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Valerie Jakob – Frag nicht nach Agnes – Review

„Frag nicht nach Agnes“ von Valerie Jakob schlägt eine interessante Brücke vom Nachkriegsdeutschland in die heutige Zeit. Das Leid des Krieges hat viele Facetten und überträgt sich auf mehrere nachfolgende Generationen. Wir starten im Leben der Goldschmiedin Lilo, die mit ihrer Mutter ein eher kühles Verhältnis hat und nach der Trennung ihrer Eltern noch weniger weiß, wie sie sich ihr gegenüber verhalten soll. Ein unerwartetes Schreiben wirft weitere Fragen über die Vergangenheit auf und verkompliziert die Beziehung der beiden. „Frag nicht nach Agnes“ erzählt uns die komplette Familiengeschichte dann auf zwei Ebenen. Während Lilo dem kryptischen Satz „Deine Großmutter hat mein Leben zerstört“ ihrer eigenen Mutter in der Gegenwart auf die Spur geht, erfahren wir auf einer zweiten Zeitschiene, wie deren Leben tatsächlich verlaufen ist.

Der Krieg wirft verdammt lange Schatten

Dass mit dem Kriegsende nicht automatisch der Frieden einkehrt, sollte jedem klar sein. „Frag nicht nach Agnes“ von Valerie Jakob beschreibt nicht nur die schwere Zeit während des Krieges, sondern auch die Traumata, die danach zu verarbeiten sind. Die Frauen waren, nachdem viele Männer im Krieg gefallen sind, zwar in der Überzahl, aber damals noch deutlicher den Wünschen der Männer und gesellschaftlichen Konventionen unterlegen. Die eigentlich starke Agnes gerät mit ihrem Wunsch nach Freiheit in mehrere Gewissenskonflikte und letztendlich in eine lebensentscheidende, ausweglose Situation. Nachdem sie ihren Ehemann tot wähnte, aber trotzdem dessen Familie unterstützte und tapfer die Stellung hielt, kehrt er vermeintlich unversehrt aus dem Krieg zurück. Er hat sich deutlich verändert, wird nachts von Alpträumen geplagt und neidet seiner Ehefrau ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen.

Die Last der Geschichte: Traumata und Schweigen

Was dies mit Lilo, ihrer verschlossenen Mutter und einem Garten zu tun hat, erfahren wir nach und nach. Die Vergangenheit ist allerdings deutlich interessanter als die Gegenwart. Viel zu groß ist die Neugier auf den weiteren Verlauf von Agnes‘ Leben. Die Geschichten über die Übernahme eines Goldschmiedebetriebs und einen erfolgsorientierten Kollegen, der Lilo ihre Position streitig machen möchte, wirken beinahe banal im Vergleich zum Leben ihrer Großmutter.

Agnes und Walter, stellvertretend für viele

„Frag nicht nach Agnes“ von Valerie Jakob ist ein trauriges, aber sehr realistisches Buch über die Schrecken des Krieges und dessen Nachwirkungen. Die Autorin findet einen guten Mittelweg, der selbst die Handlungen der unsympathischen Personen nachvollziehbar macht. Das Schweigen und die Vorwürfe sind spürbar, die argwöhnische Stimmung und die drückende Schwere, die jeden noch so kleinen Funken Glück im Keim ersticken, übertragen sich beim Lesen. Trotzdem bleibt der bittere Nachgeschmack, dass diese Schicksale tausendfach stattgefunden haben, ganze Leben zerstört wurden und nie jemand davon erfahren wird.

Seiten: 416
Verlag: Kindler Verlag
ISBN-10: 346300058X
ISBN-13: 978-3463000589
VÖ: 11.03.2024

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Autorenseite von Valerie Jakob

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