Wie geht es dir Deutschland - Christoph Amend

Christoph Amend – Wie geht’s Dir, Deutschland? – Review

Deutschland lässt sich nur relativ schwer einfangen, weshalb Christoph Amend die Frage „Wie geht’s Dir, Deutschland“ auch nur bedingt beantworten kann. Vor fünfzehn Jahren traf der Chefredakteur des ZEITmagazins und Herausgeber der Weltkunst, dem Kunstmagazin der ZEIT, für sein Buch Politiker und Denker. Nun ist es Zeit für eine zweite Runde.

Insgesamt trifft er vierzehn Personen, deren Relevanz für die Identifikation von Deutschland mal mehr mal weniger berechtigt ist, unter anderem auch seine Eltern. Außerdem widmet er dem Deutschlandfunk ein eigenes Kapitel. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Amend sich um mehr Gesprächspartner bemüht hätte und der Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Status des Landes auch mehr Seiten gegönnt hätte.

Wer antwortete auf diese Frage ehrlich?

„Wie geht’s Dir, Deutschland“ ist natürlich nicht die eigentliche Frage, die Christoph Amend seinen Gesprächspartnern stellt. Vielmehr ist er auf der Suche nach Biografien, die er in der Geschichte Deutschlands einordnen kann. Die Antworten finden sich also im Unausgesprochenen, zwischen den Zeilen und nicht in konkreten Frage-Antwort-Auflösungen. Statt mit Hellmuth Karasek, spricht er nun mit dessen Tochter Laura, die leider größtenteils nur als Projektionsfläche für ihren Vater dient. Die Sängerin Lena Meyer-Landruth verdiente sich ihre Relevanz für das Buch, durch ihren Sieg beim ESC und eine damit verbundene Entfesselung des unverhohlenen Stolzes, der das ganze Land ergriff. Wir waren nicht nur Pabst oder Weltmeister, sondern nun auch endlich wieder ESC. Wir liebten deutsche Land! Die von ihr geschilderte Lebensgeschichte mit einer alleinerziehenden Mutter und einem durch Abwesenheit glänzenden Vater, steht stellvertretend für viele andere. Richtig erkenntnisreich oder einzigartig ist sie leider nicht.

Der Leser behält die Deutungsmacht

Amend überlässt mit seinem Buch „Wie geht’s Dir, Deutschland?“ dem Leser die absolute Deutung. Die Essenz wird dem Leser ganz sicher nicht auf dem Silbertablett präsentiert. Da Christoph Amend einige seiner Interviewten nur über Bande kennenlernt, wirkt die Substanz seines Buches nicht wirklich geplant, sondern eher zufällig und somit auch willkürlich. Interessante Aspekte finden sich trotzdem. Beispielsweise das Gespräch mit Lucia Levitanus, die selbst aus Riga nach Deutschland kam und ihre eigene Migrantengeschichte als Maßstab für Flüchtlinge und Integrationsbereitschaft nimmt.

Das führt sie allerdings eher weg von Verständnis und Nächstenliebe. Auch der Politiker Jens Spahn wirkt deutlich sympathischer, als man ihn in den Medien auf provokante Überschriften heruntergebrochen wahrnimmt. Allerdings verschwendet Christoph Amend, in Ermangelung von greifbaren Erkenntnissen, viel Zeit damit, die Details der Umgebung zu beschreiben. Stattdessen verzichtet er häufig darauf, das Gesagte einzuordnen oder zu kommentieren.

Seiten: 224
Verlag: Rowohlt Buchverlag
ISBN-10: 3498001396
ISBN-13: 978-3498001391
VÖ: 20.08.2019

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