Arch Enemy – Deceivers – Review
Die schwedische Melodic-Death-Metalband ARCH ENEMY gehört zu den Bands, die nie wirklich schlechte Platten gemacht haben. Ganz im Gegenteil und ihr elftes Werk „Deceivers“ ist sogar besonders ambitioniert, zelebriert den Metal in beinahe allen erdenklichen Facetten. Die Band hat aber auch nahezu alle möglichen Vorteile auf ihrer Seite. Sängerin Alissa White-Gluz war niemals ein Lückenfüller und bereichert die Band jetzt immerhin auch schon seit beinahe acht Jahren mit ihrem ausdrucksstarken Gesang.
Gleiches gilt für Jeff Loomis, der mit Michael Amott zusammen eine beeindruckende Gitarrenmacht zelebriert, die den Klassikern huldigt und trotzdem ganz originär klingt. Auch Bassist Sharlee D’Angelo und Drummer Daniel Erlandsson bilden seit über 20 Jahren die Rhythmusfraktion, die den ganzen Bumms einfach ultratight zusammenhält.
Über verblendete Gesellschaften und aufgezwungene Kämpfe
Mit ihrem letzten Album „Will To Power“ erreichten ARCH ENEMY ihre bisher höchste Chartplatzierung, „Deceivers“ steht eine ähnlich hohe Position zu. Schon der Opener „Handshake With Hell“ befriedigt alle Wünsche, die man als Fan von Metal hat. Ein pompöses Intro, das langsam anschwillt, angemessen Fahrt aufnimmt und dann explodiert. Wer auch nur annähernd ein Faible für gut gespielte und gut klingende Gitarren hat, kommt schon hier voll auf seine Kosten. „Buy me a lobotomy“ brüllt Alissa White-Gluz, im Text thematisiert sie den Irrsinn, dass wir uns unser eigenes Grab schaufeln, uns selbst täuschen.
ARCH ENEMY bedienen immer mindestens zwei Perspektiven, die Songs kann man auf seinen eigenen Kosmos oder das große Ganze beziehen. Und so ist auch „Deceiver, Deceiver“ – eine wütend rasende Abrechnung, mit Betrügern, die uns etwas vorgemacht haben, um ihre Lügen und bösen Absichten zu vertuschen – mannigfaltig interpretierbar. Pointierter Doublebass hämmert uns den Verrat rüde in die Knochen, während Gitarren und Bass an unseren Nerven zerren und als Überbringer der schlechten Nachrichten fungieren.
ARCH ENEMY bringen Hymnen und Härte ins Gleichgewicht
Abgesehen von düsteren Motiven, gelingt es ARCH ENEMY immer wieder cremige Melodien einzumischen, die die dunklen Wolken schlagartig durchbrechen und einen ganz anderen, emotionalen Bereich antasten. Der Refrain von „In The Eye Of The Storm“ oder das darin enthaltene Soli, beides ist tiefsinniger, als jeder hingerotzte Pop-Liebessong im Formatradio. Und man merkt es immer wieder, das tastet Gefühle an, die zu erreichen dem Metal vorbehalten sind. „Sunset Over The Empire“ bricht im Mittelteil über die Hörerinnen und Hörer herein, übergibt an die alarmierenden Gitarren, die uns in einen schon fast ENSIFERUM-artigen Abgang führen. Man merkt richtig, wie der Körper dann Frust und Wut in Motivation umkehrt.
Witzigerweise flammt in der IRON-MAIDEN-artigen Hit-Hymne „The Watcher“ ein nicht unwesentlicher, melodischer Part auf, der einfach komplett so von der deutschen Post-Punkband LOVE A auf ihrem kommenden Album „Meisenstaat“ gespielt wird. Dass die beiden Bands sich kreativ ausgetauscht haben, ist wohl ausgeschlossen. ARCH ENEMY brechen diesen Song in der Mitte und katapultieren uns ohne Umwege in den Metal der Achtzigerjahre. Weil sie es können. Resultierend aus diesem Können und der stringenten Qualität, wirkt auch nichts was ARCH ENEMY tun, peinlich oder gar aufgesetzt.
Is it worth fighting for?
Und so stört es auch nicht, dass „Deceivers“ immer mal wieder Spuren von CARCASS („Spreading Black Wings“), SLAYER oder auch METALLICA enthält. Eine Band wie ARCH ENEMY kann sich das locker erlauben. Atmosphäre ist von jeher wichtig für die Alben der Schweden. Streicher, Mönchschöre und eingeschobene Synthiespielereien machen das neue Album rund und sorgen wieder dafür, dass man kein Bedürfnis verspürt zwischendrin auszusteigen. Die gut 45 Minuten Spielzeit gehören zusammen, ziehen sich in keiner Sekunde und wirken nicht gestreckt, sondern optimiert.
ARCH ENEYM sind für mich auch 2022 noch eine der besten und wichtigsten Metalbands, setzen immer genau auf der Grenze auf, die zwischen peinlich und trve (auch irgendwie peinlich) liegt („House Of Mirrors“). Immer Metal 3000, trotzdem kompositorisch fortschrittlich, von Anfang an extrem eigenständig, inhaltlich und musikalisch immer relevant. „Deceivers“ ist eine weitere Kerbe im Gürtel dieser meisterhaften Band.
Dauer: 45:10
Label: Century Media Records
VÖ: 12.08.2022
Tracklist „Deceivers“ von ARCH ENEMY
Handshake With Hell
Deceiver, Deceiver
In the Eye of the Storm
The Watcher
Poisoned Arrow
Sunset Over the Empire
House of Mirrors
Spreading Black Wings
Mourning Star
One Last Time
Exiled from Earth
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