Quentin Tarantino – Es war einmal in Hollywood – Review
Den amerikanischen Regisseur Quentin Tarantino muss man mit Sicherheit nicht vorstellen, nun legt er mit „Es war einmal in Hollywood“ seinen ersten Roman vor. Dieser bezieht sich auf den letzten, mehrfach Oscar-nominierten Kinofilm von ihm, in dem Leonardo DiCaprio und Brad Pitt die Hauptrollen spielten. Selbstredend legt Tarantino aber nicht das lediglich das Drehbuch als Roman vor, sondern er nutzt für die Geschichte um den Schauspieler Rick Dalton und sein Stuntdouble Cliff Booth die Möglichkeiten, die ein Roman ihm bietet. Er steigt deutlich tiefer in die Details ein, vervollständigt die Gedankenwelt der Protagonisten und fühlt somit alles auf und weiter, was wir uns als Zuschauer*innen bisher nur denken konnte.
Der Tarantino-Effekt funktioniert auch ohne Bilder
Das funktioniert erstaunlicherweise sehr gut, auch wenn Quentin Taratino in „Es war einmal in Hollywood“ seinen kuriosen Merkmalen treu bleibt. Er verfängt sich oft in sehr langen Dialogen, vermeintlich unwichtig erscheinenden Details und spart nicht mit Grausamkeiten. Das uns die visuelle Ebene verborgen bzw. der eigenen Fantasie überlassen bleibt, schmälert den Tarantino-Effekt nicht. Allerdings habe ich den Film auch gesehen und kann dementsprechend fragmentarisch mit Erinnerungen auffüllen. „Es war einmal in Hollywood“ ist nicht vollkommen fiktiv, basiert zu einem Großteil auf wahren Begebenheiten und thematisiert die Leben in den Siebzigerjahren von Persönlichkeiten, die auch heute noch unter uns weilen. Dementsprechend regt Tarantino mit seinem Roman zur weiteren Recherche an. Vieles ist so verrückt, dass man kaum glauben kann, dass es tatsächlich so gewesen ist.
Noch mehr Gedanken von Tarantino
Das Buch „Es war einmal in Hollywood“ von Quentin Tarantino ist aus meiner Sicht deutlich besser gelungen, als der Film. Allerdings schwer zu sagen, ob man die Gedankenfäden aufnehmen kann, wenn man noch nie etwas von Tarantino gesehen hat. Es ist kein klassisches Buch zum Film, sondern eher eine Bonusrunde durch das Gehirn den Regisseur. Er fängt quasi alles auf, was die Schauspieler*innen trotz gründlicher Anleitung und großem Talent nicht auf die Leinwand bringen konnten. Cliff wird somit deutlich detaillierter beschrieben und auch was Tarantino sich als Überlegungen des (verschmähten Musikers) Charles Manson zurechtlegt, ist sehr interessant. Und selbst wenn man sich nicht so akribisch in die kompletten Umstände einarbeiten kann, dann hinterlässt es doch einen angenehmen Nebeneffekt, dass Tarantino das offensichtlich getan hat und beinahe jede popkulturelle Beschreibung der Wahrheit entspricht. Jetzt wäre es interessant zu erfahren, ob er auch abseits von einem Film eine derart anregende Geschichte auf Papier bringen kann.
Seiten: 416
Verlag: Kiepenheuer & Witsch
ISBN-10: 3462002287
ISBN-13: 978-3462002287
VÖ: 08.07.2021
Artikel, die Dir gefallen könnten:
Simon Beckett – Die Ewigen Toten
Thomas Melle über BEASTIE BOYS
Michael Wäser – Ein Mörder Roman: Das Wunder von Runxendorf
Aimee Molloy – Das Therapiezimmer
Domenico Dara – Der Postbote von Girifalco oder Eine kurze Geschichte über den Zufall
Inga Vesper – In Aufruhr
Sandra Lüpkes – Die Schule am Meer
David Schalko – Schwere Knochen
Jon Fosse – Der andere Name: Heptalogie I + II
Jon Harstad – Max, Mischa und die Tet-Offensive
Marie Benedict – Frau Einstein
Lenz Koppelstätter – Das dunkle Dorf: Ein Fall für Commissario Grauner
Frank Goosen über THE BEATLES
Anne Stern – Fräulein Gold: Schatten und Licht (Band 1)
Dorothy L. Sayers – Ein Toter zu wenig
Anne Stern- Fräulein Gold: Scheunenkinder (Band 2)
Sarah Kuttner – Kurt
Joachim Meyerhoff – Hamster im hinteren Stromgebiet
Linus Giese – Ich bin Linus: Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war
Thomas Hettche – Herzfaden: Roman der Augsburger Puppenkiste
Dorothy L. Sayers – Diskrete Zeugen
Simon Beckett – Die Verlorenen
DEAFHEAVEN – Infinite Granite