Heaven Shall Burn – Of Truth And Sacrifice – Review
Als die Thüringer Metalcore-Institution HEAVEN SHALL BURN nach über 20 Jahren mit „Of Truth And Sacrifice“ ihr erstes Doppelalbum mit 97 Minuten Spielzeit ankündigte, konnte niemand ahnen, wie relevant die schonungslose Anklage von weltweiter Ignoranz, Gier nach Macht und alles zerfressendem Kapitalismus sein würden.
Als die Dokumentation „Mein grünes Herz in dunklen Zeiten“ in die Kinos kam, haben alle noch anerkennend genickt, als man Sänger Marcus bei seiner Arbeit als Intensivkrankenpfleger sah. Nun hat er sich zum Dienst gemeldet und sorgt dafür, dass Schwerkranke das Coronavirus überleben, statt mit dem neuen Album auf Clubtour zu gehen. Und wir? Sollten dieses Mal noch genauer zuhören und unermüdlich weiter am positiven Wandel mitwirken.
Vielfältige Statements
HEAVEN SHALL BURN schicken nie etwas Halbgares, selbst wenn das Vorgängeralbum „Wanderer“ mir einen Tick zu gleichförmig klang. Etwas, dass man „Of Truth And Sacrifice“ ganz sicher nicht vorwerfen kann. Es gibt natürlich die typischen Brecher, BOLT THROWER-ähnliche Bollwerke ohne jegliche Rücksicht auf Verluste und auch einige, gut gewählte, Selbstzitate. („Eagles Among Vultures“ gleicht „Die Stürme Rufen Dich“ zum Beispiel extrem.)
Beim Metalcore-Industrialbastard „Übermacht“ liegt der Vergleich zu RAMMSTEIN nahe, wobei HEAVEN SHALL BURN deutlich grober und krustiger bleiben. Der Mix aus deutschen und englischen Zeilen ist bekannt und bewährt sich erneut. Auf die Spitze getrieben wird die Beataffinität mit „La Résistance“, einem pumpender Zusammenstoß von EBM und Metalcore, der sicher den Weg in die schwarzen Clubs schaffen wird.
Gib mir etwas Echtes!
Das echte Orchester zahlt sich aus, die Nackenhaare stellen sich beim Instrumental „The Ashes Of My Emenies“ und beim wechselseitigen „Expatriate“ umgehend auf. Erinnert sich noch jemand an das Duett „Away“ von UMBRA ET IMAGO und HEPPNER, das in eine ähnliche Stimmungskerbe schlug? Zum Ausgleich wird danach mit „What War Means“ wieder genagelt, als ob es kein Morgen gäbe. HEAVEN SHALL BURN schnüren den Knoten etwas enger, klingen noch beklemmender.
Was genau den Sound der Band ausmacht, wurde in der Doku auf den Punkt gebracht, als man Tue Madsen über die Schulter schauen durfte. „Of Truth And Sacrifice“ klingt absolut typisch für die Band, und stellenweise echt überragend. Beim Intro zum Song „Tirpitz“ fühlt man sich zur Schiffstaufe durch Ilse von Hassell in der Zeit zurück gereist.
Bis heute ist die Tirpitz übrigens das größte Kriegsschiff, das je in Europa gebaut wurde. Und das abschließende „Weakness Leaving My Heart“, ein Song für einen verstorbenen Freund von Gitarrist Maik, ist so schön eingefangen worden, dass man sich mit geschlossenen Augen mitten im Konzertsaal wähnt. Die harschen Momente zerstören nichts von diesem Song, blasen das Epos eher noch mehr auf und stützen das elegische Gitarrensolo.
Keine Auftragsarbeit, keine Standardware
Es sind nicht die Innovationen oder die Experimente und auch nicht die Spieldauer, die HEAVEN SHALL BURN mit dem Doppelschlag einen gewaltigen Vorsprung vor allen anderen Bands verschaffen. Es ist die Besessenheit für das Detail. Dabei geht es sicher nicht um Perfektion, sondern um das gewisse Etwas und den aufrichtigen Willen etwas Ehrliches zu kreieren und Zustände zum Positiven zu verändern. Das ist die Intention und der Antrieb der Band, die jede einzelne Note auf dem mittlerweile neunten Album stützen und bei den HörerInnen nachwirken.
Tracklist “Of Truth and Sacrifice” von HEAVEN SHALL BURN
CD1
March Of Retribution
Thoughts And Prayers
Eradicate
Protector
Übermacht
My Heart And The Ocean
Expatriate
What War Means
Terminate The Unconcern
The Ashes Of My Enemies
CD2
Children Of A Lesser God
La Résistance
The Sorrows Of Victory
Stateless
Tirpitz
Truther
Critical Mass
Eagles Among Vultures
Weakness Leaving My Heart
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