Viagra Boys – Welfare Jazz – Review
Wenn sich eine Band VIAGRA BOYS nennt, hat man gewisse Erwartungen. Diese kreuzen sich in der Regel mit denen, die man an eine Band hat, deren zweites Album „Welfare Jazz“ heißt. „If you don’t like it, babe I see you later“ tönt der VIAGRA BOYS Sänger Sebastian Murphy gut gelaunt aus dem Off, während seine Kollegen den Bass rollen lassen und immer wieder lässig mit Saxofon und Synthies reingrätschen. Eigentlich ist erstmal nicht ganz klar, ob man auf einer coolen Vernissage oder einem noch besseren schwitzigen Clubkonzert ist?!
Genießt den vibrierenden Strom
Wer das lediglich als Post Punk betitelt, was die VIAGRA BOYS machen, unterschlägt einen Großteil der eigentlichen Magie. Einzig in „Toad“ – eine skurrilen Ode an den Wunsch sich selbst genug zu sein und autarke Entscheidungen zu treffen – kommen Tendenzen von WARMDUSCHER in den Sinn. Ansonsten ist das, was die Schweden veranstalten, schon sehr eigen und unterliegt weder Trends noch Gefallsucht. Der betreffende Song treibt so unerbittlich nach vorne, dass man keine Chance hat auszubrechen und quasi vom vibrierenden Strom überrollt wird. Der nahtlos anschließende Poetry-Slam „This Old Dog“ wirkt wie spontan in der Kneipe aufgenommen. Weibliche Unterstützung gibt es von Amy Taylor von der australischen Punkband AMYL AND THE SNIFFERS im Song „In Spit Of Ourselves“. Hier findet über weite Distanz zusammen, was zusammen gehört. Interessanterweise aber nicht auf rockiger Punkebene, sondern eher in Form eines kruden Country-Bastards. „He is my baby, I’m his honey“ – was hier nach Unterwerfung klingt, ist eher im Sinne von Bonny und Clyde gemeint und charmant-schräg.
Von Saxofontönen gesprengte Synthiebrücken
Abgesehen davon, dass seine Kollegen ihm zuverlässig eine starke Instrumentalbasis nach der anderen bauen, auf denen er sich komplett entfalten kann, ist Sebastian Murphy ein rein handwerklich und vor allem emotional beeindruckend überzeugender Sänger. Das hoffnungsvolle „Into The Sun“- das dem ersten Schritt aus der Kneipe im Morgengrauen nach einer durchzechten Nacht gleicht – trieft vor Authentizität. Dem bösen Wort, das niemand hören mag und nach dem sich doch alle sehnen. Er vollbringt diese Leistung und kann sich trotzdem ganz nebenbei einem hitverdächtigen Song, wie dem an die Achtzigerjahre erinnernden „Creatures“ (was für ein hammermäßiger Refrain!) oder dem hitzigen Groovetrieb von „6 Shooter“, unterwerfen. In „Secret Canine Agent“ zelebrieren VIAGRA BOYS den Antrieb, immer nach vorne, weiter und weiter. Alleine für die von Saxofontönen gesprengte Synthiebrücke lohnt es sich „Welfare Jazz“ einzulegen.
Mit „Welfare Jazz“ setzen die VIAGRA BOYS ein erstes, bemerkenswertes Statement für das neue Musikjahr 2021. Damit untermauern sie die häufig auch kritisierten Vorschusslorbeeren, die sie für ihr Debütalbum „Street Worms“ eingeheimst haben. Selten prallten kluge Ironie und musikalische Qualitäten so gekonnt aufeinander. Und über allem schwebt eine einzige Parole: Fuck you!
Dauer: 40:28
Label: YEAR001
VÖ: 08.01.2021
Tracklist “Welfare Jazz” von VIAGRA BOYS
Ain’t Nice
Cold Play
Toad
The Old Dog
Into The Sun
Creatures
6 Shooter
Best In Show II
Secret Canine Agent
I Feel Alive
Girls & Boys
To The Country
In Spite Of Ourselves
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