MINE Baum Artwork 2024

Mine – Baum – Review

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass MINE von jeher mit einem Bein im HipHop verwurzelt ist. Aber es bestehen unbestritten enge Verbindungen und es gab zahlreiche musikalische Kooperationen, unter anderem mit FATONI und DANGER DAN, mit der Szene. Mit ihrem neuen Album „Baum“ hat sie nun den Charakter eines Mixtapes aufgegriffen, was sich überraschend gut mit ihrer bisherigen Vorgehensweise verträgt. Trotz aller Kreativität, war immer spürbar, dass MINE sich intensiv mit Harmonielehre, Kontrapunkten, Formenlehre und Musikanalyse beschäftigt hat. Auf „Baum“ gibt es nun Reprisen, aus dem Rahmen fallende Intros, Snippets und die wahrhaftige Freiheit, Ideen nicht bis ins letzte Detail auszuarbeiten, sondern offen und vermeintlich unfertig stehenzulassen.

Sei schlau, gieß dich selbst

Genau das macht „Baum“ von MINE extrem spannend und noch mehr Lust auf die Liveumsetzung, den der Faktor des Unerwartbaren steigt. Und um Missverständnisse vorzubeugen: „Baum“ ist nicht mit Ansage für Streaminganbieter konzipiert, wird es mit seiner Vielseitigkeit wahrscheinlich dort sogar schwer haben. Einen Großteil der exotischen Instrumente wird die Hälfte von uns weder benennen noch erkennen können und natürlich hat MINE auch starke und unbequeme Aussagen im Gepäck.

MINE 2023, Foto von Bastian Bochinski
MINE 2024, Foto von Bastian Bochinski

Eine in Töne gegossene, heilsame Häutung

„Baum“ von MINE vereint also einiges, greift musikalisch und inhaltlich das Bild eines Baumes auf. Als etwas das wächst, abbricht, ungewöhnliche Ausprägungen haben kann, in Teilen sterben und wieder erstarken kann, auf äußere Umstände reagieren muss und somit zwar eine Gattung angehört, aber maximal individuell sein kann. Der erste Durchlauf ist, wenn auch im positiven Sinne, irritierend. Dass genau diese Entwicklungsstufe der Leichtfüßigkeit auf „Hinüber“ folgt, ist herrlich motivierend und wirkt wie ein in Töne und Worte gegossene, heilsame Häutung.

Um MINE als Künstlerin, sozusagen in a nutshell, zu verstehen, eignen sich „Spiegel“ und „Stein feat. Léonie Pernet“, letztes grenzt mit dem Tänzchen von Orgel und Streichern schon an die Schrulligkeit von Austropop. In beiden Liedern baut sie auf einer maximal abgenagten Basis, mit einem augenzwinkernd und gleichzeitig berührenden Text, auf und zieht den Rahmen dann maximal groß, gibt dem vermeintlichen Kleinklein einen orchestralen Abgang.

Popkulturelle Zeitsprünge

Es gibt viele MINE-typische Trademarks, wie das bereits veröffentliche „Ich weiss es nicht“, eine Hymne an die Planlosigkeit und ein Abgesang auf Kopfzerbrechen für Dinge, die geschehen sind oder in den Sternen stehen. Aber auf „Baum“ finden sich auch popkulturelle Zeitsprünge, die MINE alle zu ihrem ganz eigenen Ding gemacht hat. Die Featureliste gleicht einem Blick durch das Kaleidoskop, Rapper MAULI findet genau Berechtigung, wie die französische Sängerin Léonie Pernet, Sängerin und Produzentin Madanii, der Männerchor ffortissibros und der Kieler Knabenchor. Dazwischen immer präsent ist MINE, schmiegt sich an die jeweiligen Hüllen und füllt sie prall mit Leben. Das scheint einfach, hätte aber ganz schnell auch wie Musik gewordener Kehricht klingen können.

Klare Entscheidung für die richtige Abzweigung

Es kann gut sein, dass manchen MINE als kleinster Nenner nicht mehr ausreicht, denn die Diversität verlangt schon ein hohes Maß an Offenheit. „Hinüber“ war zweifelsohne ein Meilenstein und man hätte von da an mindestens zwei Abzweigungen zur Verfügung gehabt. Das fünfte Album „Baum“ ist eine klare Entscheidung für die Kunst und gegen den platten Mainstream. Damit öffnet MINE sich und uns eine Tür zu etwas Größerem und steigert jetzt schon die Vorfreude auf das, was da noch von ihr kommt.

Dauer: 29:44
Label: Virgin
VÖ: 02.02.2024

Tracklist „Baum“ von MINE
BAUM
ICH WEISS ES NICHT
NICHTS IST UMSONST
NICHTS IST UMSONST Reprise
DANKE GUT Intro
DANKE GUT (feat. Mauli)
SPIEGEL
SCHATTIG Intro
SCHATTIG (feat. Leonie Pernet)
STAUB
STEIN (feat. MADANII)
COPYCAT
FESCH0
BAUM Reprise
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