Lest die Review zu "Fräulein Gold: Die Rote Insel" von Anne Stern bei krachfink.de

Anne Stern – Fräulein Gold: Die Rote Insel (Band 5) – Review

Schon alleine die Tatsache, dass die Berliner Autorin mit “Fräulein Gold: Die Rote Insel” innerhalb von zwei Jahren bereits den fünften Band aus der Sage über die Hebamme Hulda Gold vorlegt, zeigt… sie brennt für die Geschichte. Nüchtern betrachtet sind das alles, zusammenhängende Romane, die sich mit der Weiterentwicklung der Hauptperson und ihrem Umfeld befassen. Mittlerweile ist aus der einst etwas naiven, wenn auch immer engagierten, Frau eine selbstbewusste Person geworden, die sogar bald die Verantwortung für ein Kind tragen wird.

Genauer betrachtet flankiert Anne Stern, immer nah am tatsächlichen, politischen und popkulturellen Deutschlands der damaligen Zeit, auch die feministischen Aktionen und die Rolle der Frau im Wandel. Dass es dabei nicht immer nur aufwärts, sondern eigentlich immer einen Schritt nach vorne und dann zwei zurückging, ist nicht Neues.

Angst vor der Zukunft

Als schwanger und somit für ihren Beruf als Hebamme im Krankenhaus als nicht angemessen gebrandmarkt, zieht Hulda Gold in “Fräulein Gold: Die Rote Insel” eben genau in den so benannten Stadtteil Berlin. Dort hilft sie der Ärztin Grete und auch wenn ihr die Arbeit Spaß macht, so richtig kommt sie im Viertel nicht an. Noch dazu verhält sich ihre Arbeitgeberin seltsam, was mit ihrem Freund, dem Kommunisten Theo, zusammenzuhängen scheint. Generell spalten sich die Lager in Deutschland, die Roten und die Nazis bekämpfen sich, und zwar nicht zimperlich. Man misstraut sich und steht sich skeptisch gegenüber. Wer hat die Lösung für ein besseres Deutschland wer übernimmt das Ruder? Nicht nur das bringt Hulda Kummer, denn sie sorgt sich ebenfalls um ihr Ungeborenes und die Zukunft. Wovon soll sie leben, wird sie wieder in ihren Beruf zurückkehren können?

Der Ton wird rauer

Es sind die Zwischentöne, die “Fräulein Gold: Die Rote Insel” von Anne Stern – und auch die komplette Reihe – so besonders machen. Trotz aller Emanzipation gibt es auch heute noch Frauen, die halbherzig oder sogar widerwillig Beziehungen eingehen, um abgesichert zu sein und weil sie keinen anderen Ausweg wissen. Doch Hulda hält immer an ihrem Gefühl der Liebe fest, das regt sich seltsamerweise immer, wenn sie den düsteren Karl North trifft. Dabei ist die Romanze zwischen ihr und dem Ex-Kommissar doch längst vorbei und war noch dazu eher kompliziert, als angenehm. Die Wege der beiden kreuzen sich, denn Gretes seltsame Machenschaften führen auch zu der Spur, die Karl für seinen kriminellen Vater verfolgt.

Noch näher an den Figuren

Der fünfte Band der Reihe ist in der Breite ereignisarmer, als die bisherigen und dafür in der Tiefe stärker. Wir kommen den Figuren näher, dürfen noch mehr an ihren Gedanken teilhaben und können sie besser verstehen. Der Zeitungsverkäufer Bert kommt etwas zu kurz, aber auch bei seiner Geschichte deutet sich eine Richtung an, ebenso wie bei Familie Winter, die höchstwahrscheinlich den Weg rechts beibehalten wird. Und noch immer schwingt die Angst mit, was mit der Jüdin Hulda geschehen wird. Wird sie jemand beschützen, was wird aus ihrem Kind, wohin verschlägt es sie? Der Ton ist rauer geworden in “Fräulein Gold: Die Rote Insel”, die Anfeindungen offensiver und man kann es kaum erwarten, was Anne Stern als nächstes zu erzählen hat.

Hier findet ihr das Interview, das ich mit Anne Stern im November 2021 geführt habe.

Seiten: 432
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3499009161
ISBN-13: 978-3499009167
VÖ: 15.11.2022

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