Ich ein Schicksal - Rachel Kushner - Buchcover

Rachel Kushner – Ich bin ein Schicksal – Review

„Ich ein Schicksal“ von Rachel Kushner ist ein kaltes, ein nüchternes, ja sogar ein stark ernüchterndes Buch. Im Mittelpunkt steht die zwei Mal zu lebenslänger Haft in der Stanville Women’s Correctional Facility verurteilte Romy Hall. Nach und nach, aus verschiedenen Richtungen zusammengetragen, erfahren wir, wie es ihr in der Haft ergeht, wie sie aufgewachsen ist und letztendlich auch, für was sie verurteilt wurde. Das Buch zeichnet ein schonungsloses Bild von einer amerikanischen Tristesse, von Chancenungleichheiten und von einem aussichtslosen Leben.

Beleuchtung von mehreren Seiten

Die Gleichgültigkeit, mit der die Hauptfigur ihre Erlebnisse erzählt, wirkt fast so, als ob sie aus Selbstschutz nie gelernt hätte, richtig zu fühlen. Den Frauen in ihrem Umfeld scheint es ähnlich zu gehen. Um den Höllenstrudel aus Gewalt, Prostitution und Knast so wenig wie möglich an sich heranzulassen, war es offensichtlich notwendig, sich einen dicken Panzer anzulegen. So beachtet nun auch der Leser bei sich selbst, wie man die schlimmsten Beschreibungen immer gleichgültiger aufnimmt und sich an dieses rohe Level gewöhnt. Sexuelle Handlungen, scheinbar banale Nebensätze mit starker Wirkung und die Beschreibungen von Gewalt, alles wirkt von Seite zu Seite normaler.

Es gibt vereinzelte Momente, in denen aber auch für Romy das Glück kurz greifbar zu sein scheint. Die Momente, in denen sie von ihrem Sohn Jackson erzählt, der sich aus unerklärlichen Gründen ein sonniges Gemüt bewahren kann. Letztendlich muss er trotzdem für die Taten seiner Mutter büßen und ohne sie aufwachsen. Letztendlich verurteilt ihn der Alltag seiner Mutter, die als Stripperin arbeitet und immer am Rande des Illegalen mit zwielichtigen Gestalten agiert, zu einem weiteren, traurigen Schicksal.

Wie ein drückender Schleier

Wer gerne Serien wie „Orange Is The New Black“ oder „Frauenknast“ schaut, wird sich eventuell für die kleinen Schmuggeltricks und die Hierarchie innerhalb des Gefängnisses interessieren. Da der Roman immer wieder auch von außen erzählt und unterschiedliche Perspektiven einbringt, ist das Buch kein typischer Knastroman „Ich bin ein Schicksal“ von Rachel Kushner kommt ohne Happy End aus, so richtig nachvollziehen und mitfühlen, kann man den Werdegang von Romy nicht. Die Autorin richtet den Scheinwerfer auf die dunklen Ecken des amerikanischen Rechtssystems, auf diejenigen, die im angeblichen Land der Freiheit alles nur nicht frei sind.

Das Ende lässt einen im Regen stehen, da man daran nicht anknüpfen kann und letztendlich genau wie die Protagonistin vor dem zerschmetternden Urteil lebenslänglich steht. Das Buch lässt auch keine Spekulationen für Seite für Seite, zieht das Buch jegliche positive Energie aus dem Leser. Letztendlich ist mal froh, wenn es vorbei ist, aber der Inhalt wirkt noch lange bitter nach.

Seiten: 400
Verlag: Rowohlt Verlag
ISBN-10: 3498035800
ISBN-13: 978-3498035808
VÖ: 18.09.2019

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