Fatoni – Andorra – Review
Der Rapper FATONI widmet sich auf seinem vierten Album „Andorra“ einem sozialpsychologisches Phänomen. Der Andorra-Effekt befasst sich mit der Tatsache, dass Menschen sich immer an der Masse und Fremdeinschätzungen orientieren und als Herdentier auch zeitweise Meinungen oder Verhaltensweisen übernehmen, die sie eigentlich nicht wirklich vertreten und eventuell sogar für falsch halten. Abgesehen davon, dass DEXTER wieder für die Beats verantwortlich ist, hat sich FATONI mit CASPER einen der üblichen Verdächtigen und mit Dirk von Lowtzow (TOCOTRONIC) einen Hip-Hop-Rookie als Feature mit ins Boot geholt.
Beats mit brain
„Andorra“ ist mit Sicherheit die persönlichste Platte von FATONI. Dass er mit sich hadert, uns häufig von seinem vermeintlichen Scheitern erzählt und vehement das Gegenteil eines toughen Rappers mit dicker Hose repräsentiert, war von jeher seine Stärke. Leistungsdruck (selbstgemacht oder von außen), Digitalisierung und Antriebslosigkeit sind die Gegner, die FATONI für seine Situation verantwortlich macht. Manche Songs widmet er sogar dem gleichen Thema. Einige Konflikte arbeitet er smart und detailliert aus, andere behandelt er nur flach, was aber auch nicht immer schlecht ist. Auch mit Kritik von Anderen, insbesondere der Rapszene, hält er nicht vor dem Berg. Die ersten sechs Songs von „Andorra“ sind durchweg sehr gut, der Hörer erhält hier eigentlich den perfekten Querschnitt. Alle nachfolgenden Songs sind nur eigentlich nur mehr oder weniger Variationen der ersten sechs.
Immer ein Stückchen weiter raus
Vergleicht man „Andorra“ mit FATONIs erstem Erfolgsalbum „Yo, Picasso“ und der EP „C’Mon“, zeigt sich allerdings eine bemerkenswerte Stilerweiterung. Ein Ausloten der Grenzen, dass sich Anton nur leisten kann, da er sowieso noch nie ein typischer Rapper war. Wenn er in „Digitales Leben“ und „Krieg ich alles nicht hin“ dann relativ überzeugend die Klampfe, Bläser und den Heimsound auspackt, wirkt das also nicht wirklich befremdlich oder überraschend. Scheitern funktioniert auch ohne dicke Beats. Allerdings zitiert FATONI damit aber auch einfach nur eine längst vergessene Zeit und es gibt eben schon zig Bands, die vor dreißig Jahren so musiziert haben und noch heute aktiv sind.
Heute und gestern sind eins
Besonders dankbar bin ich für den sparsamen Einsatz von Autotune. Leider ein Trend, auf den meine Ohren allergisch reagieren. „Andorra“ lässt sich gut am Stück hören, hat keine wirklichen Längen, besteht aber auch nicht nur aus Hits. Die zweite Hälfte fällt inhaltlich etwas ab und man bekommt den Eindruck, dass FATONI sich wiederholt. Das bewusst träge und mollige „Alles cool“ behandelt ein Thema, das man von FETTES BROT vor drölfhundert Jahren eben schon mindestens genauso gut gehört hat, typischer Skipsong also. Dynamik erzeugt er wieder durch kleinteilige Kommentare zu seinen eigenen Reimen. Ein wichtiger Kniff, der Songs wie „Nein nein nein nein nein nein“ und „Die Anderen“ auf jeden Fall sublimiert. Mit „Mitch“ zieht er sich dann doch am Schopf selbst aus dem Dreck, ein geschmeidiges Lied mit einer simplen, aber effektiven, Klaviermelodie. Unterm Strich kann man festhalten, dass FATONI noch immer nicht cool ist und genau deshalb machen mir seine Alben so viel Spaß. Mit dem Kopf scheint FATONI noch in den Neunzigerjahren zu hängen, erzählt aber von den Problemen, die man heutzutage so hat. Ich mag diesen Kontrast.
Für Leute, die…
gerne beim Scheitern mit dem Kopf wippen.
Tracklist „Andorra“ von FATONI
Alles zieht vorbei (feat. Dirk von Lowtzow)
Die Anderen
Clint Eastwood
D.I.E.T.E.R.
Burj Khalifa (feat. Casper)
Digitales Leben
Nein nein nein nein nein nein
Alles cool
Krieg ich alles nicht hin
Ich glaube, mit mir stimmt was nicht
Mitch
Wie Du
OK OK OK
Dauer: 43:17
Label: URBAN
VÖ: 07.06.2019
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