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Mine – Hinüber – Review

Die Einzigartigkeit von MINE ist beeindruckend und schon in den ersten Sekunden von ihrem vierten Album “Hinüber” wird sie einem sofort wieder bewusst. Diese ganz besondere Vorgehensweise und das scheinbar lockere Jonglieren mit Pop und kreativ forderndem Anspruch – das alles ist nicht immer leicht verdaulich, aber dafür umso nachhaltiger. Natürlich wird immer davon gesprochen, dass Musiker*innen den Gesang wie ein Instrument einsetzen, aber wenigen gelingt das so präzise wie MINE. Genau wie der Albumtitel “Hinüber”, der natürlich vielseitig interpretierbar ist, weisen auch die Songs von MINE immer mehrere Ebenen auf.

Wir sind hinüber

“Hinüber” ist ein musikalisches Kaleidoskop und der einzige verlässliche Kompass ist MINEs prägnante Stimme. Auf den kühlen Club-Brecher “KDMH” folgt ganz selbstverständlich das herzergreifende und schon fast dramatische “Mein Herz”. Ganz natürlich grätscht die Künstlerin damit mühelos zwischen mindestens zwei Genres, als ob es ein Leichtes wäre. Kein Wunder, dass MINE eine gefragte Feature-Partnerin ist. Die musikalische Untermalung zum Intro “Mein Herz” wirkt wie ein leergefegter Jahrmarkt, bei dem die Lichter ausgegangen sind. Gerade wurde hier noch gejohlt und nun folgt schlagartig die melancholische Ernüchterung. MINE gelingt es nicht nur Bilder aufzubauen, sondern auch Emotionen zu triggern.

Man muss weder verlassen worden, noch akut traurig sein, um es für die Dauer von diesem Song ganz aufrichtig zu werden. Irgendwo findet sich immer noch etwas (verborgener) Restschmerz, den man einbringen kann. Mit “Tier” funktioniert das ähnlich, Peter Plate hätte den Songs nicht besser arrangieren können, allerdings schwingt bei MINE immer noch etwas Orchestrales und somit eine ganz besondere Souveränität mit. Auch hier baut MINE eine Geschichte auf, die erst eindeutig scheint, man glaubt den Adressaten ganz genau zu kennen – und wird dann doch kurz vor Schluss noch einmal komplett in eine andere Richtung gelenkt.

Vielseitig inspiriert, musikalisch und inhaltlich

Man merkt auch deutlich, dass MINE nicht nur mit ihren Gedanken sehr flexibel, sondern auch musikalisch von vielen Seiten inspiriert ist. “Audiot (feat. DEXTER, CRACK IGNAZ)” schwenkt irgendwo zwischen COMEDIAN HARMONISTS und alten Boygroup-Rhythmen. CRACK IGNAZ macht den Song perfekt und während sich der Beat so auffächert, dass man sich auf der Stelle mit Alice im neonbunten Wunderland wähnt, liefert der österreichische Rapper eine Spoken-Word-Passage ab, die Gänsehaut erzeugt. Gekrönt wird der eh schon angenehm verrückte Song dann noch mit ein lässig-luftigen Drumbeat am Ende. Wow, das passt in der Theorie null zusammen, klingt aber in der Praxis grandios. Um die Stimmung gleich herunterzukühlen – und wohl auch die Hörer*innen nicht zu überfordern – folgt eine tanzbare Liebesode an geschmeidige “Eiscreme”, oder Menschen, die dem Vergnügen ähnlich kommen.

Die Welt ist ein Unfall

Wie charmant MINE ihre konkreten Botschaften verpackt, ist immer wieder herrlich zu hören. “Elefant” kommt zuckersüß, schon fast harmlos – und mit Sicherheit auch leicht musikalisch zu einem Kindersong transferierbar – und ist doch in der Kernaussage schonungslos ehrlich. Es gibt wirklich viel zu entdecken auf “Hinüber” von MINE und man braucht mehrere Anläufe, um einen Großteil aller Ebenen zu entdecken und zu checken (“Tier”). Man mag auf den ersten Blick nicht direkt die Brücke zu dem Schaffen der Humpe-Schwestern schließen, aber “Lambadaimlimbo (ft. José)” ist zweifelsohne eine moderne Interpretation von “Monotonie”. Das schon bekannte “Unfall”, pompös arrangiert mit einem dreifach besetzen Streicherquartett plus Cello, schließt das Album “Hinüber” ab. Dazu gab MINE schon Anfang des Jahres Text und Noten an geneigte Fans weiter, noch bevor sie ihre eigene Version preisgab. Das war die Chance sich musikalisch zu betätigen, aber vor allem auch die Möglichkeit, sich mit den darin gestellten, stark philosophischen Fragen auseinanderzusetzen. Als Inspiration dient auch das grandiose Video dazu.

Und wieder legt MINE die Latte für deutschen Pop ein Stückchen höher. Man muss kein Nostradamus sein, um vorherzusagen, dass MINE den großen Wurf, der sie deutschlandweit bekannt macht, auf jeden Fall bringen wird.

Dauer: 33:14
Label: Caroline Records
VÖ: 30.04.2021

Tracklist “Hinüber” von MINE
Hinüber
Bitte Bleib
KDMH
Mein Herz
Audiot (feat. DEXTER, CRACK IGNAZ)
Eiscreme
Lambadimlimbo feat. José
Elefant
Tier
Unfall

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