Zeal & Ardor – Zeal & Ardor – Review
Es war schon zu erwarten, dass „Zeal & Ardor“, das dritte Album der Schweizer Avantgarde-Metalband ZEAL & ARDOR, gut werden wird. Wenn einer wie Manuel Gagneux grenzüberschreitend sagt, dann meint er das auch so. Er sagt nicht nur, dass er nicht in Genres denkt, er tut es tatsächlich nicht. Und noch dazu gelingt es ihm, die einzelnen Fragmente dann nicht nur zu einem ansehbaren Flickenteppich zu arrangieren, er lässt sie tatsächlich so ineinanderlaufen, dass sie sich zu etwas Neuem verbinden können.
Man könnte schon alleine über die Auswahl der Riffs auf „Zeal & Ardor“ philosophieren, das ist nicht nur Black Metal. Kühle Industrialinszenierung, frei fliegende Post-Rock-Momente, erdigen Blues, Alternative und all das transferiert auf oder angrenzend an Black Metal. Es ist eine Sache, ob man sich innovative, harte Musik wünscht. Und eine andere, ob man dann mit LITURGYs „The Ark Work“ oder IMPERIAL TRIUMPHANT klarkommt. Die Musik von ZEAL & ARDOR ist deutlich mehr, als Soul trifft auf Black Metal. Und trotz aller Sperrigkeit, gelingt es ihm nachhaltig zu komponieren.
Where is your fucking god?
ZEAL & ARDOR spinnen die Geschichte, in der die Sklaven mit dem Teufel einen Pakt schmieden, weiter. Das Artwork zeigt Baphomets Hände, die einmal nach unten und einmal nach oben deuten. Das Artwork wird auf dem Merch der Band in zwei Varianten, schwarz und weiß, angeboten. Was ist böse, was ist gut? Satanismus als Förderer des Egos, was positiv und negativ zu bewerten ist. Letztendlich hängt es davon ab, welche Perspektive man einnimmt. Die Grenzen sind also da, aber nicht eindeutig definiert und manchmal nur dazu gemacht, um sie zu übertreten.
Bei „Zeal & Ardor“ wird nun klar, dass die Band mit den vorherigen Veröffentlichungen (unbewusst oder bewusst) die Weichen gestellt hat. „Emersion“ wäre nicht ohne Vorwarnung möglich gewesen, hätte zu viele Hörerinnen und Hörer verschreckt. Jetzt sind die Ohren offen für den Clash von harmonischen Synthies und dem Doublebass-Rendezvous von Snare und Bass Drum. Der Aufhänger mag fiktiv sein, das Grauen ist wahr und die Texte sind voll mit Metaphern von realen Begegnungen und Erlebnissen.
Bilder im Kopf und magische Momente
Man hört dem Album deutlich an, das es kleinteilig betrachtet und optimiert wurde. Wenn Gagneux uns in „Golden Liar“ ganz nahe kommt und das Western-Epos nicht nur stetig anschwillt, sondern noch dazu mit ungewöhnlichen Sounddetails angereichert wird, entstehen tatsächlich starke Bilder im Kopfkino. Es ist nicht verwunderlich, dass der bilinguale Musiker Manuel Gagneux auch ein gutes Händchen für Phonetik hat.
In „Götterdämmerung“, die letzte Schlacht der Menschen und Götter, beziehen die Gitarren Stellung und Gagneux liefert eine seiner besten Gesangsperformances ab. Wo Jonathan Davis von KORN maximal zwei Alter Egos in den Kampf schickt, lässt er gleich mehrere Charaktere vor Wut schäumend aufeinanderprallen. Ein Chor besingt den Untergang von der Seite und man gewinnt wirklich den Eindruck, dass nun alles, für immer in den Abgrund stürzt.
Das daran anschließende „Hold Your Head Low“ ist auch sehr stark inszeniert, man kennt es schon von der London-Liveplatte aus 2019. Den größten Schrecken jagen uns ZEAL & ARDOR hier nicht mit den Attacken, die den Blues niederringen, ein. Es ist dieser Moment, wenn Gagneux in den niemals enden wollenden Loop „Hold your head low, shame on, you fool“ ausbremst… In solchen Momenten stößt die Band Türen auf, die dahin führen, wo Musik magisch wird.
Ein Meisterwerk
Funfakt: Gemischt und gemastert hat Will Putney im Graphic Nature Audio, vor Kurzem sprach ich mit Patrick Sheridan von FIT FOR AN AUTOPSY darüber, dass sein Bandkollege aus meiner Sicht in den letzten Jahren einige wegweisende Alben produziert hat. Seine Präzision und sein Gespür für das Ineinandermünden von Härte und Harmonien macht den Klang dieser Platte zusätzlich besonders. Es ist ZEAL & ARDOR hoch anzurechnen, dass sie ihren Weg zwar beibehalten, sich aber rechts und links neue Pfade eröffnen.
Es wäre leicht gewesen, die etablierte Formel einfach weiterzuführen. So schenkt die Band uns einen Sack voll Ideen, den man schon bei erstem Durchlauf zu schätzen weiß. Aber das Beste daran ist, dass es an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken gibt. Eine ungewöhnliche Kombination, das rigorose Ping-Pong in „Erase“, wenn „J-M-B-“ auch gut auf die letzte TURNSTILE gepasst hätte oder vermeintliche Störmomente, die sich verpuppen und von der Raupe zum Schmetterling werden. „Zeal & Ardor“ von ZEAL & ARDOR ist ein Meisterwerk und eines dieser kostbaren Alben, nach denen man Musik etwas besser versteht.
Tracklist „Zeal & Ardor“ von ZEAL & ARDOR
Zeal & Ardor
Run
Death to the Holy
Emersion
Golden Liar
Erase
Bow
Feed the Machine
I Caught You
Church Burns
Götterdämmerung
Hold Your Head Low
J-M-B
A-H-I-L
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