE suchen, gibt es schon längst LILLY AMONG CLOUDS, die mit ihrem aktuellen Album „Green Flash“ bewiesen hat, dass Pop authentisch sein kann. Dass die Sängerin, Komponistin und Texterin aus Straubing nicht nur sehr talentiert, sondern auch auf der Bühne ganz zauberhaft und nahbar ist, war in Indie-Kreisen schon länger bekannt. In diesem Jahr hat sie uns beim ESC vertreten und mit dem Lied „Surprise“ den dritten Platz erreicht.
Ihr Können konnte sie der Welt zeigen, ihr ganz besonderer Charme blieb bei dieser Veranstaltung leider auf der Strecke. Allerdings assoziierte man sie bisher noch eher mit ihren großartigen Klavierballaden, was sich nach dem aktuellen Album und der dazugehörigen Tour ändern wird. Wir haben LILLY AMONG CLOUDS im Club in der Halle 02 in Heidelberg gesehen und waren hin und weg.
Der Club der Halle 02 in Heidelberg ist gut gefüllt für einen Mittwochabend, so kurz vor Weihnachten. Der Support MARK LANG aus Australien, darf sich aber nicht nur über viel, sondern vor allem über ein sehr aufmerksames Publikum freuen. Der sympathische Sänger und Gitarrist war lange mit der Band SKIPPING GIRL VINEGAR unterwegs. Nachdem LILLY AMONG CLOUDS ihn in seiner Heimat supportet haben, hat sie nun eine Gegeneinladung ausgesprochen. Bevor er mit der Wucht seiner akustischen Gitarre den Club ausfüllt, gönnt er seinen Songs lange, kurzweilige Einleitungen. Teilweise sehr intime und persönliche Geschichten stecken hinter seinen Liedern und mit dem entsprechenden Hintergrund, kann er die Anwesenden noch schneller auf seine Seite ziehen. Reduzierter Sound im Sinne von EZIO braucht Aufmerksamkeit und die erspielt sich MARK LANG ganz schnell durch seine freundliche Ausstrahlung und seinen tollen, emotionalen Gesang.
Are your ready for closeness?
Mit dem Opener „Closeness“ vom aktuellen Album „Green Flash“ kommen dann LILLY AMONG CLOUDS auf die Bühne. Meine Güte, hat LILLY (eigentlich Elisabeth Brüchner) eine Power. Sie strahlt eine ansteckende Freude und elektrisierte Hibbeligkeit aus, die sofort für positive Stimmung im Club sorgt. Mit dem Bass im Anschlag gibt sie den Rhythmus vor und nimmt grinsend Blickkontakt mit den Leuten auf. Das ist eine schöne ergänzende Facette von LILLY AMONG CLOUDS, die erst jetzt mit den neuen Songs richtig zur Geltung kommen kann. Ihre spontanen Ansagen beweisen, dass Pop nicht zwangsläufig kalt und berechnend sein muss. Das Publikum lauscht ihren, teilweisen wirklich sehr langen und äußerst intimen Hinleitungen, zum Hintergrund von einzelnen Songs.
Die Ergriffenheit nimmt man ihr in jedem Moment ab und die darauffolgenden Songs wirken umso intensiver und nachvollziehbarer. Ein Riesenlob auch an den Tonmann, der wirklich einen tollen Sound gemacht hat, sodass jeder Hall im richtigen Moment kam. Auch der Backgroundgesang, denn der Keyboarder und der Gitarrist/Perkussionist beisteuern, sorgen für das gewisse Etwas. Relativ schnell klärt sich auch die Frage, warum es online so wenige Livevideos von der Band gibt. LILLY ist so wach und präsent, dass es unangenehm wirkt, diese Verbindung durch ein Smartphone oder eine Kamera zu trennen.
Are you ready to feel?
Die Setlist konzentriert sich an diesem Abend auf das aktuelle Album „Green Flash“. „Underneath The Surface“ leitet LILLY mit einem langen Monolog zum Thema chronische Krankheiten und Depressionen ein und auch zu „Girl Like Me“ verrät sie ihre ganz eigene Definition von Liebe. Da wo eben noch emsig Popo gewackelt wurde, wandelt sich die Stimmung innerhalb von Sekunden von Ausgelassenheit zu Melancholie. In diesen Momenten erspielt sich die Band die gewisse Extrasekunde Stille. Die entsteht nur dann, wenn alle so ergriffen sind, dass niemand sich traut das Klatschen zu eröffnen. Aber auch diese angenehme Starre bricht die Band mühelos wieder auf und wechselt wieder zum lockeren Teil. Songs wie „Silent“, „Look At The Earth“ und „Wasting My Time“ entfalten live nochmal eine ganz andere Dynamik.
Nach dem letzten Song und dem Abgang des Quartetts wird lautstark eine Zugabe eingefordert, die LILLY AMONG CLOUDS umgehend und freudestrahlend anbieten. LILLY verlegt ihre Gitarrenübung auf die Bühne und spielt ein Snippet von einem bisher unveröffentlichten Song. Nach Proben klingt das nicht, sie ist wirkt am Bass, Klavier und auch an der Gitarre. Mit „Wasting My Time“ schließt der Abend ab und LILLY AMONG CLOUDS haben uns die Gewissheit geschenkt, dass Pop auch heutzutage noch Herz haben kann und es sich doch immer wieder lohnt, den Fernsehabend gegen ein Konzert einzutauschen.
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