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tot – Lieder vom Glück – Review

TOT aus Ostfriesland kommen auf ihrem Album “Lieder vom Glück” erfrischend schnell auf den Punkt. “Zeitfaktor” poltert komplett distanzlos in den Raum und eigentlich sollte sofort klar sein, ob man den repetitiven, misanthropischen Punk der Band mag oder nicht. Von der allgemeinen Definition von Glück, sind TOT natürlich meilenweit entfernt. Stattdessen gibt es auf den Punkt gerotzte Kernaussagen, so hitzig und packend vorgetragen, dass man eigentlich nur zustimmend die Bierdose exen und an die Wand werfen kann.

TOT als Lebenseinstellung

Irgendwo zwischen NIRVANA und DIE NERVEN eingekeilt, kotzen sich TOT einmal im Strahl aus. In meistens weniger als drei Minuten Spielzeit, drücken sie jedem Song einen besonderen Moment in die Hand und haben mindestens eine schmerzhaft treffende Line auf Kante. Dabei wird nicht nur geschrammelt, obendrauf gibt es sogar einige gut gezockte Soli. In”Plastik” holt Sänger Jannes zum Roundhousekick gegen alle aus, die gut gelaunt sind. Sollte allgemein bekannt sein, dass nichts so stark provozieren kann, wie ein gut gelauntes Dauergrinsen von anderen Menschen. Gepriesen sind die Doofen.

Wer ernsthaft reflektiert, sollte eigentlich zu dem Schluss kommen, dass es nun wirklich gar nichts zum Lachen gibt. Im dunkel schunkelnden “Mehr” trampeln uns TOT vehement die Konsumkritik ins Gehirn. Der alte Trick auf die Menschheit zu schimpfen und trotzdem ein Teil davon zu sein, geht eben doch immer wieder auf. Genauso wie das grungige Riff als Depressionsbeschleuniger und das ultra verstörende Video zum entsprechenden Song.

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tot, 2019

Wir werden alle sterben

“Die nächste Sitzung schwänze ich” orientiert sich allerdings fast zu stark an NIRVANA und beim instrumentalen “Psychosomatisch” erwartet man schon beinahe, dass Julian Knoth von DIE NERVEN die erste Strophe von “Angst” singt. Ist man aber erst mal in den mantrischen Strudel von TOT geraten und lässt sich vom Bass im Kreis treiben, dann wird das auch irgendwie egal. “Paradies” zeigt TOT in Bestform, Realität vs. Utopie. Das Paradies, auf das sich die Gesellschaft geeinigt hat, existiert nur, weil man sich auch darauf verständigt hat, nicht mehr hinter die Fassade zu schauen. TOT skizzieren dieses ernüchternde Gefühl musikalisch und textlich hervorragend und erinnern an die tanzbare Kompromisslosigkeit von IDLES “Rottweiler”. Ähnlich wie mit dem Märchen vom Paradies, verhält es sich auch mit der Tatsache, dass die Natur grundsätzlich als friedliches Idyll gilt. Ob das Natürliche wirklich als moralischer Leitfaden dienen kann, stellen TOT mit “Die Natur kann grausam sein, aber auch schön” zur Debatte. Eine ornithologische Dokumentation im Kontrast mit weit atmendem Punk. Ganz nebenbei präsentieren TOT hier noch eine weitere, musikalische Facette.

Die Jugend eine Lüge

TOT treffen bei mir einen Nerv. Ohne sich zu distanzieren und ohne zu viel zu sabbeln, bringen sie viele Dinge sehr gut auf den Punk(t). Musikalisch geht es meistens nach vorne, ebenso schnörkellos und trotzdem nicht preiswert, sondern variantenreich. Allerdings wächst die Scham vor sich selbst parallel zum Spaßfaktor von “Lieder von Glück”.

Dauer: 28:09
VÖ: 08.11.2019
Label: Spastic Fantastic

Tracklist “Lieder vom Glück” von TOT
Zwangfaktor
Kündigung
Alarm
Plastik
Mehr
Die nächsten Sitzungen schwänze ich
Paradies
Die Natur kann grausam sein, aber auch schön
Psychosomatisch
Panikland

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