Behemoth – In Absentia Dei, Stream vom 05.09.2020 – Review
Die polnische Black-Metal-Band BEHEMOTH macht grundsätzlich keine halbe Sachen. Deshalb war auch schon bei der ersten Ankündigung zum Livestream „In Absentia Dei“ klar, dass Nergal und seine Kollegen den Bereich der aktuellen, digitalen Präsentationsmöglichkeiten komplett ausschöpfen würden. Und auch der Titel, was so viel bedeutet wie „in der Abwesenheit von Gott“ und die Empfehlung den Stream erst ab 18 Jahren zu genießen, heizten die Vorfreude entsprechend an. Das Spektakel fand in einer verlassenen Kirche in Polen statt, Fans der Band wird der Ort aus dem Video zu „Blow Your Trumpet Gabriel“ vom Album „The Satanist“ bekannt vorkommen. Der Livestream wurde eingerahmt von vorproduzierten Videos aus dem Hause G13 Production House. Eine polnische Produktionsfirma, die schon sehr lange mit BEHEMOTH zusammenarbeit. Deren dunkle und sehr kunstvolle Ästhetik ist mittlerweile eng mit der Musik der Band verbunden.
„In Absentia Dei“ – soviel Aufwand wie ein Album
Die erste Stunde lief kostenlos als Official Pre-Show auf YouTube und startete mit einem kurzen Einblick in die sehr aufwendigen Vorbereitungen. Nergal vergleicht den Aufwand mit einer Albumproduktion. Er wirkt stolz, das Blitzen in seinen Augen und die hoch konzentrierten Gesichter, die man beim Rundgang durch die Burg sieht, machen tatsächlich neugierig auf die Umsetzung. Vorfreudige Kommentare aus allen Teilen der Welt ratterten mit Lichtgeschwindigkeit über den Bildschirm.
Imperial Triumphant
Als virtuelle Vorband gibt es dann eine Show der amerikanischen Avantgarde-Black-Metal-Band IMPERIAL TRIUMPHANT. Mastermind Zachary Ilya Ezrin und seine Kollegen spielen einen wirklich sehr spektakulären und eigenwilligen Sound, in dem man die musikalischen Wurzeln New Yorks tatsächlich immer wieder spüren kann. Ein Sound, an dem sich die Geister scheiden und bei dem – nicht zuletzt auch einfach aufgrund der Bequemlichkeit und in Ermangelung eines Bierstandes zur Ablenkung – heute vielleicht mal mehr Menschen zuhören und offen für Neues sind. Auch die opulente, optische Erscheinung der Band wird ansprechend umrahmt von Lichteffekten und Bildeinspielungen. IMPERIAL TRIUMPHANT dürften von „In Absentia Dei“ profitiert haben, endlich quatscht niemand rein und Kräfte für das anschließende lange Stehen beim Hauptact muss man sich auch nicht sparen.
Alles Weitere gibt es dann kostenpflichtig über eine andere Website zu sehen und BEHEMOTH bieten auch einige, direkt auf das Event bezogene, Merchandiseartikel an. Kein Wunder, denn günstig und nebenbei mal so produziert war „In Absentia Dei“ ganz sicher nicht.
Behemoth
Man muss nicht sonderlich bibelfest sein, um die einleitende Analogie zu erkennen. In einem vorproduzierten Einspieler sieht man vier apokalyptische Reiter, die als Botschafter des Jüngsten Gerichts in Erscheinung treten. Mit schwarzen Pferden reiten die Vier auf die Kirche zu, aus der schwarzer Rauch dringt. In der Kirche angekommen, starten BEHEMOTH mit einer Livepremiere. Zum ersten Mal gibt es „Evoe“ von der aktuellen EP „A Forest“ in Echtzeit auf die Ohren. Und auch sonst hat die Band die freie Zeit genutzt, um sich einige wirklich alte und selten gespielte Perlen draufzuschaffen. „From the Pagan Vastlands“ und „Prometherion“ haben ebenso wenig einen Dauerplatz auf den aktuellen Setlisten wie „Sculpting the Throne ov Seth“.
Für seine Ansprache „Chwała mordercom Wojciecha (997-1997 dziesięć wieków hańby)“, vom mittlerweile 22(!) Jahre alten Album „Pandemonic Incantations“ – zu Ehren der Mörder von Adalbert von Prag, einem christlichen Missionar, der posthum heiliggesprochen wurde und von BEHEMOTH ganz offensichtlich für sein Engagement wenig geschätzt wird – wechselt Nergal auf die zweite Ebene der Kirche. Er schauspielert sich richtig in Rage und man muss hier einfach mal festhalten, dass er seinem Job als Künstler wirklich perfekt beherrscht.
Nix für schwache Nerven
Und an dieser Stelle erinnern wir uns wieder an die Altersempfehlung, die die Band selbst ausgesprochen hat. Auslöser dürfte aber die heftige Szene – nennen wir es mal Performancekunst – beim Song „Ora Pro Nobis Lucifer“ sein. Eine Frau steht hier im Mittelpunkt, bis auf ein kleines Höschen ist sie nackt, weiß angemalt und im Gesicht prangt ein schwarzes, umgedrehtes Kreuz. Mehrere vermummte Personen bringen an ihrem Rücken und im Bereich der Handgelenke große Eisenhaken in ihrer Haut an, in die im Anschluss Seile eingehängt werden. Mit diesen – und weiteren Seilen, die um ihre Extremitäten gebunden sind – wird die Frau mit einem Seilzug mehrere Meter nach oben gezogen. Da schwebt sie dann und während BEHEMOTH vorne ballern, läuft ihr aus den großen Wunden am Rücken frisches Blut.
Die Kommentare im Chat überschlagen sich, während die einen nach der Polizei fragen, gehen die anderen davon aus, dass sie ganz sicher ihre Einwilligung gegeben hat. Wir tippen stark auf Letzteres. Ein User macht eine unpassende Bemerkung über die Brüste der Frau… während er wahrscheinlich Chips frisst und in Unterhose vorm Laptop sitzt… Schöne, neue Welt.
Stay strong, stay healthy and free
„In Absentia Dei“ bietet den ZuschauerInnen mehrere Perspektiven an, die sie selbst wählen dürfen. Wer faul ist, begnügt sich mit dem Director’s Cut. BEHEMOTH und alle Beteiligten liefern spektakulär ab, denn alle Grenzen, die ein Livekonzert ja doch bietet, können heute Abend gesprengt werden. Die Band bewegt sich authentisch in der atmosphärischen Umgebung, die unterschiedlichen Lichteffekte sind beeindruckend und in Kombination mit den fein gesetzten Schnitten der Innen- und gruseligen Außenaufnahmen, wirkt „In Absentia Dei“ richtig bombastisch und wie ein guter Spielfilm. Nergal spricht vor „Conquer All“ (tiefe Verbeugung vor „Be All End All“ von ANTHRAX) von „Black Metal Magic“ und das fast den Abend gut zusammen.
Aber spätestens bei „Chant for Eschaton 2000“ fällt er dann doch etwas aus seiner Rolle: „Stay strong, stay healthy and free.“ Ja gut, so ganz böse sind BEHEMOTH dann doch nicht. Zwinkersmiley. Und seiner Drohung, den Christen richtig giftig in die Suppe zu spucken, ist Nergal auf jeden Fall nachgekommen. Zum abschließenden „O Father O Satan O Sun!“ setzen BEHEMOTH die Kirche symbolisch in Brand und lassen nahe der Fenster einige Feuerfontänen hochgehen. BEHEMOTH haben mit „In Absentia Dei“ einen neuen Standard in der Kategorie Livestreams gesetzt und ihre Vorteile optimal ausgenutzt. Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn diese Aufnahmen nicht auch irgendwann als DVD verfügbar wären.
Setlist In Absentia Dei von BEHEMOTH vom 05.09.2020
Act I
Evoe
Wolves ov Siberia
Prometherion
From the Pagan Vastlands
Act II
Blow Your Trumpets Gabriel
Antichristian Phenomenon
Conquer All
Lucifer
Act III
Ora Pro Nobis
Lucifer
Satan’s Sword (I Have Become)
Ov Fire and the Void
Chwała mordercom Wojciecha
As Above So Below
Slaves Shall Serve
Chant for Eschaton 2000
Act IV
Sculpting the Throne ov Seth
Bartzabel
Decade of Therion
O Father O Satan O Sun!
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Echt geile Alternative zum richtigen Konzert und hoffentlich kommt da eine DVD !!!! Was das wohl gekostet hat?