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Interview mit Pabst zum Album “Deuce Ex Machina”

Hat euch da Corona in die Hände gespielt? Also würdet ihr rückblickend sagen, dass ihr das alles so in dem Detail gar nicht geschafft hättet, unter normalen Bedingungen?

Erik: Definitiv. Ich kann es nicht fest behaupten, da ich es nicht weiß, aber viele Aktionen wären sicherlich etwas kürzer ausgefallen. Die Zeit, in der wir Anfang März die Videos gedreht haben, das wäre gar nicht so einfach gegangen, weil wir auf Tour gewesen wären. Die Reichweite, die man da dann ja macht, mussten wir irgendwie ausgleichen. Deshalb konnten wir uns viele Dinge ausdenken, basteln und das war schon eine Reaktion auf Dinge, die weggefallen sind. Wir sind also gezwungenermaßen (lacht) kreativer geworden.

Die Zusammenarbeit mit Moses Schneider interessiert mich sehr, Jan von TURBOSTAAT habe ich auch schon dazu ausgefragt. Was konnte Moses euch mitgeben, in welche Richtung hat er euch gelenkt?

Tilman: Er war auf jeden Fall jemand, der uns den Spiegel vor das Gesicht gehalten hat. Er hat einfach mal gefragt, ob wir das wirklich so geil finden, was wir da machen oder ob wir nicht doch nochmal daran arbeiten wollen. Das kam jetzt natürlich nicht ständig vor (lacht), aber es waren auf jeden Fall Momente im Proberaum, wo er uns einfach gesagt hat, dass wir gewisse Dinge nicht bringen können, wenn wir nicht wollen, dass jeder sagt, dass wir wie NIRVANA klingen und mehr nicht. Er ist sehr offen und hat guten Input gebracht. Außerdem ist er jemand, der total auf die Magie des Momentes setzt. Andere arbeiten eher so, dass sie alles bis ins kleinste Detail perfekt haben möchten. Dann muss eben das Gitarrensolo dreißigmal eingespielt werden, bis jede Note auf dem Akzent sitzt, auf dem sie sein sollte. Da ist er dann eher jemand, der dann sagt: ‘Da war ein Verspieler drin, aber der klingt übel geil, also lasst uns den doch einfach so behalten’. Auf sowas lässt er sich dann ein und nutzt diese Momente.

Pabst-Shake-The-Disease
PABST, 2020

Das muss man sich als Band aber auch trauen, sowas stehenzulassen.

Erik: Ja, wir sind eh nicht so krass perfektionistisch oder zumindest wollen wir das nicht sein. Man muss eben einfach auf vieles verzichten und hat auch nicht die komplette Kontrolle. Moses sagt dann einfach so Dinge wie ‘Wenn ihr jetzt 10 Minuten überlegt, ob ihr das so oder so spielt, dann lasst es halt weg!’. Es war schon so, dass wir dachten, es sei ok mal eine halbe Stunde herumzudaddeln. Während er dann meinte, dass man es weglassen kann, wenn man sich nicht sicher ist. Natürlich auch immer mit der Zeit im Auge, da wir nicht unendlich Budget hatten und die Songs zu einem gewissen Zeitpunkt auch fertig sein müssen. Das gehört ja auch zu den Aufgaben von Moses, darauf zu achten. An einem gewissen Punkt muss man eh die Dinge loslassen und je früher man das kann, umso geiler ist es. Das war zumindest meine Erfahrung

Diese gewissen Momente machen “Deuce Ex Machina” aus. Bei “Machina” und “Fugitive” sind so Momente, die etwas unrund wirken, aber genau gefallen mir. Wahrscheinlich ist das der wesentliche Unterschied zwischen dem Debüt und eurem zweiten Album. Wie viele Takes habt ihr pro Song gemacht?

Erik: Ich denke mal so fünf?

Tore: Also bei mir waren es auf jeden Fall deutlich mehr, als ich dachte.

Tilman: Lass mich mal kurz einhaken. Genau die beiden Songs, die Du genannt hast, waren nämlich die, bei denen Moses auf jeden Fall was dazu gesagt hat. Gerade beim Opener “Machina”, den ließ er uns gerade noch so durchgehen und erst als wir den Bruch eingebaut hatten, fand er ihn nicht mehr nur ok, sondern gut.

Für mich ist das der stärkste Song und ein gutes Beispiel, wie man aus etwas vermeintlich Einfachem etwas Großartiges machen kann.

Erik: Bei dem Song haben wir uns echt lange verrannt und wussten nicht, wie wir den beenden sollen. Da muss man sich einfach auch irgendwann mal trauen und für irgendwas entscheiden.

Der Überraschungsmoment ist für das Album auch sehr wichtig und es war schlau, den eben nicht als Single zu veröffentlichen. Gleich danach kommt der Zungenbrecher “Ibuprofen”. Gibt da eigentlich keine Probleme, wenn man das als Titel nimmt, darf man das?

Erik: Da haben wir uns gar keine Gedanken darüber gemacht (lacht). Es ist ja keine Lobeshymne auf Schmerztabletten und ich glaube, das ist ja kein eingetragener Markenname sondern ein Inhaltsstoff.

Wenn man nach etwas sucht, das die Texte verbindet, dann sind das wohl Zweifel und Minderwertigkeitsgefühle, oder?

Erik: Ja (lacht), das wurde mir durch Deine Review nochmals klar, dass viele Songs so selbst bemitleidend klingen. Aber so ein richtig übergeordnetes Thema war nie geplant, ich musste die Texte innerhalb von wenigen Wochen schreiben und dass da Parallelen auftauchen, liegt in der Natur der Sache. Es kommt schon aus der Position der Loser. Aber eben diesen Begriff so zu vereinnahmen und dann aus dieser Position Dinge zu betrachten. Das ist schwer zu erklären (lacht). Daraus lässt sich Stärke schöpfen, aus dieser Haltung, die einem immer wieder entgegenschlägt. Wenn man sich damit identifiziert, anstatt zu denken, man wäre der Geilste und zeigt es jetzt allen. Wahrscheinlich meintest Du genau das. Statt auf dicke Hose zu machen, was ich unfassbar langweilig finde, einfach anzuerkennen, dass man von der Gesellschaft eher bemitleidet wird, aber darin seine Stärken findet.

Gerade bei “Skyline” weiß man ja schon in der ersten Zeile, dass es um Berlin geht. Und im Refrain greifst Du das Gefühl ja gut auf. So nach dem Motto, wenn die Scheiße jetzt untergeht, dann seid ihr hoffentlich damit zufrieden, in was ihr eure Scheine investiert habt. Das ist ja keine Opferrolle, sondern schon zynisch und selbstbewusst.

Erik: (lacht) Ja und genau so war es auch gemeint.

Ihr seid alle drei Berliner, ist das ein Berlinproblem mit dem Verheizen von Künstlern oder ein generelles Problem der Musikindustrie?

Tilman: Es ist wohl schon ein generelles Thema.

Erik: Am Ende geht es immer um die Knete, sowas muss man nicht verherrlichen. Das ist es, was alle antreibt. Die Frage stelle ich mir öfter, auch in den Texten. Wenn man Künstler ist, dann muss man sich bewusst sein, dass man sich abseits des Systems einordnet, aber doch in dem System funktionieren muss. Dadurch entsteht eine Dissonanz, die ich sehr interessant finde. Gestern habe ich eine Doku über das Album “Dots and Loops” von STEREOLAB gesehen. Mir war nie bewusst gewesen, dass die inhaltlich marxistisch angehaucht waren. Und einer der Songs wurde dann in einer Autowerbung verwendet. Also eine Band, die versucht eine Bewegung anzustacheln oder widerzuspiegeln und sich systemkritisch äußert, wird dann in einer Autowerbung verwendet. Und irgendwie ist man auch darauf angewiesen, um weitermachen zu können. Das ist schon krass, aber verheizen ist kein Berlinding.

Bei eurem Video zu “My Apocalypse” habt ihr kurz gezögert, ob ihr es wie geplant veröffentlichen wollt, da es genau in die Zeit der “Black Lives Matter” Bewegung fiel. Was waren da eure Überlegungen?

Erik: Es hatte nicht direkt etwas mit dem Video selbst zu tun. Sowas ist ja immer in einer Warteschleife, war schon monatelang geplant. Und dann gab es diesen Aufruf zum #blackouttuesday, wir wollten es nicht verschieben, da es ein falsches Signal gesendet hätte. Was ja immer passiert bei sowas, ist, dass es einen Tag oder eine Woche gibt, in denen sich Leute damit befassen. Aber es sind keine Themen, die in dann vorbei oder erledigt sind. Und dann, nach einigen Tagen zu signalisieren, dass das Video nun kommt, weil die “Luft rein ist”, das wollten wir nicht machen. Wir wollten sagen, dass wir dann eher darauf scheißen, dass es eventuell gerade niemand interessiert, bevor wir einen künstlichen Fokus darauf setzen, wenn wir es verzögern. Dann würden wir ja so tun, als ob nach einer Woche alles wieder gut wäre, das fanden wir ekelhaft. Der Moment, in dem es dann wieder ok ist, denn wir es nie geben. Entweder man hadert immer oder nie. Wenn wir jetzt fakemäßig trauern, dann hört die Scheiße auch nicht auf. Und jetzt posten Leute auch wieder normale Sachen, die damals sagten, es geht jetzt nicht. Ja, und geht es jetzt wieder? Was ist denn die Idee dahinter?

Die Aktion wurde schnell aus dem Boden gestampft und auch nicht richtig kommuniziert.

Erik: Die Idee war ja, anstelle der Promo einen anderen Content an die Oberfläche zu holen und das ist irgendwie nach hinten losgegangen. Aber da haben wir auch mitgemacht und natürlich Aktionen runtergefahren. Aber wenn etwas eh in der Pipeline ist, dann wäre eine Verzögerung unnötig gewesen. Dinge, die wir noch nicht angekündigt haben, haben wir auch schon öfter mal zurückgezogen. Aber das Geheuchelte heute nichts machen, aber dann morgen, dass wollten wir auf keinen Fall.

Ihr habt ein Label namens Ketchup Tracks gegründet. Ist das nur für euch gedacht oder könnt ihr auch anderen Bands Infrastruktur bieten?

Tilman: Ne, so die krasse Infrastruktur können wir nicht bieten. Der Plan war, unsere eigene Musik darüber zu veröffentlichen und viel mehr Zeit haben wir auch gar nicht zur Verfügung. Zumindest war es nicht so geplant, aber dass sich da noch was entwickelt, schließen wir nicht aus.

Erik: Jetzt hat man es mal und bisher eben nur mit unserem eigenen Album (lacht).

Könnt ihr “Deuce Ex Machina” eigentlich genauso auf die Bühne bringen, wir ihr es aufgenommen habt?

Tore: Im Großen und Ganzen achten wir schon darauf, dass wie die Songs live so bringen können, wie im Studio. Das ist uns schon wichtig.

Erik: Tore kann auch einiges über Samples zuspielen und wir schauen schon, dass wir alles so auf die Bühne bringen. Bei unserer Releaseshow dem “Virtual Summer 2020” haben wir noch zwei Leute zur Verstärkung dabei. Und wenn dann doch etwas fehlt, dann schauen wir schon, dass es nicht so essentiell ist, dass dann der Song nicht mehr gut ist.

Wie eng ist die musikalische Verbindung zwischen euch, seid ihr als Personen gesetzt oder jederzeit austauschbar?

Tilman: Also wir persönlich haben nichts miteinander zu tun und treffen uns nur aus professionellen Gründen (lacht). Nein, es ist schon so, dass wir alle unseren eigenen Stil mitbringen, der nicht so einfach zu ersetzen ist. Wenn jemand ausgetauscht werden würde, dann wäre das eine komplett andere Nummer, aber das ist wohl bei den meisten Bands so.

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