Acht Eimer H hnerherzen - Musik

Acht Eimer Hühnerherzen – Musik – Review

Anlässlich von „musik“, dem dritten Album der Akustik-Punkband ACHT EIMER HÜHNERHERZEN, stellt sich zum ersten Mal die Frage, ob das Trio eigentlich schon immer so melancholisch war. Ja, bei genauer Betrachtung waren sie das, denn wer lacht und Witze macht, hat noch lange keine gute Laune. Dafür muss man sich einfach nur mal kritisch umschauen oder auch gerne mal die Wörter Sarkasmus und Zynismus im Duden nachschlagen.

Klar, den nun vorliegenden 15 Songs haftet auch wieder (größtenteils) eine angenehme Beschwingtheit an. Aber was „musik“ wirklich zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass ACHT EIMER HÜHNERHERZEN andere, dunklere Töne anschlagen und ihren Schwermut noch offensiver zur Schau tragen. Es ist der Band aus Berlin tatsächlich gelungen, den eigenen Sound zu erhalten und trotzdem noch etwas Neues hinzufügen. Dass Jacho und Bene in „Jetzt auch in Berlin“ ebenfalls singen, ist dabei noch die unspektakulärste Meldung.

Der Dunkelheit entgegen

Wenn Apokalypse Vega im Opener „Zoni“ davon singt, dass schon Leute an einer Ampel verreckt sind, könnte man dem, im Jahr 2022, noch eifrig und vorschnell eine starke, politische Bedeutung zuweisen. Denn „musik“ dreht sich, wenn auch verklausuliert, so offensichtlich um das Hier und Jetzt, wie bisher keines der Alben von ACHT EIMER HÜHNERHERZEN („Hautproblem“, „Straße der Gewalt“…). Aber es entspricht schlicht nicht dem Stil des Trio sich so zu äußern. Wenn sie etwas Wichtiges zu sagen haben, sagen sie es so, dass man es schon richtig versteht, wenn man nur genau zuhört. Humor ist Tragik plus Zeit, das Leben bietet einiges davon und ACHT EIMER HÜHNERHERZEN haben ein Händchen dafür, diese Momente zu entdecken, in sprachliche Bilder zu verwandeln und mit Tönen zu umwickeln.

Die eingangs erwähnte Düsternis spiegelt sich in „Futur 25“ besonders stark, so richtige Freude auf die Zukunft will (und soll sich wohl) nicht einstellen. Und die Art, wie Vega die Aufgabe „Vervollständigen Sie diese Reihe sinngemäß“ mit „…Menschen, Ratten, Müll“ zu Ende bringt, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. So ist das mit der Authentizität, die alle wollen und kaum jemand richtig aussprechen oder ertragen kann.

ACHT EIMER HÜHNERHERZEN trauen sich in die dunklen Ecken

Richtig groß sind die Momente, in denen ACHT EIMER HÜHNERHERZEN etwas Anderes probieren. „Genug“ vereint die bisher bekannten Stärken und scheint schon fast vorhersehbar auf der sicheren Seite zu stehen. Doch das Trio dreht die Hymne um das Glücklichsein und lenkt den Scheinwerfer auf die nicht so attraktive Gegenseite. Aus der Jagd auf Endorphine wird ein angenehmes Aufgeben, ein Liegenbleiben. Musikalisch verwandeln ACHT EIMER HÜHNERHERZEN die Komposition in einen dunkeldüsteren Moment, der von Monotonie geprägt wird und dann schon fast post-rockig zum Höhepunkt geführt wird. Vollverzerrung – aber richtig! – und mit Sicherheit eines der Highlights von „musik“.

Tiefe Poesie

Nachdem wir nun schon flach atmend am Boden liegen, führen ACHT EIMER HÜHNERHERZEN ihren nächsten, neuen Trick vor. Ein altes Klavier steigt schon fast im Sinne von GOETHES ERBEN ein, wieder geben Bene Diktator und seine Schlagstöcke die Stimmung vor. Das Trio stapft weiter durch dunkle Gefilde, gekrönt wird „Requiem“ von einer Posaune. Und schon bis hierhin hat sich „musik“ für mich gelohnt, denn die von jeher gelobte Echtheit der Band provoziert in diesem Emotionsbereich nochmal ganz andere, besonders starke, Reaktionen von den Zuhörer*innen. „Wenn wir sterben, liegt alles einfach rum…“ ist nur eine der vielen Zeilen in diesem Lied, die man sich für immer ins Herz ritzen möchte.

So ist es.

Man kann schon sagen, dass „musik“ den Zeitgeist gut eingefangen hat und dieser uns jetzt ungeschönt im Geiste von ACHT EIMER HÜHNHERHERZEN dargeboten wird. Soooo viel zu lachen, haben wir ja alle aktuell wirklich nicht. Aber natürlich tun wir es trotzdem, weil man sonst kaputtgeht, an dem Scheiß. Dementsprechend finden sich auf „musik“ zahlreiche der Karussellmomente, in denen Vega uns in ihre Refrains eindreht und Anlass zum Schmunzeln gibt („Zack Zack Zack“, „(Durch meine viel zu große) Brille (kann ich dich jetzt auch nicht mehr sehen)“…). Wir wippen, auch mal verstärkt durch eine Orgel, sofort im Takt mit und nicken zustimmend zu smarten Halbsätzen wie „Wichtiges steht auf Papier“. Fast könnte man meinen, alles wäre wie früher.

Je länger man aber darüber nachdenkt, umso erwartbarer war es, dass eine Band wie ACHT EIMER HÜHNERHERZEN anlässlich von fast 2 Jahren world wide Abfuck hier nicht bedingungslos den Lilalaunebär gibt. Ich mag das sehr und küre „musik“ zu meines bisherigen Lieblingsalbum der Band.

Dauer: 41:14
Label: Kidnap Music
VÖ: 18.03.2021

Tracklist „Musik“ von ACHT EIMER HÜHNERHERZEN
Zoni
Hautproblem
Futur 25
Zack Zack Zack
Farben
Genug
Requiem
Straße der Gewalt
Sartre
Patientenverfügung
(Durch meine viel zu große) Brille (kann ich dich jetzt auch nicht mehr sehen)
Jetzt auch in Berlin
G!
Scheiss Cowboys
Na dann

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