David Schalko – Schwere Knochen – Review
Der Österreicher David Schalko ist nicht nur Autor, sondern auch Regisseur. Zuletzt verfilmte er seine Serienversion von „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, in Anlehnung an den deutschen schwarzweißen Kultfilm von 1931. Auch seine Serie „Braunschlag“ war hier in Deutschland ziemlich beliebt. Mit „Schwere Knochen“ entführt er uns nun in die Abgründe der Wiener Unterwelt. Genauer gesagt in die trübe Welt von Friedrich Kutzler, einem gewissenlosen Viech mit Pranken statt Händen, das schwere Knochen hat und auf seine Umwelt grundsätzlich einschüchternd wirkt.
Da didel dumm, hier geht kein Kommissar um
„Schwere Knochen“ umgibt von Anfang an eine melancholische und resignierte Atmosphäre, die durch die typischen Wiener Ausdrücke – wie hineintheatern und Gschrappen – nur noch greifbarer wird. Der Krutzler hat es von Anfang an nicht leicht und auch wenn die Verbundenheit mit seinen vier Kumpanen – auch allesamt unseriöse Verlierertypen mit Hang zum Übermut und Gewalt – dauerhaft Bestand hat, dann bleibt sein Herz doch kalt. Dabei fängt alles relativ harmlos an. Anfangs mit einem kleinen Fälschertrick, übernimmt sich die Bande dann aber ziemlich schnell und landet zur Strafe in unterschiedlichen Konzentrationslagern. Der Krutzler ergibt sich endgültig seinem Schicksal und tut genau das, was er am besten kann. Angst und Schrecken verbreiten, prügeln und abstechen. Dass er darüber hinaus noch eine gute Portion Bauernschläue und Kalkül hat, hilft ihm auch taktisch nach vorne zu kommen.
Mitten in der Wiener Unterwelt
Nach dem Ende der Naziherrschaft suchen sich Kutzler und seine Kumpanen ihre Plätze im verbombten, grauen Österreich. Die Nazis schlurfen natürlich immer noch um die Ecken und einige offene Rechnungen haben sie auch noch mit unterschiedlichen Gaunern. Sie machen Geschäfte mit den Amerikanern, den Russen und boten sich untereinander aus. Hurerei, Schmuggelei und Morde bestimmen ihren Alltag. Immerhin verliebt sich der Krutzler, auch wenn das Verhältnis zwischen ihm und seiner Auserwählten, der Musch, ganz sicher nicht liebevoll anfühlt. Der Autor David Schalko hat ein sehr gutes Feingefühl für seine vielen Charaktere, an die man sich schnell gewöhnt und denen man, dank der Tiefe, ihre Ecken und Kanten auch gerne verzeihen mag. Ziemlich schnell ist man drin, im Sog der Wiener Unterwelt.
Es ist eine fremde, und eisig kalte Welt, die krimineller und herzloser kaum sein könnte. Doch die Bande – und vor allem die kuriosen Nebencharaktere – fesseln die LeserInnen. Das liegt natürlich auch an der typischen Wiener Sprache, dem ausgeübten Pragmatismus und der Tatsache, dass Schalko die Geschichte in seinem Buch „Schwere Knochen“ so flüssig und authentisch erzählt, als ob er sie selbst erlebt hätte. Ein ganz besonderes Buch, das nachhallt.
Seiten: 576
Verlag: KiWi – Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 9783462050967
ISBN-13: 978-3462050967
VÖ: 12.04.2018
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