Pleil Die Spur des Kalenders Artwork

Pleil – Die Spur des Kalenders – Review

PLEIL legt zwar mit „Die Spur des Kalenders“ sein erstes Album vor, unerfahren ist der Singer-Songwriter aber nicht. Seine frühere Band STRANGE führte ihn sogar auf die Bühnen von Rock am Ring. Und dass er eigentlich an das Zusammenspiel mit einer Band gewohnt ist, merkt man den zwölf Songs trotz aller Introvertiertheit auch sofort an. Alle Kompositionen scheinen quasi fertig auf dem Tisch zu legen, fehlen nur noch die Bandkumpels, die die Indiesongs richtig dick machen.

Reduzierter Sound für offene Fragen

PLEIL trifft mit „Die Spur des Kalenders“ unfreiwillig den Nerv der Zeit. Seine Songs sind von Trauer, Enttäuschung und Melancholie durchzogen, der Sound ist komplett reduziert und verbreitet eine isolierende Stimmung, die die Fahrt auf der Gedankenachterbahn anregt. Aufgenommen wurde das Album im RAMA Studio von Christian Bethge in Mannheim, der schon mit seiner außergewöhnlichen Produktion für NUAGE & DAS BASSORCHESTER ein feines Händchen für Atmosphäre bewiesen hat. Auch wenn das Endprodukt dann nicht unbedingt den Nerv der Massen trifft, dem Kern der Musik wird es absolut gerecht. PLEIL scheint bewusst ins Leere zu funken und jede Zeile ist mit einem Fragezeichen zu enden. Er stellt keine Forderungen und keine feststehenden Statements auf.

Er entsagt allen kapitalistisch getriebenen Fesseln, zeigt sich enttäuscht von der Gesellschaft, von der eigenen Stummschaltung der Leute im Internet („Menschenzoo“) und ist im Kampf mit seinen eigenen Zweifeln. Sagt man eigentlich zu oft ‚Nein‘ oder zu selten? Und wer richtig zuhört, stößt oft auf doppelten Boden. Oder war die DIE TOTEN HOSEN-Verbeugung („Willkommen in Deutschland“) in „Bleibt alles anders“ doch nur ein Zufall? Mit dem zynischen Abgesang auf die Kunst in „Das letzte Lied“ beweist PLEIL Galgenhumor.

Funkspruch nach innen

„Die Spur des Kalenders“ wird mit absoluter Sicherheit kein Charterfolg und aufgrund der latenten (und auch depressiven) Wirkung empfiehlt sich PLEIL auch nicht für die Dauerschleife. Dabei basieren alle Songs eindeutig auf Indie, etwas mehr Drive und eine ambitionierte Band im Rücken – fertig sind die kleinen Hits. Wurde man aber einmal von diesem schon fast klaustrophobischen Zauber gepackt, wird es immer wieder anklopfen und als Fläche für Gedankenzirkus und (Selbst-)Reflexion dienen. Genau wie auf dem Artwork abgebildet, ist PLEIL ein verträumter Blick von unten in die Baumkrone.

Dauer: 29:10
Label: Timezone
VÖ: 10.04.2020

Tracklist „Die Spur des Kalenders“ von PLEIL
High Energy
Bleibt alles anders
Menschenzoo
Die Spur des Kalenders
Im Parcours
Offener Kanal
Melanchronik
Gleich nach Erhalt
Unter Schafen
Nein-Maschine
Kleiner Mann
Das letzte Lied

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