Jeff Tweedy – Let’s Go (So We Can Get Back) – Review
Der amerikanische Sänger und Songwriter Jeff Tweedy ergreift mit einem Buch „Let’s Go (So We Can Get Back)“ die Chance, die Geschichte der Bands UNCLE TUPELO und WILCO aus seiner Sicht zu erzählen. Zum Albumtitel wurde er von seinem Vater inspiriert, außerdem trägt der Titel den Zusatz „Aufnehmen und Abstürzen mit Wilco etc.“.
Das Aufnehmen von Songs steht glücklicherweise im Vordergrund und selbst wenn Jeff am Anfang des Buches mit seiner Drogensucht kokettiert, wird sie doch nur kurz behandelt. Schon rein optisch macht sich das Buch – mit der Schwarz-Gold-Kombination, der klaren Typgrafie und dem verschmitzten Konterfei des jungen Jeff Tweedy auf dem Cover – richtig gut im Bücherregal.
Von Daves Laden und den ersten Gehversuchen
Der größte Teil von „Let’s Go (So We Can Get Back)“ dreht sich um die Kindheit von Jeff Tweedy und er schafft es dem Hörer aufrichtig zu vermitteln, dass die Musik ganz offensichtlich ihn gefunden hat und es wohl auch keine andere Option für ihn gab. Er beschreibt sein Elternhaus ziemlich nüchtern und man kann daraus schließen, dass er seinen Frieden mit dem viel trinkenden Vater und der deprimierenden Umgebung seiner Heimatstadt gemacht hat. Besonders feinfühlig wird Tweedy immer dann, wenn er über seine Frau Susie und seinen beiden Söhnen Spencer und Sammy schreibt. Er zieht ständig Parallelen zu seiner eigenen Familie, ganz unabhängig davon, in welchem Zeitabschnitt seines Lebens er sich gerade in dem Buch befindet.
Warten bis das Album kommt…
Für Musiknerds wird „Let’s Go (So We Can Get Back)“ natürlich genau dann richtig spannend, wenn Jeff Tweedy von seiner Leidenschaft für Musik erzählt. Packend beschreibt er seinen Zugang zur Musik in einer Zeit, in der man nicht sein Smartphone zur Hand nehmen und jeden Song sofort hören könnte. Monatelang hörte er nur von Künstler und deren Alben, irrwitzige Mythen bauten sich über die darauf festgehaltene Musik auf, bis jeder Musikfan wusste, dass er dieses Album unbedingt und haben muss. Auch seine Erinnerungen an seine ersten Gehversuche mit der Gitarre sind rührend. Tweedy geht selbstverständlich auch auf seine beiden größten Bands UNCLE TUPELO und WILCO ein, dabei streift er aber nur ganz kurz die Konzertkultur von damals. Dafür erfährt man aber sehr viel interessante Details darüber, welche Techniken Jeff Tweedy über die Jahre beim Songwriting ausprobiert und etabliert hat.
Auf interne Bandunstimmigkeiten geht er zwar ein, allerdings bleibt er insgesamt sehr bei seiner Sicht der Dinge. Lustige oder ergreifende Anekdoten aus dem Studio fehlen. Wenn er über den Entstehungsprozess von Songs und Alben spricht, bleibt Tweedy immer sehr bei sich. Wer sich also für die Bandgeschichte(n) interessiert, wird etwas zu wenig bedient. Klar schreibt Jeff Tweedy über seinen ehemaligen Bandkollegen Jay Farrar, allerdings wirkt es fast so, als ob er seinen Standpunkt erst während dem Aufschreiben reflektiert.
Aha-Effekt am Ende des Buches
Bilder gibt es leider keine, dafür aber einen zauberhaften Comicstrip, der sich mit dem ersten Kuss von Jeff und seiner Frau Susie im Lounge AX befasst. Außerdem hat er einige Gesprächsdialoge zwischen ihm und seiner Familie integriert, um in diesen Fällen den genauen Wortlaut stehen zu lassen. Jeff Tweedy schließt sein Buch „Let’s Go (So We Can Get Back)“ mit einem Epilog ab und versteckt ganz nebenbei da nochmals seine besten Details und einigen Songtexten. Erst jetzt wird klar, wie sehr sich das Verständnis des Lesers um Jeff Tweedy geschärft hat, denn man nimmt Songtexte wie zu „Having Been Is No Way To Be“ nach dem Buch tatsächlich ganz anders wahr. „Let’s Go (So We Can Get Back)“ ist auch die erste Biografie, zu der ich während der Lektüre durchgehend die Musik des Künstlers gehört habe, was ebenfalls empfehlenswert ist.
Seiten: 302
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462049860
ISBN-13: 978-3462049862
VÖ: 22. 08. 2019
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