Freindz – High Times In Babylon – Review
Was tun, wenn alles still steht und man als Künstler lahmgelegt wird? Aydo Abay (u.a. Ex-BLACKMAIL, ABAY), Matthias Sänger (u.a. ALBERT LUXUS) und Thomas Götz (BEATSTEAKS) entscheiden sich dafür die Band FREINDZ zu gründen und das Album „High Times In Babylon“ aufzunehmen. Auf Distanz versteht sich.
Das hört man dem Ergebnis allerdings überhaupt nicht an, in erster Linie besticht es sogar durch die Dichte und die kleinteilige Verzahnung der einzelnen Komponenten. “Please carry me home“ singt Abay im Opener „Prepper Spray“, daraufhin setzt eine Orgel zu einer Tönespirale an, die eigentlich für mehr Orientierungslosigkeit sorgt. Die Gitarren zerschneiden grob, den sanft nach vorne treiben Schlagzeugbeat und trotzdem wirkt der Opener „Prepper Spray“ irgendwie öffnend, verbreitert irgendetwas.
Doppelte Portion
Nicht erst ab dem leichtfüßigen Song “ Wish I Was Made In England“ kommt einem der Gedanke, dass FREINDZ eine britische Schlagseite hat. Das bleibt allerdings nicht aus, wenn man Indie auf hohem Niveau machen möchte. Im Video der digitalen Vernissage, die gestern im Netz zu sehen war und unten verlinkt ist, sieht man Aydo und Matthias als Touristen durch London stapfen. In diesem Song fällt besonders stark auf, wie ungewöhnlich Abay seinen Gesang auf den Kompositionen aufsetzt. Einerseits flankiert er die Musik natürlich passgenau, aber grundsätzlich kann man seine Gesangsspuren immer extrahieren und damit auch einen komplett neuen Song stricken.
Das ist wohl der Freigeist in ihm, der zwar teamfähig ist, aber trotzdem den Anspruch an Einzigartigkeit hat. Anspruchsvoll sind auch die vielen kleinen Details, die „High Times In Babylon“ schmücken. Verdammte Hacke ist das kleinteilig und dabei so verdammt wenig aufdringlich. Wenn man sich mit offenem Geist und Ohr an die Songs macht, hört man Synthiebögen, Percussionquickies, Flötenekstase, getupftes Klavier und andere, teils außergewöhnliche Details, deren Ursprung gar nicht auf Anhieb zu erkennen ist („King Of The Hopper“). Schon alleine darauf zu achten, kalibriert zwangsläufig die Sinne und die daraus freundlich provozierte Aufmerksamkeit, hat einen enormen Entspannungsfaktor.
Dieses Album will auch was von Dir
Ein großes Plus von „High Times In Babylon“ von FREINDZ ist also auch die aus dieser Vielfalt resultierende Atmosphäre, die man aber nicht erfassen kann, wenn man die Musik an sich vorbeihasten lässt. „Dopine“ startet schon fast schaurig, die Orgeltöne scheinen sich im Ohr in 3D zu drehen, erst Abays Gesang bietet einen schützenden Anker. Vollkommen gefasst beschreibt er seine innere Ernüchterung, die mit voranschreitendem Leben nicht ausbleibt. „My green is blue, and yours is red“ singt er und anfangs suhlt sich der Song auch noch in dieser Melancholie, beschreibt die absolute Resignation und Hoffnungslosigkeit, vollkommen ohne Bitterkeit.
Nach und nach schlagen FREINDZ aber bestimmt den Harmoniebogen auf und holen zum Befreiungsschlag aus. Alleine dieser Song ist ein Beispiel dafür, dass die Band bildlich komponiert und Text mit Musik immer Hand in Hand geht. „High Times In Babylon“ hat sicherlich viele unkonventionelle Widerhaken, aber es umschwärmt den Kopf viel eher und ist in keiner Sekunde augenfällig.
Man muss sich mit FREINDZ auseinandersetzen und die Tiefe erkennen wollen. Für alle anderen gibt es genug andere Bands, die auf Drei zum Klatschen animieren oder einen vorgegebenen Oho-Chor im Repertoire haben. Die letzten Töne vom Finale „A Reptile For The Faint“ wirken schon fast sakral und auch nicht eindeutig endlich. Man gewinnt den Eindruck, dass FREINDZ uns wieder am Anfang der Platte absetzen. Man merkt erst dann, dass es bis hierhin eine ganz schön intensive (Hör-)Reise war.
Dauer: 45:42
Label: IME Records
VÖ: 30.07.2021
Tracklist „High Times In Babylon“ von FREINDZ
Prepper Spray
LIT
Wish I Was Made In England
Dopine
High Times in Babylon
Clickbait Heart
Panasonic Rolemodel
King Of The Hopper
Demon Lol
A Reptile For The Faint
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