Haiyti – Influencer – Review
Kunst zu produzieren scheint der Rapperin HAIYTI leicht von der Hand zu gehen, das neue Album “Influencer” ist schon ihr zweites in diesem Jahr. Und ein Durchlauf reicht, um festzustellen, dass sie auch dieses Mal nichts hingeschnoddert hat, sonst durchweg Spitzenqualität abliefert. Es gibt keinen belanglosen Moment, jeder durchschnittene Gedanke blutet stark.
Schon von ihr gehört?
Mit “comeback” steigt HAIYTI schonungslos ein, deutet eine der schwersten Stunden in ihrem Leben an, Nachwehen vom Vorgänger “Sui Sui”. Und an diesem Opener ist einfach alles perfekt. Sie lässt es beinahe beiläufig wirken, dabei ist der Text authentisch as fuck und trotzdem kein Wort zu viel. Der Refrain trifft, geht schon fast poppig ins Ohr und die vermeintlich simplen Beats sind bei genauem Hinhören extrem detailliert. Auf dem folgenden “100.000 feinde” scheint sie schon wieder oben auf. Lacht über die blinde, absurde Masse, die ihr zujubelt oder sie zerfetzen will. Das ist genau absurd und surreal wie die Scheine, die reinflattern. Und der Wunsch lieber anonym daheim zu sein, statt im Hotel.
Popstar war gestern
Dass das Album “Influencer” heißt und man HAIYTI zum Popstar hochstilisieren will, beißt sich nur auf den ersten Blick. Das einstige Ziel Popstar zu werden, ist längst überholt, Influencer zu sein ist dagegen in greifbarer Nähe. Es ist extrem anziehend, wie HAIYTI im einen Moment selbstbewusst mit der Peitsche klatscht und im nächsten verletzlich und irre in der Ecke zu wippen scheint. Ganz unabhängig vom Genre, ist das überzeugend, weil es echt ist. Die selbst gezogenen Vergleiche mit dem Joker (im herrlich schaurig vertonten “one-off modell”) sind berechtigt, nur nimmt sie sich nicht nur die Freiheit Feuer zu legen, sondern auch die, in Balladen sanfte Momente zuzulassen. Letztere wirken umso besser, zwischen großen, sich in Dramatik ergießenden Songs wie “benzin” und dem rhythmisch zwingenden “zu real”.
Jedes ausgelutschte Schema nebenbei ausgehebelt
Dass sie eher zufällig zum Reimen kam, kommt ihr zu Gute. Genau deshalb hebelt sie jedes ausgelutschte Schema aus, findet ihren eigenen Weg (“tak tak”). Und statt in Versalien, schreibt sie ihre Songtitel klein, von hinten überraschen funktioniert immer besser. Dabei zeigt sie im herrlich dreisten und auch smarten “sweet” und im angreifenden “burr”, dass sie sehr wohl böse aufstampfen kann. Und auch wenn Rap nicht ihr einziger, letzter Plan ist (“klunker”), dann weiß sie sich doch im Game zu behaupten. Während andere ihre Songs mit Features vollballern, gibt es auf “Influencer” von HAIYTI nur eines mit EGO. Es bildet den Abschluss einer kleiner Partykollekte, die am Anfang des letzten Drittel zusammengerafft wurde und auf eher nach innen gerichtete Songs wirkt. Die Trackabfolge und die Ballung von Stimmungen, sind aber auch der einzige Kritikpunkt, der mir auffällt. Ansonsten ist “Influencer” unterhaltsam, bewegend und von HAIYTI kann man noch fast alles erwarten. Ihre Vorgensweise deutet in jedem Punkt auf Kunst hin und ist nicht auf Trap festgelegt, sondern vielseitig auslebbar.
Dauer: 50:38
Label: Hayati Records / Warner
VÖ: 04.12.2020
Tracklist “Influencer” von HAIYTI
comeback
100.000 feinde
wenn ich muss
klunker
zu real
tak tak
one-off modell
star und zurück
benzin
holt mich raus hier
im club
sweet
burr
herzinfarkt
hokus pokus (feat. Ego)
tokio
ghostname
kokaina
weltzeituhr
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