Die Schule am Meer Sandra Luepkes

Sandra Lüpkes – Die Schule am Meer – Review

Die Autorin, Sängerin und Redakteurin Sandra Lüpkes liefert mit ihrem Roman „Die Schule am Meer“ einen wichtigen Nachtrag. Die Geschichte, eine Mischung aus Tatsachen und fiktiven Inhalten, spielt auf der Insel Juist und beginnt 1925, als die „Schule am Meer“ gegründet wurde. Sie sollte von den bis dato geltenden Unterrichtsmethoden abweichen und die SchülerInnen auch künstlerisch fördern. Es war die erste Schule, in der ein Schultheater und somit eine Möglichkeit für Bewegungsspiel und Darstellendes Spiel angeboten wurde.

Dem Schulleiter Martin Luserke, von allen nur Lu genannt, rechnet man tatsächlich die Wegbereitung für die Erlebnispädagogik an. Bisher stand er, gemeinsam mit dem ebenfalls dort engagierten Musiker Eduard Zuckmayer, im Zentrum der Erinnerung. Sandra Lüpkes Recherche führte sie aber auch zum jüdischen Ehepaar Reiners, beide brachte sich emotional und auch finanziell stark ein. Beide hatten den Traum, die Schule zu etwas Besonderem zu machen und siedelten deshalb mit ihren drei Kindern auf Juist um.

Die Kreise werden enger

Nun muss man kein Geschichtslehrer sein, um zu ahnen, dass wir in einer Zeit starten, in der die Nazis ihre Kreise immer enger zogen, nur um ein gutes Jahrzehnt später für eine viel zu lange Zeit mit ihre menschenverachtende Ideologie durchzusetzen. Von Kapitel zu Kapitel steigt also nicht nur das Unverständnis der Inselbewohner im Hinblick auf die ungewöhnlichen, deutlich freieren Erziehungsmaßnahmen in der Schule am Meer, sondern auch der Druck auf die jüdischen SchülerInnen und Lehrkräfte. Die Rolle Luserskes ist bis heute auf beiden Seiten umstritten, pädagogisch und auch moralisch.

Spannende Mischung aus Fantasie und Realität

Es hilft, wenn man als LeserIn die wunderschöne Insel schon besucht hat. Dann kann man viel mit den Ortsbeschreibungen anfangen und sich darüber freuen, dass der Naturwissenschaftler und Pädagoge Otto Leege, dessen Pfad man heute genießen kann, im Roman lebendig und munter ist. Die Hammerbucht, der Hafen, der Kurplatz und bestimmte Hotels, haben sich in den letzten Jahrzehnten auch nur bedingt optisch verändert. Entsprechend der damaligen Zeit hadern die Hauptpersonen mit Konventionen, schützen sich mit Lügen und akzeptieren gesellschaftliche Fesseln.

Gemeinschaft trifft auf Ausgrenzung

Aufgrund eines glücklichen Umstandes, gibt es sogar einige Bilder aus der damaligen Zeit von den Schule und ihren Bewohnern. Das und die detaillierte und emotional sehr feine Sprache von Sandra Lüpkes, machen „Die Schule am Meer“ zu einem tollen Leseerlebnis. Freude, Wut, Trauer und Wissensvermittlung über die Insel wechseln sich ständig ab, keine Seite überwiegt und Lüpkes bleibt angenehm neutral. Das Buch ist empfehlenswert für Pädagogen und Pädagoginnen, Freunde der Insel Juist und alle, die mehr über über die Stimmung vor der Nazi-Zeit wissen möchten.

Seiten: 576
Verlag: Kindler Verlag
ISBN-10: 3463407221
ISBN-13: 978-3463407227
VÖ: 10.03. 2020

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