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Until The Light Takes Us – Review

Die Dokumentation „Until The Light Takes Us“ des Amerikaners Aaron Aites und der Amerikanerin Audrey Ewell aus dem Jahr 2008 thematisiert die Geschichte des norwegischen Black Metals. Auch wenn mehrere, wichtige Zeitzeugen zu Wort kommen, bilden eigentlich Gylve „Fenriz“ Nagell (u.a. Drums bei DARKTHRONE) und Varg Vikernes (u.a. BURZUM) die beiden Gegenpole und verkörpern unterschiedliche Herangehensweisen an dieses, auch heute noch mit Extremen jonglierende, Musikgenre.

Es ist wichtig, diese Dokumentation möglichst ergänzend zu dem Film „Lords Of Chaos“ von Jonas Åkerlund (u.a. Ex-BATHORY) zu schauen, um zu verstehen, wo Fiktion anfängt und Realität endet. Erschreckenderweise sind die tatsächlichen Begebenheiten ziemlich krass, was einerseits zur Faszination des Black Metals beiträgt und auch den Film von Åkerlund etwas verschärft.

Fenriz und Varg als die beiden Gegenpolen inszeniert

„Until The Light Takes Us“ startet mit Fenriz, der gleich mal im Zug nach Drogen gefilzt wird. Erfolglos, wie er stolz berichtet, aufgegriffen wurde er wohl nur wegen des Tränengases, das er in seiner Tasche hat. Doch Fenriz weiß Bescheid, er kennt die Tricks und lässt sich nicht verarschen und schon gar nicht von der Polizei. Er hat zweifelsohne die Rolle des harmlosen, etwas bauernschlauen Dudes, der einfach nur die Musik gut findet und mit dem ganz kriminellen Zeug nie etwas zu tun haben wollte. Varg Vikernes verkörpert das pure Böse, seine Interviews finden im Gefängnis statt.

Oder um genauer zu werden, im Maximum Security Prison. Zu 21 Jahren wurde er für den Mord an Euronymous (MAYHEM) und die Kirchenbrände – die, die man ihm nachweisen konnte – verurteilt. Es ist gruselig, dass man in dieser Doku in Vargs Gesicht noch den vermeintlich harmlosen, jungen Mann erkennt. Videos mit seinem Lächeln direkt nach der Urteilsverkündung sind immer noch online abrufbar. 2009 wurde er entlassen und man kann nicht sagen, dass er seitdem zu einem gesetzestreuen Bürger mutiert wäre.

Black Metal als Marke

„Until The Light Takes Us“ wechselt also subtil zwischen den Perspektiven von Fenriz und Varg hin und her, dazwischen gibt es immer tatsächliche TV-Berichte, Blicke auf Zeitungsseiten und Aussagen von Zeitzeugen. Die Aufnahmen aus Fenriz‘ Wohnung, andere würde sagen, es sei ein unaufgeräumtes Loch, sind mit Sicherheit nicht gestellt.

Das ist leicht nachzuprüfen, wenn man das legendäre so called Interview aufruft, in dem der besoffene Rock-Hard-Chefredakteur Götz Kühnemund den ebenso dichten Fenriz in seiner Wohnung besuchte. Fenriz bekundet in der Dokumentation „Until The Light Takes Us“ immer wieder, wie schade er es findet, dass Black Metal zur Marke verkommen ist. Man nimmt ihm dieses Bedauern wirklich ab und gewinnt den Eindruck, dass er nicht so recht weiß, wie er denn jetzt weitermachen soll, ohne sich selbst und seine Prinzipien zu verraten. Varg hingegen bedauert vorrangig die Tatsache, dass er seine satanischen Machenschaften nicht ungehindert ausleben konnte. Sich zufällig ergebende Wortspiele wie „Dead was dead in bed“ findet er spaßig.

Zwischen Spaß und bitterernst

Es gibt Tatsachen, die sind amüsant und wieder andere, die aufgrund ihrer Echtheit auch heute noch schockierend sind. Dass Dead von MAYHEM, der übrigens das Corpsepaint erfunden hat, aufgrund von Depressionen Selbstmord beging, ist tragisch genug. Dass sein Bandkumpel Euronymous die Leiche mit dem ausgetretenen Hirn fotografierte und kurzzeitig für ein Albumcover verwendete, ist einfach abstoßend und widerlich.

Auch die brennenden Stabkirchen sind mit Sicherheit kein Kavaliersdelikt. Die Tatsache, dass Abbath und Demonaz von IMMORTAL das Brennen der Kirchen als unterhaltsam bezeichnen, ist dann schon wieder ulkig. Und auch irgendwie der Fakt, dass Varg sich ja eigentlich irgendwie selbst ans Messer lieferte, weil er unbedingt einer Tageszeitung ein exklusives, anonymes Interview geben wollte, um Beachtung für seine Taten zu bekommen.

Black Metal ist Kunst und auch Fenriz erweist sich im weiteren Verlauf von „Until The Ligth Takes Us“ als Freigeist und sehr tiefgründiger Denker mit interessanten Ansichten und Ideen. Die Dokumentation begleitet auch eine Ausstellung, die bestückt mit Fotos, Relikten und Plattencover die Szene rückblickend beleuchten sollte. Fenriz muss diese Ausstellung besuchen und man sieht ihm deutlich an, wie irritiert er darüber ist, dass seine eigene Realität hier verzerrt dargestellt wird. Während der Aussteller ihm dumm Kaffeetrinkend im Rücken steht, scheint Fenriz nur schnell verduften zu wollen.

Tiefe Einschnitte

Eine weitere, tragende Rolle spielt auch Kjetil-Vidar „Frost“ Haraldstad, bis heute der Drummer von SATYRICON. Er bewegt sich weit abseits von Provokation und hat eindeutige, stark depressive Tendenzen, aber auch interessante, philosophisch geprägte Ansichten. Es gibt eine Szene, in der er zum Finale der Ausstellung nach Mailand fliegt. Ein kleiner Junge sitzt neben ihm und ist aufgrund seiner optischen Inszenierung verwirrt. Frost nimmt ihn gar nicht wahr. Seine Aufgabe ist es dann, die Ausstellung im Corpsepaint in Brand zu setzen, eine Couch zu attackieren und abschließend schneidet er sich mit dem Messer so tief an Stellen, die definitiv nicht dafür geeignet sind, sodass die Beschränkung ab 18 auf jeden Fall gerechtfertigt ist.

Die Faszination für Black Metal ist, zumindest bei mir, bis heute ungebrochen. Soziologisch ist es sehr interessant zu sehen, wie weit ein sogenannter Jugendkult und der Wunsch der Abgrenzung gehen kann. Der Soundtrack ist etwas mau und unterstützt unter anderem BURZUM, was im Rahmen der Doku nachvollziehbar, aber moralisch nicht vertretbar ist.

Dauer: 93 Minuten
Studio: Alive AG
Genre: Dokumentation, Musik

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