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Interview mit Basti von Rong Kong Koma zu „Lebe Dein Traum“

RONG KONG KOMA liefern mit „Lebe Dein Traum“ ihr erstes Album ab. Wir schnappten uns den sympathischen und redseligen Sänger und Multiinstrumentalist Basti (u.a. DIVING FOR SUNKEN TREASURE), um mit ihm am Telefon ausführlich über Musik, musikalische Vorlieben, die Intoleranz in der eigenen Blase, den Status von Berlin und die mögliche Zukunft für Künstler.

Woher kommt denn der Bandname RONG KONG KOMA?

Das ist von Walter Moers, der hat ja viel für Die Sendung mit der Maus oder Das kleine Arschloch gemacht und unter anderem auch eine Buchreihe über die Bücher aus Zamonien. Da geht es um eine Fantasiewelt, die er aufgebaut hat. Und in einem dieser Romane gibt es eben einen Bücherjäger, einen Mörder, so ungefähr den brutalsten Typen, den man sich vorstellen kann und der heißt Rongkong Koma. Wir hatten vorher einen anderen Bandnamen, mit dem wir provozieren wollte. Das hat ziemlich gut geklappt (lacht), sodass niemand mehr etwas mit uns zu tun haben wollte.

Lebe Dein Traum von RONG KONG KOMA

Den will ich jetzt natürlich auch wissen!

FIKKEN! Aber das hat uns dann letztendlich so im Weg gestanden, dass wir uns dazu entschlossen haben, den Bandnamen zu ändern.

Beim bekannten Schnaps ist das anscheinend kein Problem, aber die VIAGRA BOYS landen mit ihrem Namen auch immer im Spamfilter.

Ja, genau das Problem hatten wir auch, dass ganze Tour-Korrespondenzen im Spamordner gelandet sind. Festivals, Agenturen, andere Bands und Läden haben uns abgesagt und spannenderweise besonders die aus dem linken Punkerbereich, da wo wir eigentlich unsere Wurzeln haben. Das war schon schade und auch desillusionierend. Gerade da sollte doch die Freiheit sein, sowas machen zu könen und den Witz dahinter zu verstehen.

Im Albumtitel habt ihr euch aber noch einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl auf die Dummheit bewahrt, es heißt „Lebe Dein Traum“. Was meinst Du, wie viele werden es nicht schnallen?

(lacht) Wir sind gespannt, wie viele den Fehler finden. Bisher ist es noch nicht so vielen Leuten aufgefallen.

Wer ist bei RONG KONG KOMA dabei, wer macht was?

Von der bereits bekannten DIVING FOR SUNKEN TREASURE bin eigentlich nur noch ich dabei, ich habe die Band damals aus dem Süden mit nach Berlin gebracht. Als die Band am Anfang noch FIKKEN hieß, war Bene von ACHT EIMER HÜHNERHERZEN noch mit dabei, der hat sich dann aber eben für die andere Band entschieden. Benny an der zweiten Gitarre ist Sozialarbeiter an der Rüti Schule in Neukölln und wir schreiben aktuell gerade zusammen an einem Buch. Nils, unser Basser, ist Schwede und hat eine Filmfirma in Stockholm. Er dreht Dokumentationen über hochbrisante, politische Themen und macht ganz viel zum Thema Landrückeroberung im Amazonas.

Wenn also den Leuten z.Bsp. von Mc Donalds ihr Land weggenommen wird oder über El Salvador, da kriegen Frauen, die ihr Kind verlieren, lebenslange Haft. Von zwölf porträtierten Frauen sind immerhin elf freigelassen worden. Solche spannenden Dinge macht Nils und er ist Tausendsassa an den Instrumenten, so wie ich auch. Und Mickey am Schlagzeug hat dann Bene abgelöst, der ist so richtig Schlagzeuger durch und durch. Zwischen uns Musikern ist das eine hoch komplexe Beziehung (lacht), mit viel Austausch und viel Reden, manchmal sehr kompliziert. Ich habe Gitarre und Tontechnik studiert, bin Multiinstrumentalist und arbeite in einem Hamburger Studio, da mache ich Mixing und Mastering.

Wundert mich, dass Du studierter Musiker bist. Nicht, dass ich Dir das nicht zugetraut hätte, aber die Musik klingt so intuitiv und aus dem Bauch heraus, als ob sie ein Autodidakt spielt und niemand, der die Technik dahinter versteht.

Toll, das ist ja perfekt. Ich habe nicht Gitarre im klassischen Sinn studiert, sondern Songwriting, Arrangement und Produktion. Grundsätzlich habe ich ein sehr starkes Gefühl für Musik und zerlege sie in einzelne Bestandteile, verstehe sie sehr komplex und weiß eben, wie Harmonien, Melodie und Takt aufeinander reagieren können. Meine sehr starke Handschrift kriege ich auch nie aus meinen Produktionen raus, selbst wenn ich es versuche.

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RONG KONG KOMA 2020, Foto von Nils Bucher

Du schreibst die Songs und die anderen spielen sie nur?

Ich schreibe sie vor, dann schreiben wir das im Proberaum noch um und mal gibt es mehr, mal weniger Veränderungen. Mal schauen, wie das bei zukünftigen Alben läuft, da ordnen wir uns gerade neu.

„Lebe Dein Traum“ ist ein pures Liebesalbum, würdest Du das widersprechen?

(lacht) Ne, kein pures Liebesalbum, da wird schon alles Mögliche zwischen Depressionen und Liebe verarbeitet. Es geht um Fernweh, Reisen, Frust, Ängste, Narzissmus und die Idiotie der Menschheit. Aber ich verstehe total, woher diese Aussage kommt, weil die Metaphern einfach leicht darauf zurückzuführen sind. Grundsätzlich setzte mich intensiv mit gesellschaftskritischen und politischen Themen auseinander, versuche aber den Holzhammer nicht so schroff anzusetzen. Für politische Parolen sind wir nicht die richtige Band und das ist auch nicht das, was ich machen möchte. Das wäre zu einfach und man erwischt unter Umständen nicht so reflektierte Leute damit, die dann Texte nachbrüllen, sowas mag ich nicht so gerne. Lieber die Dinge etwas feiner und versteckter halten und mit guten Lyrics statt Plattitüden punkten.

Bei Songs wie „Doxepin im Kopf“ geht es doch irgendwie auch um Liebe, um Selbstliebe und Reisen ist ja auch eine Art von Liebe zur Freiheit. Die stark romantische Seite von „Lebe Dein Traum“ fiel mir erst nach einigen Durchgängen auf. Als ob Liebe der Kitt für alles wäre.

Das stimmt auch, dahin kommt es immer wieder zurück.

Haben die Geschichten alle einen realen Bezug?

Ja, manche ansatzweise oder teilweise sogar ganz detaillierten.

Das Artwork könnte auch eine echte Nachricht von einer Ex-Freundin sein, die nachts abgehauen ist, weil der Typ wieder besoffen war und auf diese Weise Schluss macht.

(lacht) So ungefähr ist es passiert. Nein, Quatsch. Das Cover ist auf Tour an der Bar entstanden, das ist unser Basser Nils, mit seinen schönen Händen und seinem bunten Oberteil. Das war eines dieser gloriosen Konzerte, auf denen nur zehn Leute waren und man dann irgendwo in der Einöde im Nichts sitzt und seinen Traum lebt. Ein Leben auf der Überholspur (lacht).

„Scheiß Berliner“ ist zwar bewusst provokant, aber auch schon wieder so typisch Berliner, die auf sich selbst schimpfen. Worum geht es genau in dem Song, über die Zugezogenen oder die Eitelkeit der Hauptstädter?

Ich bin vor 15 Jahren nach Berlin in den Kiez nach Neukölln gezogen. Damals war es ein abgeschiedener und gemiedener Kiez, mit nicht viel Szene. Es gab viele, die so in der Straßenmusikszene waren und ganz wenige Künstler, die die in abgeranzten Wohnungen gewohnt haben. Das komplette Stadtbild in Berlin hat sich in den letzten fünf Jahren verändert, es gibt eine massive Verdrängung von Läden, Kleingewerben, wichtiger Kiezkultur, linken Häuser, Kneipen und kleine Clubs. Das wird alles so platt gemacht und es gibt nur noch diese Idioten, die nach Feierabend in ihrer Werbeagentur oder in ihrem 10.000 Euro Loft abhängen oder in die nächste Cocktailkneipe gehen, um sich einen Cocktail für 15 Euro hereinzuziehen.

Es gibt keinen Raum mehr, alles wird aufgekauft. Es gibt hier in der Umgebung hauptsächlich diese Touristenattitüde, diese Wegwerfgesellschaft, den Hochmut auf der einen Seite und auf der anderen Seite diese Aggressoren, die mit ihren dicken Autos rumdüsen. Das ist nervig geworden, gefährlich und teuer. Irgendwie musste das mal niedergeschrieben werden, um die Leute auf diese Art anzuschreien.

Das sind ja dann aber nicht wirklich Berliner, sondern vom Kapitalismus getriebene Leute. Oder Leute, die aus Berlin stammen und diese Tatsache aber schon als eine Art Lifestyle oder Marke wahrnehmen.

Ja, beides. Mit Berlinern spreche ich uns ja auch an, wir sind ein Teil des Problems, haben hier auch lange Läden betrieben und an der Gentrifizierung selbst mitgewirkt, unser eigenes Grab geschaufelt. Letztendlich ist es auch ein Lied an die ganze Menschheit, die sich vom Mainstream und Kapitalismus so dirigieren lassen.

Bist Du damals aus kreativen Gründen nach Berlin gezogen, weil man dort schneller Gleichgesinnte finden konnte?

Ja, wobei von Anfang an klar war, dass ich kein Kleinbürger bin und in kleinen Städten eingehen würde. Ich habe auch eine Zeit lang in London gewohnt, das war mir dann zu groß und damals war es so, wie Berlin jetzt ist. In Berlin war es damals richtig toll, man war wild und frei und konnte sich künstlerisch extrem frei ausleben und quasi alles machen.

Was ist denn mit den Gleichgesinnten heute, schmieden die schon Pläne, wie es jetzt weitergehen soll?

Auf jeden Fall, die Landflucht eben. Viele Freunde sind schon raus aufs Land gezogen und haben sich in Kollektiven zusammengeschlossen oder ein Haus gekauft, manche sind auch nach Dresden oder Leipzig gegangen. In Berlin selbst kämpft aber jeder für seine eigene Sache und da wird sich eher weniger zusammengeschlossen und gegenseitig geholfen. Das macht es insgesamt schwieriger, zumal wir auch keine Anfang zwanzig mehr sind und sich bei vielen die Prioritäten im Leben verschoben haben.

Daraus resultieren dann Songs wie „Doxepin im Kopf“, in dem es um die Stilllegung von Gefühlen geht?

Ja. Jeder, der etwas andersartig ist oder denkt, wird gleich für verrückt erklärt und dann wird lieber was in den Körper rein geballert, um das auszuschalten statt einen Konsens zu finden und Platz zu schaffen. Daraus resultiert natürlich auch die belastende Selbstreflexion und das Gefühl, sich nicht ausleben zu können und eingeengt zu fühlen. Es wird für angestrebt und normal erachtet, dass man in einem Büro sitzt und für Leute wie mich, die das nicht können und dann verrückt werden würden, ist das aber extrem schwer. Gerade in Deutschland herrscht dieser Druck, selbst Leute aus der eigenen Familie können das schwer verstehen. Und für mich ist es total unverständlich, wie man ein Leben leben kann, um zu dienen und diese Unselbstständigkeit ertragen kann.

Wie drückst Du Dich – abgesehen von der Musik – sonst noch aus?

Ich schreibe viel, habe mal eine zeitlang Kampfsport gemacht (lacht), baue viel, zeichne und male oder fotografiere auch. Einiges auch nur für mich, mache auch gerne Illustrationen oder schneide so Filmkram vor mich hin. Aber hauptsächlich ist es tatsächlich die Musik und das Verschmelzen damit, das ist schon geil. Da ich viele Instrumente spiele, kann ich sehr viel selbst machen und als Tontechniker eben auch alles gleich umsetzen.

Hast Du Vorbilder im Hinblick auf Deine Musik? Im Song „Eine Million Seile“ kommt zum Beispiel eine Zeile vor, die es sehr ähnlich im Song „Windmühlen“ von LOVE A vorkommt.

Lustig, dass Du das ansprichst, ich kenne die Band und kannte den Song aber gar nicht. Vonseiten des Labels wurde ich dann ganz vorsichtig auf diese ähnliche Textzeile angesprochen, da bin ich beinahe vom Stuhl gefallen. Rein inhaltlich haben die Songs überhaupt nichts miteinander zu tun, das würde auch unter den Bands geklärt (lacht). Das wird nochmal spannend, wenn der Song rauskommt, aber sowas passiert eben. Unser Song ist entstanden, als sich alter Freund von mir umgebracht hat. Der ist in den Wald gegangen und hat sich dort erhängt, da kam mir diese Textzeile dazu. Und Vorbilder habe ich tatsächlich gar keine. Eigentlich höre ich auch gar nicht so viel Musik.

Seltsam, woran liegt das?

Ich bin da ganz schön kritisch und finde ganz viele Sachen platt und höre mir das lieber nicht an. Das meiste langweilt mich, ich bekomme Fremdscham oder kann mich richtig darüber aufregen, mit was manche Band so großen Erfolg haben. Teilweise totale Abfallprodukte, da setze ich mich lieber mit der Musik auseinander, die in meinem Kopf rumschwirrt. Mit RONG KONG KOMA versuche ich ganz komplexe Popsongs zu schreiben, die überhaupt nicht komplex rüberkommen. Das reizt mich und macht mir Spaß. Natürlich gibt es mal einzelne Songs, die mich total packen, aber ich höre tatsächlich außer Schlager eigentlich alle Genres und finde da immer mal wieder gute Musik.

Du hättest jetzt keine Band parat?

Meine Eltern haben mich natürlich musikalisch geprägt, mit den THE BEATLES, THE KINKS oder HANNES WADER. Damit hat die Liebe zur Musik angefangen, NIRVANA waren natürlich groß. Bands wie FUGAZI haben mich total abgeholt, dieser grandiose Mix und das einzigartige Songwriting. Oder THE PIXIES, die in diesem Pop-Indie-Bereich die Größten sind. TOM WAITS oder RADIOHEAD habe ich lange gehört oder LANA DEL RAY, die macht irre Sachen. AGAINST ME! haben Meisterwerke abgeliefert und sehr komplexes Songwriting, aber nicht so selbst referentiell, sondern eher als Gesamtkonzept. Bewusst habe ich aber davon nie etwas im Hinblick auf meine Lebensweise übernommen, unbewusst vielleicht schon.

Was würde Kurt Cobain heute wohl für eine Musik machen?

(lacht) Wahrscheinlich wäre er einfach nur fett, würde in der Ecke stehen und sein Leben scheiße finde, ich weiß es nicht. Man weiß nie, was aus dem noch herausgekommen wäre, wahrscheinlich Großes.

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