Bring Me The Horizon – Sempiternal – Review
Es gibt definitive eine Zeitrechnung vor und nach „Sempiternal“ von BRING ME THE HORIZON. Während man davor noch denken konnte, dass die britische Deathcoreband eher optisch orientiert ist und nach einer Handvoll guter Songideen über kurz oder lang wieder von der Bildfläche verschwinden würde, hat sich nach ihrem vierten Album alles für immer geändert. Ausgehend von einem Genre, dem man keine Nachhaltigkeit und schon gar keine Chartrelevanz zugesteht und mit einem Fronter wie Oli Sykes, der häufig aus unterschiedlichen Gründen starker Kritik ausgesetzt war und weiterhin ist, gelang der Band schlichtweg ein Meisterwerk.
Inhaltlich und musikalisch ist „Sempiternal“ zweifelsohne perfekt, auch heute taugt es noch dazu, um Musikfans zu begeistern. Der eigentliche Clou daran ist, dass es eigentlich fast egal ist, mit welchen Vorlieben man sich dem Album nähert. Ohne beliebig zu sein, ist hier tatsächlich für alle etwas zu finden.
Wir hängen da alle zusammen drin
„Sempiternal“ ist ein Begriff aus der Esoterik, für die heilige Geometrie des Universums. Ein Zeichen dafür, dass alles in Schwingung ist und wir somit mit unseren Emotionen, Hormonen und auch als Menschheit in unsichtbarer Verbindung und Abhängigkeit stehen. BRING ME THE HORIZON haben das entsprechende Logo auch auf dem Artwork aufgegriffen. „Can You Feel My Heart“ , der Titel des Openers, ist auch eine stark philosophische Frage.
Begleitet von einer Mischung aus Alarm und Herztakt beschreibt Sykes weitere Dinge, die unmissverständlich existieren und zerbrechen können, aber nicht greifbar sind. Ultrabreite Synthieflächen unterstützen nicht nur die Relevanz dieser Tatsache, ganz nebenbei stützen sie sich gegen den starken Gesang und sorgen für einen angemessen, dramatischen Auftakt. „I can’t drown my demons, they know how to swim…“, mit dieser prägnanten Zeile macht sich Sykes nicht nur selbst nackig, er bringt auch die Hilflosigkeit auf den Punkt und führt Tipps wie „Reiß dich doch einfach mal zusammen“ oder „du bist immer so sensibel“ ad absurdum.
Pop im eigentlichen Sinne
Schon mit dem nächsten Song „The House Of Wolves“ scheinen BRING ME THE HORIZON zu ihren angestammten Deathcore-Wurzeln zurückzukehren. Aber weit gefehlt, denn wenn man Pop als Eingängigkeit versteht, dann ist das eindeutig ein Pop-Song. Selbst das Gitarrenspiel von Lee Malia ist poppig und gleichzeitig so hart und brachial, wie von einem LKW angefahren zu werden. Man hätte meinen können, dass der Clash von Synthie, Metal, Pop und Core von da an am laufenden Band produziert wird. So einfach scheint es aber dann doch nicht zu sein, denn nach einer Platte, die „Sempiternal“ produktionstechnisch, inhaltlich und im Hinblick auf die Präzision das Wasser reichen kann, muss man bis heute lange suchen.
Das liegt mit Sicherheit auch am Einfluss von Jordan Fish (Ex-WORSHIP), der bis dato lediglich als Studiomusiker für BRING ME THE HORIZON tätig war und seitdem fest an Bord ist. Alleine den Text von „Empire (Let Them Sing) “ kann man sich getrost für die Ewigkeit tätowieren lassen, dass Sykes bis dahin zu guten Inhalten fähig war, war kein Geheimnis. Aber dieses Niveau hatte man ihm dann doch nicht zugetraut. Mit „Sleepwalking“, der ersten Ballade, die wirklich die beiden Gegenspieler sanft und grob bis zum Maximum ausreizt, haben BRING ME THE HORIZON einen weiteren Maßstab gesetzt.
Schlafwandel als ein Lebensgefühl zu nutzen ist die eine Sache und liegt nah, aber der komplette Text ist reine Poesie. Und dadurch, dass Sykes eben nicht sanft singt, sondern die damit verbundene Angst laut und offensiv in die Welt schreit, hat der Song eine extrem packende Wirkung.
„You think you’re changing anything? Question everything“
Mit „Go to Hell, for Heaven’s Sake“ hebeln BRING ME THE HORIZON die Angst vor dem Versagen aus, diesen unbeschreibliche Zwang, den uns Gesellschaft und Religionen aufdrücken und unter denen wir alle in unterschiedlichem Ausmaß leiden. Die Band bringt es auf den Punkt mit: „You’re not a shepherd, you’re just a sheep. A combined effort of everyone you meet“! Auch das folgende „Shaow Moses“ wäre ohne Jordan Fish niemals das Hitmonster geworden, das es ist. Die Gangshouts sind so treffend und ausdrucksstark, dass sie schon wenige Tage der Veröffentlichung vom Publikum euphorisch gebrüllt wurden. Der Wechsel aus druckvollen, ja fast schon erdrückenden, Momenten und den sanften Einschüben lässt die Komposition atmen, gibt ihr ein starkes Eigenleben.
Kein Himmel, keine Hölle, aber Leben
Das unsere Mittelfinger anstachelnde „Antivist“ wirkt wie ein Überbleibsel aus alten Songwritingsessions, eindeutig Deathcore und nur ein wenig für „Sempiternal“ in Form geschliffen. Trotzdem ein Highlight und auch wieder mit einer starken Botschaft versehen. Wenn du wirklich daran glaubst, was du predigst, dann mach doch verdammt nochmals etwas. Und auch hier gibt es wieder Sätze, die richtiggehend weh tun, weil sie so verdammt wahr sind: „We live our lives like we’re ready to die…“.
„Sempiternal“ von BRING ME THE HORIZON ist ein Album, das man auf jeden Fall kennen muss. Es war der Startschuss für die Befreiung Sykes aus seiner Drogensucht und einer bis heute anhaltenden Kreativphase, bei der kreativ nicht nur eine Floskel und Mut nicht nur ein Wunsch ist. Von dieser Band dürfen wir noch sehr viel erwarten.
Dauer: 53:45
Label: Sony
VÖ: 29.03.2013
Tracklist „Sempiternal“ von BRING ME THE HORIZON
Can You Feel My Heart
The House of Wolves
Empire (Let Them Sing)
Sleepwalking
Go to Hell, for Heaven’s Sake
Shadow Moses
And the Snakes Start to Sing
Seen It All Before
Antivist
Crooked Young
Hospital for Souls
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