Uwe Carstens, Harald Stutte – Der Kleine von Dakota-Uwe: Meine Kindheit auf St. Pauli – Review
Uwe Carstens hat gemeinsam mit Harald Stutte ein Buch über seinen Vater, eine ehemalige Größe aus der Hamburger Halbwelt, geschrieben. Man konnte es bei dem Titel „Der Kleine von Dakota-Uwe: Meine Kindheit auf St. Pauli“ ja bereits erahnen. Zugegeben, der Name Dakota-Uwe löst nicht wirklich auf Anhieb Unbehagen aus. Damals in den Siebzigern und Achtzigern auf St. Pauli, war die Sachlage allerdings noch eine andere. Besagter Dakota-Uwe war ein enger Vertrauter des Königs von St. Pauli, Wilfried Schulz und mit ihm war ganz sicher nicht gut Kirschen essen, die Straftaten gingen auch weit über billige Taschenspielertricks hinaus.
Selbst wenn das berühmt, berüchtigte Viertel gerade stark zu kämpfen hat, die Anziehungskraft ist nicht nur bei Einheimischen ungebrochen. Dementsprechend interessant und auf diese ganz bestimmte Art auch unwirklich, ist auch der vorliegende Rückblick von Uwe Carstens.
Uwe merkt, da stimmt was nicht
Es wird dem kleinen Uwe, der seinen Vornamen mehrfach ändert, schnell klar, dass sein Elternhaus etwas anders tickt. Den Arbeitsalltag des Vaters hinterfragt er relativ spät und auch die Tatsache, dass er niemals mit kleinen, sondern immer mit großen Scheinen losgeschickt wird. Wenn er das Wechselgeld vergisst oder gleich mal einen Fünfhunderter verliert, nimmt ihm das niemand krumm. Auch die Freunde und Bekannte, die bei ihm daheim verkehren, sind äußerst skurril, ebenso deren Zeitvertreib.
Darunter tummelten sich auch einige berühmte Schauspieler*innen und deutschlandweit bekannte Kiezgrößen. Wie groß genau die Dimensionen der Partys und Geschäfte waren, merkt man als Leser*in erst, wenn man den bebilderten Mittelteil des Buches erreicht. Schon alleine durch den damaligen Style wirken die Bilder kurios, ebenso wie die abgebildeten Szenen und Posen.
Kein genereller Trip in die Siebziger
Was genau da passiert, kann man heute als erwachsene Person sofort ableiten, für Uwe Carstens war das damals normal und wurde kaum hinterfragt. Die Erzählung konzentriert sich sehr auf die Erlebnisse, die eben in Zusammenhang mit seinem Vater standen und leider wird auf popkulturelle Referenzen größtenteils verzichtet. So ist das Buch tatsächlich eher für diejenigen geeignet, die sich auch für St. Pauli, Dakota-Uwe und dessen Kumpanen interessieren und nicht dafür, um generell mal einen Trip in die Siebziger zu machen. Dafür sind die Erinnerungen aber so absurd, dass man häufig darüber lachen und staunen kann.
Sein Vater erzieht ihn liebevoll, gibt ihm aber die nötige Härte und Durchsetzungskraft für die Straße mit. Irgendwann entscheidet Dakota-Uwe, ausgelöst von den immer brutaler werdenden Bandenkriegen zwischen der Nutella-Band und der GMBH (jeder Buchstabe steht für eine Person) auf St. Pauli, sich zurückzuziehen und mehr oder weniger bürgerlich zu leben. Für einen, der diese gesellschaftlichen Regeln aber nie wirklich gelernt hat, bedeutet das eine andere Auslegung der Tatsachen. Trotz guter Absichten manövriert er sich letztendlich ins Gefängnis. Ein Umstand, der bei ihm aber gut anzuschlagen scheint und ihn letztendlich fast vollkommen läutert.
Ein Rest wird immer Geheimnis bleiben
„Der Kleine von Dakota-Uwe: Meine Kindheit auf St. Pauli“ von Uwe Carstens und Harald Stutte ist etwas zu kurz geraten, man hat den Eindruck, dass da noch mehr möglich gewesen wäre. Denn die beschriebenen Umstände lesen sich so kurzweilig, wie eine Fortsetzung eines Kinofilms im Sinne von OCEANS ELEVEN oder MICKEY BLUE EYES. Es drängt sich schon fast der Eindruck auf, dass die Autoren noch einen Rest Ehrenkodex als Schere im Kopf haben, denn die Betroffenen kommen allesamt noch gut weg und wirken sogar sympathisch. Am Ende des Buches ist man sogar etwas traurig, dass die letzte „ehrliche Gangsterriege“ abtreten muss(te). Selbstverständlich sind alle Umstände, wie Gerichtsprozesse und Taten, nachprüfbar und entsprechen der Wahrheit, das kann man aufgrund der mittlerweile vergangenen Zeit kaum glauben. Ein kurzweiliges, gutes Buch.
Seiten: 224
Verlag: Rowohlt Taschenbuch
ISBN-10: 3499005565
ISBN-13: 978-3499005565
VÖ: 17.08.2021
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Uwe Carstens war keine St.Pauli-Größe. Er war ein Schleimer, in Richtung der Promis. Mit „Normalos“ hat er nicht einmal gesprochen. Ich kann das beurteilen denn ich habe ihn bereits 1964 kennen gelernt. Wir sind gleichaltrig.
Zu der Zeit fuhr ich als Reiniger auf der „Rio Macareo“. Carstens kam an Bord als ich dort 6 Monate tätig war. Man hatte ihm den Job als Storekeeper gegeben obwohl er davon nicht die geringste Ahnung hatte. Da ruhte er sich bereits auf Protektionen bekannter St.Pauli-Größen und Schauspieler aus. Er verschwendete keine Minute mit Normalbürgern.
Jahre später traf ich ihn mal am Hans Albers Platz. Ich sprach ihn an, er schaute kurz zu mir und ging wortlos weiter. Ein ausgesprochenes Arschloch.
Auch Wilfried Schulz habe ich kennen gelernt. Er war das genaue Gegenteil. Souverän und weltmännisch, ja sogar sympatisch.
Sowas wie Carstens wird auf St.Pauli auch gebraucht, aber selbstständig hat er nichts auf die Beine gestellt. Je älter er wurde, desto unsympathischer wurde er auch von seinem Erscheinungsbild. Seine Gesichtszüge spiegelten seinen Charakter wider.
ZB. Mucki Pinzner hatte lange vor seiner Festahme den Blick eines Massenmörders. Man konnte an seinem bösartigen durchdringenden Blick erkennen, dass er erwog wie er es am besten anstellt um einen umzubringen. Wenn ich zufällig in einer Kneipe auf ihn stieß, verschwand ich so schnell und unauffällig wie möglich.