
Waslat Hasrat-Nazimi – Rausländer – unsere Koffer sind gepackt: Die katastrophalen Folgen von Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung – Review
Die Journalistin und Moderatorin Waslat Hasrat-Nazimi leitet die Afghanistan-Redaktion der Deutschen Welle, und ihr Buch „Rausländer“ ist mitnichten so plakativ wie der Titel. In logisch strukturierter Abfolge beschreibt sie äußerst aktuell – unter Inbezugnahme der aktuellen Ereignisse der letzten Wochen – den Status Quo der öffentlichen Debatte. Sie legt die Wechselwirkungen zwischen Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus dar und macht sich die Mühe, sich die Bereiche Job, Bildung und Wohnungssuche genau anzuschauen, aber auch den sogenannten Alltagsrassismus und die handfeste Gewalt zu beschreiben, der in den letzten Jahren nicht weniger, sondern lauter und mehr geworden ist.
Die Probleme häufen sich
Waslat Hasrat-Nazimi macht es sich mit „Rausländer“ durchaus nicht einfach; sie beschreibt nicht schlichtweg ihre Erfahrungen, sondern versucht, möglichst viele Perspektiven und unterschiedliche vermeintliche Lösungswege zu beschreiben. Die reichen von hierbleiben und sich, auch aus Solidarität mit denen, die nicht wegkönnen, einbringen über Auswandern und Deutschland den Rücken kehren bis hin zu Deutschland aus finanziellen oder emotionalen Gründen nicht verlassen können oder wollen.
Ihre Kritik richtet sich zwar überwiegend an die AfD, allerdings auch gegen aktuelle Positionierungen der SPD, CDU und auch die der Grünen bspw. Robert Habeck. Das mag fair sein, zeigt aber auch, dass das Problem schon lange nicht mehr auf eine Seite zu packen ist und sich Sichtweisen sowie ein gewisser Sprech etabliert haben, der vor einigen Jahren noch undenkbar war.
Faktor Mensch wurde nicht berücksichtigt
Dass die in „Rausländer“ beschriebenen Tatsachen nicht erst in den letzten Jahren auf den Plan gerufen wurden, verdeutlicht Waslat Hasrat-Nazimi ebenso anschaulich. Schon unter Helmut Kohl stand fest, dass Deutschland auf Biegen und Brechen kein Einwanderungsland sein sollte. Stattdessen wurde das Synonym des Gastarbeiters eingeführt, was unterm Strich bedeutete, dass Menschen hier in lieblosen Behausungen für wenig Lohn die deutsche Wirtschaft unterstützen und dann wieder nach Hause fahren sollten. Integration im eigentlichen Sinne fand nicht statt, doch die Menschen verwurzelten trotzdem hier, und selbst wenn sie sich nicht willkommen fühlten, ankerten sie hier.
Die Situation scheint festgefahren
Allerdings schwankt Waslat Hasrat-Nazimi in „Rausländer“ auch je nach Passung ihre Sichtweisen und stellt Thesen auf, die in der Praxis schwer umsetzbar wären. Sie beschreibt die unzureichenden Betreuungsmöglichkeiten von ausländischen Kindergartenkindern, die doch am besten unter anderen Kindern die deutsche Sprache lernen würden. Dabei übersieht sie, dass sowieso schon überforderte Erzieher und Erzieherinnen die Belastung in den unterbesetzten Einrichtungen tragen müssen. Interessant sind auch die Mechanismen der Radikalisierung, die sie wiederum in Zusammenhang mit der vorherigen Ausgrenzung bringt.
Das Buch stellt vieles klar, ordnet einiges und bringt Logik in den Verlauf. Unterm Strich manifestiert „Rausländer“ aber erst einmal, wie festgefahren die Situation ist und wie lange wir schon auf diesen Punkt zugesteuert haben.
Seiten: 272
Verlag: Rowohlt
ISBN-10: 3499016893
ISBN-13: 978-3499016899
VÖ: 15.04.2024
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