Interview mit Implore zum Album “Alienated Despair”
IMPLORE haben mit “Alienated Despair” ein starkes Album vorlegt, das ausgewogen intelligent und auch mal stumpf mit dem Hackebeil in die Wunde drischt. Inhaltlich lässt sich die Band auf keine Kompromisse ein und widmet sich den wirklich wichtigen Themen. Wir sprachen mit Bassist Carol, Drummer Markus, Sänger Gabbo und Gitarrist Eduard ausführlich über das mittlerweile dritte Album, der in der ganzen Welt verstreuten Grindcore-Death-Band.
Wie schafft ihr es, über so lange Distanzen gemeinsam Songs für IMPLORE zu entwickeln?
Carol: Also die Distanzen haben sich in letzter Zeit stark verringert. Gabbo, Markus und ich wohnen gemeinsam in einer WG in Linz in Österreich und Petro ist die meiste Zeit in Stuttgart oder auch in Linz. Für dieses Album hat eher jeder für sich an Ideen für Songs gearbeitet und wir haben die dann gemeinsam im Proberaum ausgearbeitet und vervollständigt. Wir arbeiten aber auch jetzt nebenbei schon wieder an neuem Material, also Distanz ist hier sicherlich kein Grund zum Nachlassen.
Euer neues Album “Alienated Despair” nimmt direkt Bezug auf politische Schieflagen und da ihr viel herumkommt, sind eure Themen global. Über welche Quellen informiert ihr euch darüber, was in der Welt geschieht?
Carol: Da wir viel herumkommen beschäftigen wir uns zwangsläufig auch mit den Gegebenheiten und Situationen in den jeweiligen Ländern. Wir sprechen mit den Menschen dort und bekommen natürlich auch einiges mit, dass andere, die nur zu Hause herumsitzen und fernsehen, vermutlich nicht erzählt bekommen. Dazu kommt halt auch noch der laufende Informationsfluss über Soziale Medien, Tourbusgespräche und selbst eingeholte Informationen, die uns halt interessieren oder beschäftigen.
Eure Musik ist sehr hart und sicher nicht nur eine gute Möglichkeit, um euch selbst auszudrücken, sondern auch zum Druckabbau von Angst und Wut. Was würde mit euch passieren, wenn es von morgen an keine Musik mehr in der Welt gäbe?
Carol: So kitschig es auch ist Nietzsche zu zitieren, aber die Aussagen “Life without music is only error, exhaustion, exile” und “Life without music is no life at all” sagen hier schon ziemlich alles was gesagt werden muss.
Mit was starten die meisten IMPLORE-Songs, aufbauend auf einem Riff oder einer Idee für ein Thema?
Carol: In der Regel entstehen erst die Songs, dann die Texte. Gabbo schreibt die Texte sehr zeitnah zum Aufnahmetermin, damit diese dann aktuell und gefühlsnahe sind. Ich habe mich allerdings mit ein paar schon älteren Texten beteiligt, die aber von der Thematik her ziemlich zutreffen. Gabbo hat diese dann größtenteils neu interpretiert und auf seine Schreibweise angepasst.
Euer Album trägt die Verzweiflung schon im Titel. Wo genau habt ihr Hoffnung, dass dieses gesellschaftliche Problem auf lange Sicht gelöst werden wird?
Carol: Solange Menschen nicht aufhören ihr Ego über alles andere zu stellen, wird sich kaum etwas ändern. Alleine dass Feminismus, Veganismus oder gegen Rechtsextremismus und Sexismus zu sein, immer noch als “extreme Bewegungen” angesehen werden, ist meiner Meinung nach schon Beweis genug, dass alles was nur falsch laufen kann, auch falsch läuft. Es ist extrem wichtig, dass es Menschen gibt, die sich für diese Dinge einsetzen und keinen Halt vor dem Gegenüber machen. Aber es ist mehr als traurig, dass es überhaupt noch zu solchen Situationen kommen muss.
“Alienated Despair” ist ein sehr detailliertes Album. Jede Wendung und jeder Stilwechsel passen wie die Faust aufs Auge. Kommt das intuitiv oder arbeitet ihr sehr lange an den einzelnen Songs?
Carol: Die meisten Songs sind sehr intuitiv entstanden. Sobald die Idee und die Stimmung des Songs mal da sind, ist das Fundament auch ziemlich bald fertiggestellt. Danach werden die Riffs und Übergänge noch ausgearbeitet und eventuell einzelne Parts umstrukturiert oder verworfen. Aber im Großen und Ganzen schreiben wir doch sehr intuitiv und effizient. Wir haben beim Schreiben dieses Albums auch nicht wirklich nachgedacht, welche Nummer wie klingen sollte oder welche Nummer an welcher Stelle im Album stehen sollte. Das waren alles Dinge, die sich von selbst richteten.
Das Album ist wunderbar zum Stressabbau geeignet, setzt aber aufgrund der Vehemenz auch unter Stress. Wie anstrengend ist das bei den Studioaufnahmen für euch selbst, wenn ihr über einen langen Zeitraum “wütend” seid?
Carol: Im Studio zu sein ist tatsächlich etwas paradox. Wir hatten super Gegebenheiten im Deer in the Headlights Studio. Das Studio ist riesig. Es gibt Rückzugsorte, eine Küche, genügend Platz und Couchen zum Ausklinken. Wir waren aber dennoch sehr fokussiert und meistens alle gemeinsam im Regieraum, wo auch jeder seine Ideen einbrachte und hart am Fertigstellen der Songs arbeitete.
Paul, unser Drummer Markus und Yoshi, unser Soundguy und eigentlich unser fünftes Mitglied, sind super kompetent und wussten genau, was wie klingen sollte, damit wir unsere Gefühle nicht nur in den Riffs, sondern auch im Sound des Albums widerspiegeln konnten. Es ist jetzt aber nicht so, dass wir den ganzen Tag mit verzogener Fresse herumrannten (lacht).
Wie konntet ihr Tomas Lindberg für ein Feature mit IMPLORE begeistern, welchen persönlichen Bezug habt ihr zu seiner Band AT THE GATES?
Carol: Wir sind Fans von ihm und all seinen Bands. Und da AT THE GATES auf dem gleichen Label wie wir sind, war es relativ naheliegend, dass wir ihm zumindest unsere neuen Songs zukommen lassen. Da ihm die anscheinend auch noch gut gefielen, nahm dann alles seinen Lauf und wir sind mega glücklich mit dem Ergebnis.
“The Constant Dissonance” bezieht sich eben auf die Tatsache, dass Menschen dumme, schädliche Dinge tun, obwohl sie es eigentlich besser wissen. Denkt ihr, dass sich das aufgrund Sozialer Medien und den darin enthaltenen unterschwelligen Werbebotschaften sogar noch verstärkt hat und habt ihr eine Idee, wie man dem entgegensteuern könnte?
Carol: Menschen lassen sich generell viel zu einfach beeinflussen. Vermutlich, weil fast niemand beigebracht bekommt Dinge kritisch zu hinterfragen. Social Media ist in dieser Hinsicht sicherlich mehr Fluch als Segen, jedoch könnte man dem ja relativ einfach entgegensteuern. Ich denke mal, dass sich das alles wieder zum menschlichen Egoismus zurückführen lässt. Das dann noch mit etwas Angstmacherei – ob diese Angst jetzt gerechtfertigt ist oder nicht sei dahingestellt – gepaart, ist halt eine relativ einfache Formel, um Leute in eine gewisse Richtung zu lenken.
Könnt ihr euch noch an das Gefühl erinnern, als ihr – wahrscheinlich als Teenager – die erste richtig wütende Platte gehört habt?
Carol:: Ich kann mich jetzt zwar nicht mehr daran erinnern welche die erste Platte war, aber die vermutlich am meisten prägendsten Alben für mich waren DILLINGER ESCAPE PLAN mit “Calculating Infinity” und von ARCHITECTS das Album “All Is Not Lost”. Ich habe auch seit “All Is Not Lost” nie mehr ein Album gehört, das an Aggressivität in Sachen Sound, aber auch Riffs, auch nur ansatzweise drankommt.
Markus: Ich war verängstigt, als ich mir SLIPKNOTs “s/t” anhörte und mir dabei das Coverartwork ansah. Ich war damals 8 Jahre alt und wenn ich mir das Album heute anhöre, bekomme ich teilweise immer noch Flashbacks.
Eduard: Als ich “Kill’em All” von METALLICA gehört habe, haben mich die Geschwindigkeit und der Gitarrenstyle einfach nur umgehauen. Von diesem Moment an wusste ich, dass ich einer harten Band Gitarre spielen will.
Gabbo: Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wahrscheinlich KORN.
Von welchen Bands fühlt ihr euch musikalisch und inhaltlich sehr verstanden?
Carol: Wir stammen alle aus unterschiedlichen Musikrichtungen und haben natürlich unterschiedliche Lieblingsbands zu denen wir uns hingezogen fühlen und von denen wir uns inspirieren lassen. Im Kern und vor allem im Tourbus, hören wir aber alle das Gleiche. Auf Tour laufen die meiste Zeit aber eher gemütlichere Töne wie LORDE, DEFTONES oder LANA DEL RAY.
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