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Joana Osman – Wo die Geister tanzen – Review

„Wo die Geister tanzen“ von Joana Osman ist ein Roman, der eigentlich an niemandem spurlos vorbeigehen sollte. Die Autorin und Dozentin erzählt darin über drei Generationen hinweg die Geschichte ihres palästinensischen Vaters. Eine rastlose Reise auf der Suche nach der Möglichkeit zu Wurzeln, dem Ankommen und der Tatsache, dass Traumata über Gene weitergegeben werden. Der emotionale Schaden und die Trauer, aber auch die Verbundenheit tragen sich über Generationen weiter, beeinflussen die nachfolgenden Generationen. Der Roman kann also Wunden aufreißen, aber vor allem für Verständnis sorgen und dafür sensibilisieren, dass Krieg nicht nur mittelbar und kurzfristig schadet und wie wichtig Heimat ist, wo immer das sein mag.

Keine Chance zu ankern

Joana Osman macht von Anfang an klar, dass „Wo die Geister tanzen“ fiktional ist, sie hangelt sich an den wenigen Informationen, die sie über die Kindheit des Vaters hat und füllt die Lücken mit Fantasie auf. Wir steigen in die Geschichte ihrer Großeltern ein, als Sabiha und Ahmed sich in Jaffa kennenlernen, die Liebe zum Kino miteinander teilen. Der arabisch-israelische Krieg beendet mit einem Schlag alles, vertreibt die beiden mit ihren Söhnen und schickt sie auf eine lange Reise über die Türkei in den Libanon. Ganz gleich wo die Familie strandet, sie lebt in großer Armut und wird niemals anerkannt.

Eine echte Chance, zu ankern, gibt es für sie nicht. Stattdessen geht es immer nur um das Überleben und ums Weitermachen, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Abgesehen von den kargen Verhältnissen, in denen die Familie ausharrt, werden sie auch von Schicksalsschlägen nicht verschont. Der Tod klopft mehr als einmal an ihre Tür, hinterlässt immer mehr Traumata und unausgesprochene Ängste. Es herrscht viel Stille innerhalb der Familie, man findet keine Worte für die Frage nach dem Warum.

Ohne Licht kein Schatten

Joana Osman ist sich bewusst, in welcher privilegierten Lage sie „Wo die Geister tanzen“ verfasst und wie belanglos eine noch so gut gemeinte Phrase zum Thema Krieg doch am Ende ist, wenn man ihn nie erlebt hat und lediglich die Nachwehen am eigenen Körper spürt. Dabei bezieht sie den Nahostkonflikt mit ein und das ohnmächtige Gefühl, wenn man aus Wohlstanddeutschland im Kriegsgebiet anruft und mit einem Klick wieder in einer sicheren Realität ist, während die andere Person sich in größter Not befindet. Die Geschichte ihres Vaters Mohammed erzählt sie nicht ausschließlich mit der Betonung der dunklen Seiten, die Grenzen zwischen fröhlich und traurig verschwimmen sowieso in Extremsituationen, wahrscheinlich aus purem Überlebenswillen.

So kann man über „Wo die Geister tanzen“ tatsächlich auch schmunzeln, erfährt von schönen Begegnungen und helfenden Händen. Joana Osman vermittelt den Leserinnen und Lesern gerade dadurch die Tragweite auf leise Art von Kriegen und eine vage Ahnung davon, wie es sich anfühlt, auf der Flucht zu sein.

Seiten: 224
Verlag: C.Bertelsmann Verlag
ISBN-10: 3570105229
ISBN-13: 978-3570105221
VÖ: 30.08.2023

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