Orchards – Lovecore – Review
Dem britischen Quartett ORCHARDS ist mit „Lovecore“ ein herausragendes Album gelungen, lasst uns das neue Genre einfach Math-Pop nennen. Beneidenswert leichtfüßig und trotzdem auffällig präsent, so hüpfen die vier MusikerInnen mit dem Opener „Sincerly Overwhelmed“ sofort in die Herzen der HörerInnen. Softe AGENT FRESCO-Drums treffen auf rauchige MOURN, während von weit weg der alte Vibe von VAMPIRE WEEKEND rüberschallt.
Liebe im Überfluß
ORCHARDS klingen erfrischend, ungezwungen und leicht zugänglich. Dabei sind ihre Kompositionen so wendig und kreativ, dass man wirklich grübeln muss, wann sich Pop zuletzt so ernst genommen hat. Während aus England in letzter Zeit zwar viele Lösungsansätze, aber auch viel Wut und Geifer kam, schicken uns ORCHARDS ein lange vergessenes Gefühl von Unbefangenheit über den Teich. „Sooner“ setzt alles auf Rhythmus, gerne auch mal mit einer harten Achtzigerjahreschlagseite. Schuhe aus, ab in den kühlen Bach oder in das weiche Gras, unweigerlich verbindet man mit ORCHARDS ein Verlangen nach Natur. Oder liegt das am aktuell weltweit gelebten social distancing? Die Band vermeidet es, über jedes Stöckchen zu springen, entkommt jedem Schema. Manche Songs enden anders, als man es vermutet und manche dann doch gewöhnlicher, als erwartet.
Sängerin Lucy Evers ist der heimliche Star, ihre stimmliche Bandbreite ist beeindruckend. Selbstsicher spielt sie mit Kontroversen, kontrastiert mit ihrem Ausdruck die Botschaft („Girlfriend“) und erinnert nicht selten an Teri Gender Bender von LE BUTCHERETTES, besonders als diese im Auftrag von BOSNIAN RAINBOWS unterwegs war („Stealing Your Sleep“). Verdammte Hacke, kann die Frau Atmosphäre zaubern.
Atmosphärischer Pop mit vielen Wendungen
Atmosphäre ist ein gutes Stichwort: Kleinteilige Synthies und Geräusche stützen Lucy bei ihrer Ansprache in „Social Sobriety“. Lullabyklänge und ihre Ernsthaftigkeit treffen dabei härter, als jeder Schrei und jedes laute Riff. „Give Me“ gibt sich offensiver tanzbar. Der wummernde Bass von Dan Fane bittet darum als Tanzvorlage zu dienen und zum Outro gibt es noch ein ausgebüxt wirkendes Klavier in Dur. ORCHARDS haben „Lovecore“ wirklich akribisch detailliert ausgestattet. Im abschließenden „History“ beweist die Band, dass sie sehr wohl auch dazu in der Lage ist noch druckvoller aufzustampfen. Ein krachiger Einstieg wird abgelöst von dem schönsten Refrain der Platte, Hand in Hand mit dem imposanten Bass und polyrhythmischen Drums.
Im Kern ist immer Liebe
Die besungenen Themen sind nicht schwer zu erraten, es sind die kleinen Dramen und Unsicherheiten, die alle von uns kennen. Die Suche nach Liebe im Zeitalter von Social Media, Selbstdarstellung und den gesellschaftlichen Umgang – oder besser Nicht-Umgang? – mit seelischen Krankheiten. Kaum eine Band darf ihr Album so berechtigt „Lovecore“ nennen. ORCHARDS überschütten uns mit Feenstaub und Liebe. Liebe zur Musik, Liebe zum Detail, Liebe zur Kunst und Liebe zur Liebe. Ganz heißer Tipp!
Dauer: 38:00
Label: Big Scary Monsters
VÖ: 13.03.2020
Tracklist “Lovecore” von ORCHARDS
Sincerely Overwhelmed
Burn Alive
Sooner
Girlfriend
Stealing Your Sleep
Magical Thinking
Social Sobriety
Vacancy
Give Me
Luv You 2
History
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