Kaufkraft – Rotzpop – Review
KAUFKRAFT sind eine vierköpfige Punkband aus Nürnberg, die mit ihrem Album „Rotzpop“ eben genau das liefert, eine Mischung aus Punk und Pop. Man weiß also, worauf man sich einlässt und hört man die zwölf Songs mit dieser Erwartungshaltung an, dann geht das auch vollkommen in Ordnung. Alle in der Band scheinen an einem Strang zu ziehen und Bock auf die Sache zu haben. Der mehrstimmige Chorgesang in fast allen Refrains hat schon ordentlich Zug und bringt wirklich gute Laune. Live garantiert noch mehr.
Am besten macht jeder, was er will
Nun haben KAUFKRAFT allerdings auch den Anspruch, Reizthemen anzusprechen und im Sinne des Punks laut gegen Systemroboter anzustinken und ihrem Unmut Luft zu machen. In Songs wie „Bootsschein“ oder „Gier“ funktioniert das auch ganz gut. Die Texte sind direkt formuliert, aber nicht blind gepöbelt. Und im Sinne des Pops sind die Melodien zwar eingängig, aber auch nicht wirklich nachdrücklich und gleiches gilt für die Texte. So manches Mal belegen KAUFKRAFT einseitige Positionen und sind mir zu schnell mit einem Urteil bei der Hand. „Digital“ prangert die Kopf-nach-unten-Masse an, setzt aber gleichzeitig Interesse an Digitalisierung mit Desinteresse gegenüber den Mitmenschen gleich. Einige mehr Abstufungen dürfen schon erlaubt sein. Der Refrain von schön skatenden und sich gegen Selbstbetäubung richtende „Trost im Nebel“ erinnert etwas an „End Of The World“ von R.E.M.. Hier präsentieren KAUFKRAFT ihre selbst gewählte Kombination in Bestform und irgendwie drängt sich der Gedanke auf, dass hinter diesem Songtext eine persönliche Geschichte steckt.
Schnell und alle zusammen, dann knallt es am besten
Der Gesang von Sängerin Katja klingt in meinen Ohren am besten, wenn die Bandkollegen ihr Dampf machen, also in den schnellen Momenten. Auch den NDW-Anteil könnte man gerne erhöhen, weil es einfach zur Energie der Band passt und den Charme von Songs wie „Schlaflos im Ghetto“ ausmacht. KAUFKRAFT funktionieren am allerbesten, wenn sie sich selbst nicht so ernst nehmen. „Poeten“ sympathisiert mit Authentizität, ist auch kompositorisch logisch und trotzdem eingängig. Es geht darum immer mit vollem Einsatz und eigenen Werten anzutreten und nicht unbedingt darum, die Ersten im Ziel zu sein, die schlausten Dinge zu sagen oder die meisten Platten zu verkaufen – gibt eh immer nur einen Gewinner.
„Schadenfreude“ macht die eigenen niederträchtigen Abgründe nackig. Ein gemeines Gefühl, das trotzdem jeder kennt. Mit dem abschließenden kleinen Hit, dem gut vor die Füße geklatschten „Stadt In Flammen“, zeigen KAUFKRAFT auf die brandbeschleunigenden Hetzkommentare, die in der Gesellschaft für Zoff sorgen. Ganz nebenbei gibt es noch eine kleine Riff-Verbeugung vor PASCOWs „Wir glauben an gar nichts und sind nur hier wegen der Gewalt“. Mit „Rotzpop“ werden KAUFKRAFT in erster Linie ihre eigene Altersgruppe abholen und sicher keine jungen Unentschlossenen zum Punk bringen. Das liegt auch einfach daran, dass KAUFKRAFT öfter mal nach hinten schauen („Legebatterie“) und man einfach merkt, dass sie schon etwas länger dagegenhalten. Kann man nix schlechtes gegen sagen, oder?
Tracklist „Rotzpop“ von KAUFKRAFT
Bootsschein
Gier
Poeten
Digital
Trost im Nebel
Legebatterie
Friedenstauben
Schadenfreude
Schlaflos im Ghetto
Fashionmeer
Hirten
Stadt In Flammen
Dauer: 28:52
Label: MT Undertainment
VÖ: 23.11.2019
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