Chilly Gonzales ueber Enya

Chilly Gonzales – Enya – Review

Der kanadische Musiker CHILLY GONZALES widmet sich im Rahmen der KiWi-Musikbibliothek der irischen New-Age-Musikerin ENYA. Eine Künstlerin, die von Anfang an, eine geheimnisvolle Aura umgibt und trotz Charterfolgen als Künstlerin und nicht als reine Interpretin gilt. Auf wenigen Seiten gelingt es ihm, uns einerseits seine musikalische Entwicklung zu verraten und ganz nebenbei interessante Gedanken über den Erfolg von ENYA einzuflechten.

Mut zur Lücke

Er scheint fasziniert davon, dass es ENYA gelungen ist, ihr Ego zu ignorieren und Mut zur Lücke und damit verbundenen Simplizität zu haben. Da wo er noch einen Schlenker eingebaut hätte, bleibt sie flach und klar. CHILLY GONZALES beschreibt seine Kindheit und die Tatsache, dass der von Anfang an auf abseitige Künstler stand und während andere versuchen zu kiffen, um cool zu sein und Zugang zu gewissen Cliquen zu kriegen, zwang er sich zu Alternative Rock und versuchte sich von technisch anspruchsvollen Kompositionen fernzuhalten. Das Ergebnis seines Bemühens ist ernüchternd: „Ich bereue diese Jahre, in denen ich mich als Fanboy von Alternative Rock ausgab.“

Jeder Song ein Zweck

Aber wann ist ein Song überhaupt ein guter Song? Muss ein Song einen Zweck erfüllen? CHILLY GONZALES wirft die Frage auf, warum Kinderlieder so lange überleben und weltweit weitergereicht werden, während ein Großteil jeglicher Songcover versagt, da sie so stark mit den eigentlichen Urhebern verknüpft sind. Über seine Theorien zieht er dann die Schleife zu ENYA und erst beim Lesen wurde mir klar, dass diese Künstlerin kaum Interviews gab und ihre Songs keine Drums haben. Sie gönnt ihren Liedern Leerstellen, in die wir HörerInnen unsere eigenen Assoziationen parken können. Ihre Stimme transportiert Gefühle, und zwar so intensiv, dass man die eigentlich simple Instrumentierung gedanklich genauso groß empfindet, wie ENYAs Gesang.

Idealvorstellungen

Manches ist vollständiger, wenn etwas fehlt und über manche Menschen erfährt man am meisten, wenn man weiß, was sie nicht mögen. CHILLY GONZALES beschäftigt sich auch mit der neumodischen Bezeichnung von „guilty pleasures“, seine Haltung dazu ist eindeutig. Abgesehen von ENYAs uneitlem Wesen, ist auch ihre Fähigkeit Nein zu sagen auffällig und für ihn erstrebenswert. Am Ende des Buches bröckelt dieses Ideal und zeigt, dass wir häufig die Leerstellen so auffüllen, wie es uns passt und bei genauem Hinsehen von der Realität überrascht werden. CHILLY GONZALES wirft interessante Fragen auf, über ENYA und die Musik generell. Seine Verehrung für die Künstlerin ist eindeutig, aber realistisch und nicht verklärt. Ein schöner Beitrag für die KiWi-Musikbibliothek, die immer mehr Form annimmt.

Seiten: 96
Verlag: KiWi-Taschenbuch
ISBN-10:  3462000136
ISBN-13: 978-3462000139
VÖ: 09.10.2020

Außerdem in der Kiwi-Musikbibliothek erschienen:
Anja Rützel über TAKE THAT
Susann Pásztor – GENESIS oder Warum das Lamm am Broadway liegen blieb
Thees Uhlmann über DIE TOTEN HOSEN
Tino Hanekamp über NICK CAVE
Sophie Passmann über FRANK OCEAN
Klaus Modick über LEONARD COHEN
Frank Goosen über THE BEATLES
Frank Goosen liest “Basement-Tapes” über THE BEATLES
Lady Bitch Ray über MADONNA
Markus Kavka über DEPECHE MODE
Antonia Baum über EMINEM

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