Interviewteaser_Swain Foto von Clar Tillekens

Swain – Interview mit Noam zum Album “Negative Space”

Wir befragten Noam (im Bild unten links), Sänger der Band SWAIN, im Interview zu ihrem neuen Album “Negative Space”. Mit dem nun insgesamt drei Alben, deckt die mittlerweile vierköpfige Band eine enorme Bandbreite ab. Stets auf Gitarren basierend, transformieren sie ihren eigenen Sound immer wieder neu. Wir sprachen über Konzepte, den Aufnahmesound der Neunzigerjahre und was es mit dem negativen Raum auf sich hat.

Euer neues Album “Negative Space” klingt für mich, wie der Soundtrack zu einem dramatischen, französischen Liebesfilm. Ich mag diese wirklich sehr cineastische Atmosphäre, was hat euch dazu inspiriert, euren Sound zu verändern?

Es gibt nicht wirklich diese eine bewusste Entscheidung oder eine konkrete Inspiration, die unser Songwriting in diese Richtung geführt hat. Kein einziges Album, kein einziger Film, keine einzige Idee oder Konversation sind dafür verantwortlich. Ich denke, wir haben alle eine starke Tendenz, zu experimentieren und Grenzen zu überschreiten. Oder vielleicht sind wir auch einfach schnell gelangweilt.

Boy und ich experimentieren seit einiger Zeit mit Synthesizern, verschiedenen Gesangstechniken und Songschreibstilen in unseren eigenen Projekten, und vieles davon wirkte sich auf das Schreiben von “Negative Space” aus. Einiges davon hängt auch damit zusammen, welche Art von Emotion oder Idee wir dieses Mal ausdrücken wollten, aber es entwickelte sich eher unbewusst als vorsätzlich.

Das Album klingt nicht sehr modern, was eigentlich keine schlechte Sache ist, das macht es in gewisser Weise zeitlos. Hast du ein Faible für den Sound der Neunzigerjahre und für die Bands, die in diesem Jahrzehnt angesagt waren?

Moderne Aufnahme- und Mischstile können tatsächlich ziemlich einschränkend sein, wenn es darum geht, den üppigen und dynamischen Sound zu erzeugen, für den wir uns mit “Negative Space” entschieden haben. Wir stellten fest, dass der durchschnittliche moderne alternative Rock- oder Punksound nicht gut zu den Songs passt, die wir geschrieben haben, und entschieden uns für einen weniger komprimierten und offeneren Sound, der auf einem 16-Spur-Band aufgenommen wurde. Dies ermöglichte es uns, eine zusätzlichen Schicht, bei Bedarf, wirklich hervorzuheben. Während es in einer moderneren und komprimierteren Mischung eher untergegenangen wäre. Die Tatsache, dass ein großer Teil der Songs live aufgenommen wurde, wird wohl auch dem Sound der Neunzigerjahre zugeschrieben.

Und ja, der Aufnahmestil zeigt deshalb auch Elemente dessen, was in den Neunzigerjahre vorherrschend waren. Aber die Alben in unserem Genre – welches auch immer -, die wir momentan für am interessantesten halten, basieren definitiv mehr auf dem 20. Jahrhundert als auf dem aktuellen.

Wir wollten ein Stück schaffen, das dynamischer und weniger klangmüde ist als die meisten modernen Aufnahmen des Genres. Ein Album, das man immer wieder abspielen und dabei neue Elemente und Details entdecken kann, ohne danach das Bedürfnis nach Ruhe zu haben. Keine große Punkrockhymne, aber eine Sache, bei der man sich Zeit nimmt, um wirklich zuzuhören.Ein großes Dankeschön geht vorallem an J. Robbins, der hat echt mit dem Aufnehmen und Abmischen unseres Scheiß echt einen Killerjob gemacht.

Erzähl mir bitte mehr über das Coverwartwork, ich kann mir da keinen wirklichen Reim darauf machen.

Ich denke, jeder in der Band hat eine ganz andere Interpretation des Artworks. Wir haben uns nie wirklich eingehend mit der „Bedeutung“ auseinandergesetzt, sie hat sich für die Gruppe eher als Resonanz herausgestellt. Es ist schön, wenn es so funktioniert. Wir möchten es offen lassen für diejenigen, die die Texte lesen und ihre eigenen Verbindungen finden. Ein Album kann das sein, was du daraus machst.

Negative Space von SWAIN, Coverartwork

Wie viel von dem Album wird von der Band selbst gemacht, seit ihre eine richtige D.I.Y. Band, die in alles – Shirts, Artwork, Videos… – eingebunden ist?

Ja, das sind so ziemlich 100% wir. Artwork und Merch sind alle von Boy entworfen, Videos werden mit der gesamten Gruppe – mit ein paar Freunden, die mithelfen – gedreht, von mir farblich korrigiert und mithilfe aller nachbearbeitet. Es ist eine gute Möglichkeit, um ein stimmiges Album zu veröffentlichen, bei dem die Ästhetik wirklich stimmt. Abgesehen davon wäre dies aber nicht möglich gewesen, ohne die unfassbar großen Anstrengungen von End Hits Records, Evil Greed und anderen.

Würdest Du “Negative Space” als ein Konzeptalbum bezeichnen?

Ist es ein Konzeptalbum, wenn ma ein Buch oder eine Figur festlegt und alles darauf bezieht? Wenn man sich dazu entscheidet, eine einzige Geschichte zu schreiben? Wenn jedes Lied ungefähr gleich klingt? Der Unterschied zwischen einem Konzeptalbum und einem regulären Album scheint mir nicht gar so binär zu sein und es wird wahrscheinlich nur anerkannt, dass die Leute es in eine Art Spektrum zwischen einfach und komplex einordnen.

Wenn ein Künstler nachweislich komplexe Werke geschaffen hat, wird jede zukünftige Veröffentlichung umgehend komplexer, wenn man sich dann den historischen Verlauf anschaut. Sicher, man kann “Negative Space” als einzelnes Stück anhören. Aber wenn man der Typ ist, der sich wirklich mit der Musik befasst, um Strukturen, Texte und die Entwicklung unserer Band zu verstehen, dann mag man sich unsere vorherige Musik wohl genauso gerne anhören.

Es gibt immer zwei Erzählungen im Spiel; eine über die Arbeit und eine über den Künstler. Das Konzept liegt in unserem Fall irgendwo dazwischen, genau, weil unsere Musik und unser persönliches / emotionales Leben auf diesem Album so miteinander verwoben sind.

Wo kommt der Albumtitel “Negative Space” her? Musikalisch klingt das Album ja überhaupt nicht negativ.

Auf dem Album geht es eigentlich nur darum, aus dem „negativen Raum“ herauszukommen. Man kann lernen, ihn als sein Zuhause zu akzeptieren. Ein Ort des Hasses auf sich selbst und andere. Es kann ein wirklich komfortabler Ort sein und ist normalerweise der Weg des geringsten Widerstands.

Swain-2019-Bandfoto
Swain, 2019

Ihr habt euren Stil sehr verändert, vom aggressiven Hardcore-Sound zum emotionalen und hoffnungsvollen Rocksound. Würdest Du sagen, dass Du heute nicht mehr wütend bist?

Das Album entstand, während viele von uns langsam realisierten, dass der Zorn, den wir in uns hatten, ziemlich selbstzerstörerisch sein kann. Im Laufe der Jahre ist unsere Musik lyrisch viel introspektiver geworden und wir hatten das Gefühl, dass Ärger nicht ganz die gesunde oder nachhaltige Emotion war, die wir in unserer Musik ausdrücken wollten. Ich glaube nicht, dass die Texte auf “Negative Space” auf einem Album wie “Howl” wirklich Sinn ergeben hätten.

Euer Gitarrist Boy Tillekens hat sein Gesangsdebüt auf diesem Album, warum habt ihr ihn so lange zurückgehalten?

Wir wundern uns eigentlich selbst darüber. Du solltest dir seinen Song “Fill to Overflow” aus seinem Projekt MORTAL JOY ansehen, der ist großartig.

Es gibt diese eine Melodie, die mehrmals vorkommt (“Big Dumb Boy” und “Hit Me Till I Break My Bones” und in “Strange Light”). Haben diese Songs eine starke Verbindung, was ist das Geheimnis hinter dieser Melodie?

Das ist nur eines der Dinge, die wir für cool hielten. Es gibt noch mehr solcher Sachen, die wir auf das Album untergebracht haben. Wir arbeiten immer hart daran, alle Tracks miteinander zu verbinden und irgendwie ein stimmiges Klangerlebnis zu schaffen. Besonderes wenn man bedenkt, dass die Musik aus einer Vielzahl von Einflüssen stammt.

Ihr seid alle aus den Niederlanden nach Berlin gezogen, welchen Einfluss hat die Stadt auf euch als Band?

Steffen am Bass zu haben, ist einer oder mit End Hits Records arbeiten zu können, was für uns eine wirklich große Sache ist. Die meisten von uns verstehen den Umzug nach Berlin als den Beginn einer neuen Phase, persönlich und für die Band. Die Leute, die wir hier getroffen haben und die Erfahrungen, die wir machen durften, das alles hatte garantiert einen großen Einfluss auf unsere Musik und Texte.Es ist aber schwer, das jetzt ganz genau zu definieren.

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Review zum Album “Negative Space” von SWAIN findet ihr hier

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