Bonaparte – Was Mir Passiert – Review
Wow, das sind tatsächlich neue Eindrücke! Selbst wenn man sich musikalisch im Underground rumtreibt, dann klingt „Was Mir Passiert“ für die Ohren von Otto Normalverbraucher erstmal ungewohnt und einfach fremd. Kennt man BONAPARTE aka Tobias Jundt schon, ist man natürlich vorbereitet. Genauso verhält es sich mit den Konzerten. Als ich BONAPARTE vor mittlerweile 6 Jahren zum ersten Mal live sah, war ich komplett überwältigt und gleichermaßen irritiert wie begeistert von der Performance aller auf der Bühne. BONAPARTE entzündet das kleine Feuer, das bei manchen schon erloschen schien. Aber richtig festhalten kann man ihn eh nicht. Sobald man glaubt ihn verstanden zu haben, zieht er auch schon weiter.
Von BONAPARTE um Mitdenken gezwungen…
Das Schöne an „Was Mir Passiert“ ist, dass man sich tatsächlich nach wenigen Durchläufen komplett vom starren Genredenken lösen kann und die Musik anders wahrnimmt. Durch die ständigen Veränderungen der Rhythmen, der um die Ecke gedachten Sprache und den ständig abklatschenden Stimmungen, wird man zum Mitdenken gezwungen und mit Mitfühlen belohnt. Langsam aber sicher schiebt uns BONAPARTE den Takt unter den Po, dreht ihn immer stärker auf, bis auch der Letzte mitgeht. Die Blaskapelle bei „Das Lied vom Tod“ bricht sich rein tonmäßig wirklich keinen ab, aber im Zusammenspiel mit dem vehementen Grundsound und der irgendwie kriechenden Stimme von Jundt, entwickelt sich ein ganz ungewöhnlicher Sog. Die Gastbeiträge auf „Was Mir Passiert“ sind alle nötig, keine Frage. Die Beiträge von FARIN URLAUB und BELA B. auf „Big Data“ sind allerdings schwammig. Einerseits passen deren Parts vom Tonfall her zu den beiden („Hier ist das Superhirn, das niemals ein Detail vergisst…“) und der Song ist auch verdammt eingängig und smart.
Aber ihre grundsätzliche Identifikation mit dem Thema kann ich nicht wirklich nachvollziehen und das die beiden spontan bei einem Konzert von BONAPARTE ihre Parts rappen, kann ich mir auch schwer vorstellen. Richtig groß ist BONAPARTE in den zurückgelehnten Momenten, wenn er einfach alle Kraft aus der inneren Ruhe und seiner ganz eigenen Abgebrühtheit zieht. Dann beamen der angenehm schwebende Titelsong „Was Mir Passiert“, das romantische „Neues Leben feat. Tosha Kitona“ oder das herrlich abgehängte „Château Lafite“ aus der Anlage. Stimmlich pendelt sich BONAPARTE irgendwo zwischen Vocoder, FYNN KLIEMANN und tiefer getuntem MARSIMOTO ein, also auch gewöhnungsbedürftig.
… mit Mitfühlen belohnt.
Starke Kontraste machen BONAPARTE aus, wenig ergibt sich auf Anhieb. Die meisten Songs haben einen doppelten Boden und der wahre Kern findet sich erst bei genauerem Hinsehen („Apotheker, Apotheker“, „Ich koche“). Selbst der Albumtitel ist doppeldeutig, es geht nicht nur darum, was passiert ist, sondern Dinge auch einfach passieren zu lassen und so anzunehmen wie sie eben sind. Wenn der Schweizer in „Dene wos guet geit feat. Sophie Hunger & Les Soeurs Dion“ in seiner Heimatsprache loslegt, wirkt er plötzlich älter und weiser. Eventuell liegt es auch an den einfachen Lösungsansätzen, die er für das große Problem von Ungleichland vorschlägt. Weniger nehmen, das wäre ein Anfang. Und während man sich beim schwerelosen „Weinbar“ noch die verkopfte Frage stellt, wo jetzt der Unterschiede zwischen „zum letzten Mal geweint“ oder „das letzte Mal geweint“ liegt, ertappt man sich dabei, sich genau die Frage zu stellen: „Wann hast Du zum letzten Mal geweint?“ Wie gesagt, BONAPARTE kommen von hinten und die Ecke. „Was Mir Passiert“ von BONAPARTE ist eine kostenlose Reise für den Kopf. Kein 08/15-Schrott, aber auch genau deshalb nicht für jeden geeignet. Tourdaten sind auch schon veröffentlicht.
Gut geeignet für, …
eine kostenlose Reise im Kopf.
Tracklist „Was Mir Passiert” von BONAPARTE
Warten feat. Bop the Narr
Weinbar
Das Lied vom Tod
Was Mir Passiert
Big Data feat. Farin Urlaub & Bela B.
Dene wos guet geit feat. Sophie Hunger & Les Soeurs Dion
Ins Herz Geschlafen
Ich Koche
Neues Leben feat. Tosha Kitona
Château Lafite
Apotheker Apotheker
Cameroon feat. Fatoumata Diawara
Jaja
Und Mich
Is OK (Lieben for Life) feat. Ruby Hazel
Dauer: 51:55
Label: Columbia / Sony
VÖ: 14.06.2019
Alben, die Dir gefallen könnten:
KUMMER – Kiox
ALIEN TANGO – Kinda Happy Kinda Sad
DIE NERVEN kündigen neues Album an und veröffentlichen “Europa”
ÄTNA – Push Life
TASH SULTANA – Terra Firma
FATONI – Andorra
MÄDNESS – OG
CITY AT DARK – s/t
Interview mit GOLDROGER zum Album „Diskman Antishock II“
ORANGE UTAN – Katastrophil
KOMMANDO ELEFANT – Seltene Elemente
TASH SULTANA veröffentlicht zwei neue Videos
FREUND KERN – Ventÿl
MATZE ROSSI – Wofür schlägt dein Herz