Das Wunder von Runxendorf Michael Wäser

Michael Wäser – Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf – Review

Mit seinem Roman “Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf” erzählt uns der Autor Michael Wäser genau das Gegenteil dessen, was man sich eigentlich unter einem Wunder vorstellt. Wir befinden uns im Jahr 1974, die Fußball-Weltmeisterschaft steht an, und wir erleben den Großteil der Geschichte aus den Augen des Teenagers Gerald, der mit seiner Schwester und seinen Eltern auf dem Dorf lebt.

Der Halbstarke befindet sich auf der Schwelle zum Erwachsenwerden, ist umgeben von dominanten Männern, die getrieben von Langeweile dem Alkohol frönen, alle um sich herum für ihre Zwecke benutzen und dominieren. Kurzum: Das Patriarchat regiert und Gerald merkt schnell, dass es für ihn einfacher ist, wenn er sich dem fügt.

Schlechte Partystimmung

Alles beginnt ganz harmlos, als der Vater von Gerald, ein ehemaliger Bergmann, sich im Haus einen Partykeller einrichtet, um mit den Männern aus der Nachbarschaft die anstehende Weltmeisterschaft dort genießen zu können. “Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf” von Michael Wäser kommt vollkommen ohne Harmonie aus. Selbst wenn Vater und Sohn für kurze Zeit zusammen an diesem Projekt arbeiten, dann ist das Machtverhältnis doch immer spürbar. und man fühlt sich bei der Lektüre unwohl. Vermeintlich unwichtige Nebensätze beschreiben das wahre Grauen, das so beiläufig passiert, dass man es kaum wahrnimmt und leicht verdrängen kann.

Gewalt und Unterdrückung, das kennt Gerald von daheim, ebenso wie die absolute Gleichgültigkeit der Gefühle anderen gegenüber. Etwas Besonderes ist er damit nicht. Die ersten Fußballtreffen im Partykeller genießt er fast, lässt sich mit Einverständnis des Alten volllaufen und kann diesem Punkt vom Männlichsein – und dem damit verbundenen Schleier, der sich über die Realität legt – zumindest etwas abgewinnen.

Diese gottverdammte Stille

Doch bald eskaliert die kleine Partytruppe, möchte die Grenzen ausweiten und schmiedet einen teuflischen Plan. Einen Plan, für dessen Umsetzung Gerald nicht unwesentlich ist. Als Belohnung stehen ihm Statussymbole in Aussicht, sein Gewissen blendet er dabei komplett aus. “Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf” von Michael Wäser treibt den Wahnsinn auf die Spitze. Man ahnt beim Lesen schnell in welche Richtung es geht, kann aber doch nicht glauben, dass es so brutal werden wird. Wäser verliert sich aber nicht in Gewaltfantasien, es ist eher die emotionale Grausamkeit, das ständige Wegschauen und diese gottverdammte Stille, die an vielen Stellen entsteht.

Die familiäre Machtstruktur ist mitnichten übertrieben, es blieb damals alles in der Familie und die schmerzhafte Scham war meistens größer, als das Leid sich anfühlte. “Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf” ist mit Sicherheit kein Roman für Zartbesaitete, es geht um Gewalt und Missbrauch, auf mehreren Ebenen.

Der Moment, in dem etwas zerbricht

Man jagt förmlich durch den Roman, weil man unbedingt das Ende wissen möchte, die WM wird zur Nebensache. Der Autor bringt ab einem gewissen Zeitpunkt einen unsichtbaren Helfer mit ins Spiel und hier wird das Buch wirklich tiefgründig und schon fast philosophisch. Man hofft, dass dieser gewisse Punkt, an dem in einem Menschen etwas zerbricht, heutzutage stärker geschützt wird, aber sicher wissen kann man es nicht. Theoretisch könnte man die Geschichte “Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf” noch mehrmals erzählen, jeweils aus einer anderen Perspektive. Und das Tragische ist, dass man am Ende sicher bei allen Tätern nachvollziehen kann, wie es so weit kommen konnte.

Seiten: 224
Verlag: dielmann
ISBN-10: 3866382863
ISBN-13: 978 3 86638 286 2
VÖ: 05.05.2021

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