250_Necrounautical 2019 Foto von Ester Segarra

Interview mit Naut von Necronautical zum Album „Apotheosis“

Wir sprachen mit Naut, zuständig für Gitarre, Gesang und Keyboard bei der britischen Black-Metal-Band NECRONAUTICAL, über deren aktuelles Album „Apotheosis“, über die optische Inszenierung von Black Metal und seine musikalischen Einflüsse und Inspirationen. Mit seinen Antworten gab er sich dabei genauso Mühe, wie bei den sauber ausgearbeiteten Songs.

Wer ist bei NECRONAUTICAL dabei und wie kam es zu der Band?

Außer mir gibt es noch Carcarrion an der Gitarre, Slugh am Schlagzeug und Anchorite am Bass. Anchorite übernimmt auch den melodischen und den Chorgesang. Wir sind schon lange befreundet, schon bevor wir die Band gegründet haben. NECRONAUTICAL entstand, weil ich, Carcarrion und Anchorite, nur zum Spaß ein paar Songs aufgenommen haben. Ich hatte gerade ein neues Pro-Tools-Rig und war ganz heiß darauf, damit ein paar Sachen aufzunehmen.

Es war wirklich nichts Ernstes. Wir haben es aber genossen und je länger wir uns damit befasst haben, umso mehr haben wir gemerkt, dass wir einige gute Kompositionen entwickelt haben. Wir waren also einige Jahre lang eine Art kleines Studio-Projekt und veröffentlichten dann selbst ein Album. Nachdem wir diese Songs veröffentlicht hatten, bekam die Band etwas Aufmerksamkeit und es wurde uns ein Plattenvertrag angeboten. Von da an nahmen wir die Dinge ernster. Als wir das erste Mal live spielten, hatten wir bereits eine ziemlich gute Fangemeinde.

Ich bin froh, dass in dieser Band die Hauptmotivation die Ermutigung von außen war und wir uns nicht aufdrängen mussten. Wir wuchsen, weil die Menschen unsere Musik mögen und an uns glauben. Es ist verrückt für mich, dass wir da sind, wo wir jetzt sind, aber wir tun es immer noch aus dem gleichen Grund. Weil wir Musik lieben und kreativ sind.

EMPEROR scheinen auf jeden Fall eine eurer Haupteinflüsse zu sein, was genau macht diese Band so besonders für euch?

Richtig, EMPEROR sind, gemeinsam mit DISSECTION, meiner Meinung nach der Inbegriff von Black Metal. Sie sind zwei meiner Lieblingsbands und haben von jeher den größten Einfluss auf NECRONAUTICAL. Obwohl der Einfluss klar zu erkennen ist, denke ich nicht, dass wir davon besonders getrieben sind. Sie hatten vom ersten Tag an eine eigene Herangehensweise und ich denke, es ist unnachahmlich. EMPEROR scheinen einen Weg für den Umgang mit Melodie und Komposition gefunden zu haben, der einzigartig ist.

Aber ich verstehe den Vergleich, wobei sie besonders unsere Keyboardparts inspiriert haben. Wir möchten auch, dass die dem Song dienen und das Gitarrenspiel und die Atmosphäre verbessern, anstatt das primäre Element zu sein. Letztendlich geht es immer darum, der großen Vision zu dienen, wie bei EMPEROR.

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Necronautical, Foto von Ester Segarra

Wer ist für die Texte verantwortlich?

Die Texte werden in erster Linie von Anchorite geschrieben, er hat eine besondere Gabe mit Wörtern umzugehen, was ein wahres Geschenk ist. Ich liebe seine Texte. Da ich aber der Sänger bin, arbeiten wir natürlich eng zusammen, denn es ist mir wichtig, dass ich hinter den Worten der Band stehe, dass ich sie auf persönlicher Ebene spüren und mit ihnen verbunden sein kann. Auf dem neuen Album habe ich beim Schreiben viel mit Anchorite darüber gesprochen.

Da ich mich mit einer Art existenziellem Nihilismus befasst habe, las ich viel von Nietzsche. Ich bin großer Fan der nihilistischen Arbeit von Chuck Palanuik, die kreativ und nicht philosophisch ist. Bevor überhaupt ein einziger Text für NECRONAUTICAL geschrieben wird, einigen wir uns also über die Richtung und sprechen über die Inspiration dazu. Erst danach fängt Anchorite mit dem Schreiben an, danach sprechen wir nochmals darüber. Die Texte sind ein wichtiger Aspekt der Gesamtvision.

Ihr geht nicht mit Jeans und Shirts auf die Bühne, arbeitet mit Corpsepaint, Licht und Kerzenständern, um eine starke Atmosphäre zu erschaffen. Ist das für euch eine Art Kostümierung oder was genau bedeutet euch das?

Lustig, denn eigentlich gehen wir schon mit Shirts und Jeans auf die Bühne (lacht) … aber ich weiß, was du meinst. In Bezug auf Black Metal lege ich Wert auf ein gewisses Maß an Romantik und für mich ist Corpsepaint ein Teil davon. Natürlich verstehe ich, dass manche Leute es für ein bisschen doof halten. Aber ehrlich gesagt denke ich, wenn es gut gemacht ist und man nicht zu weit geht, kann es wirklich für gute Atmosphäre sorgen. Es ist nur ein Weg, das menschliche Element zu entfernen, das Kunstwerk von unserem alltäglichen Selbst zu trennen.

Wir haben jetzt aber keine Stacheln, Kugeln und Ketten oder ähnliches auf der Kleidung befestigt. Wir wollen die Dinge dezent halten und tragen einheitliche schwarze Kleidung, die wir als Teil des nihilistischen Konzepts empfinden, da Uniformen dazu verwendet werden, die Individualität zu verringern. Was die Kerzen, den Nebel und die Intensität betrifft, die wir auf der Bühne verwenden, stellen wir fest, dass diese Elemente in Kombination mit Black-Metal-Musik sehr effektiv sind. Es wirkt sich auch auf uns aus, in solchen Umgebungen aufzutreten.

Das hilft dabei, aus der Position herauszutreten und sich in die Mentalität der Musik hineinversetzen zu können.

„Apotheosis“ ist nicht euer erstes Album, was genau hat sich bei euch in der Band seit dem letzten Album verändert?

Ich denke, wir hatten schon immer eine ziemlich klare Vorstellung davon, was wir tun wollen, wie wir uns anfühlen wollen und wie die Atmosphäre der Band mit jeder Veröffentlichung aussehen soll. Und ich denke, wir werden dabei besser. Obwohl wir uns vor Beginn eines Projekts oft damit befassen wie wir es angehen wollen, wollten wir für „Apotheosis“ ein wenig zurückhaltender sein als bei dem Vorgängeralbum „The Endurance at Night“. Es sollte ein Album mit mehr Gitarrenantrieb und mit einer dunkleren, düstereren Atmosphäre sein.

Je länger wir das machen, desto technisch versierter werden wir und wir sind auch bessere Songschreiber geworden. “ Apotheosis“ stellt also die ausgereifteste Version unserer Anstrengungen dar. Wir haben wirklich viel Aufmerksamkeit auf Details und die Art und Weise gelegt und beachtet, wie sie dem Gesamtbild dienen können.

Es ist auch das erste Album, das wir seit unserer Gründung als Tourband gemacht haben, deshalb klingt es auch sehr „live“. Wir konnten unsere Bühnenerfahrungen in das Songwriting einfließen lassen und hatten ein Bewusstsein dafür, was sich für uns richtig anfühlt, wenn wir auftreten. Außerdem ist es unsere erste Platte mit Slugh am Schlagzeug und seine Performance auf dem Album ist absolut brillant. Er ist ein wirklich kreativer Schlagzeuger mit viel Flair und es ist großartig, dies auf einer NECRONAUTICAL-Platte zu zeigen.

Und ist es das erste Album, das wir in einem professionellen Studio aufgenommen und nicht selbst produziert haben. Wir haben jetzt eine viel bessere Ausrüstung, die ersten beiden Platten wurden mit sehr minderwertiger Ausrüstung aufgenommen.

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Necrounautical 2019, Foto von Ester Segarra

Nicht nur der Song „Apotheosis“ ist verhältnismäßig lang, wäre es für euch auch möglich, einen kurzen, knackigen Song zu schreiben?

Das ist keine wirklich bewusste Entscheidung, lange Songs zu schreiben. Wenn ich an einem Stück arbeite, neige ich dazu, viele Ideen zu bekommen und der Song darf einfach mit sich selbst davonlaufen. Ich mag den Gedanken, dass jeder Song eine Art „Reise“ ist, um den Hörer durch viele verschiedene Stimmungen und Gefühle zu führen. Viele unserer Haupteinflüsse, wie EMPEROR, OPETH und DISSECTION, gehen ebenfalls so vor.

Ich arbeite gerade an neuem Material und einige der Songs sind extremer als alles, was wir bisher gemacht haben. Da sie viel schneller sind, knacken einige die Fünf-Minuten-Marke. Mir gefällt der Effekt, den Intros und Outros auf das Album insgesamt haben. Sie können Raum und Atmosphäre zwischen den Songs schaffen, die das Album zusammenhalten.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit David Thiérrée, habt ihr ihm für die Arbeit am Artwork freie Hand gelassen oder eine grobe Idee vermittelt?

Wir hatten schon einige Artworks für das Album gemacht, bevor wir mit David zusammengearbeitet haben. Aber es entsprach nicht dem Standard, den wir gesucht hatten. Unsere Idee für dieses Album, war sehr schwer visuell zu manifestieren. Unser Schlagzeuger Slugh hatte David bereits vor einem Jahr beim Hellfest getroffen und einige Abzüge von ihm gekauft. Als wir 2018 beim Inferno Festival auftraten, hatten wir die Gelegenheit, mit ihm zusammenzusitzen und unsere Ideen zu besprechen.

Er machte sogar gleich ein paar Skizzen, um seine Interpretation zu zeigen. Wie es bei der Arbeit mit jedem Kreativen ist, ist es immer am besten, nicht zu diktieren und ihnen zu erlauben, sich auf ihre eigene Weise auszudrücken. Dies führt immer zu den besten Ergebnissen. David hat das Konzept des Kunstwerks absolut getroffen und es passt perfekt zur Atmosphäre des Albums. Es hat alles weit übertroffen, was wir uns hätten vorstellen können. Wir halten Kontakt zu ihm und betrachten ihn als einen guten Freund der Band, es war wirklich eine Freude, mit ihm zu arbeiten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt für eine Black-Metal-Band ist das Logo, am besten so unleserlich wie möglich, wer hat eures gemacht?

Unser Logo wurde von Gragoth von Luciferium War Graphics erstellt. Wir benutzen es seit fünf Jahren und sind immer noch sehr zufrieden damit. Aber ich denke, unser Logo ist ziemlich einfach zu lesen. Wir haben darum gebeten, das es nicht zu dunkel und eher elegant sein wollte.

Wer hatte die Idee für die Story zum Video von „Nihil Sub Sove Nohum“?

Unser Gitarrist Carcarrion arbeitet in der Filmindustrie und war schon immer stark mit den visuellen Aspekten der Band befasst, weshalb das Konzept für das Video größtenteils von ihm und mir kommt. Das Video war für uns lange Zeit eine große Enttäuschung. Aber im Grunde war die Idee viel zu ehrgeizig und hing von viel zu vielen Menschen ab.

Die ganze Sache misslang und wir hatten ungefähr drei Wochen Zeit, um ein neues Video fertigzustellen. Aber als wir uns auf die erste Idee vorbereiteten, hatten wir bereits eine Reihe von Requisiten und Elementen gekauft und so hatten wir einen guten Ausgangspunkt. Am Ende habe ich meinen Freund M. Croton kontaktiert, der bei TRIVAX spielt und auch Musikvideos erstellt. Zum Glück hat er zugesagt, kurzfristig mit uns zu drehen. Auch die Location wurde erst in der letzten Minute bestätigt. Carcarrion hat einige Fäden gezogen und wir hatten ein wunderschönes verlassenes Gebäude in Manchester für die Dreharbeiten zur Verfügung.

Die Apotheose stützt sich auf ein Konzept der Vergöttlichung der Leere und so entschieden wir, für das Video diesen neuen Anti-Gott, einen Kult oder eine Geheimgesellschaft zu schaffen. Wir hatten geeignete Materialien, um ein rituelles Opfer zu inszenieren. Da wir offensichtlich nur über ein sehr geringes Budget verfügten, haben wir uns entschlossen, dies zu unserem Vorteil zu nutzen und einen Found-Footage-Effekt wie bei dem Film The Blair Witch Project zu benutzen.

Zufälligerweise hat M. Croton eine Handkamera, die für diesen Zweck gut geeignet war, und so beschlossen wir, eine Art obskuren, voyeuristischen Winkel zum Ritual zu schaffen. Es ist ein langer Song und für die Visualisierung brauchten wir eine gute Erzählung. Ich glaube, wir haben das wider Erwarten geschafft. Aber das Ergebnis des Videos wurde letztendlich von den Umständen seiner Erstellung bestimmt. Wir hatten nicht viel Zeit oder Ressourcen und haben einfach das Beste getan, mit dem was wir hatten.

NECRONAUTICAL haben letztes Jahr beim Inferno Festival gespielt, hattet ihr Zeit für die Black-Metal-Tour und was denkst Du über solche Freizeitangebote?

Ich kenne die Black Metal Tour nicht, war zwar zweimal in Oslo, aber ich habe den Helvete-Laden oder ähnliches nicht besucht. Ich habe ein wenig Zeit gebraucht, um die Stadt zu erkunden. Aber ich habe nicht wirklich viel ‚Black Metal-Tourismus‘ gemacht. Da ich nur Bands gesehen und mit Leuten aus der Szene gesprochen habe, war es eine wirklich coole Erfahrung.

Es gibt noch viel mehr von Norwegen, dass ich gerne sehen würde. Ich würde gerne die Berge besuchen und ich möchte die natürliche Schönheit des Landes erleben, da mir gesagt wurde, dass Oslo nicht die beste Repräsentation des Landes ist.

Viele Bands der zweiten Welle (DIMMU BORGIR, EMPEROR, MAYHEM…) sind ja weiterhin aktiv. Verfolgst Du die und magst deren Zeug?

Ich habe die Reuniongigs von EMPEROR genossen. Aber ich denke, es ist die richtige Entscheidung für sie, keine Musik mehr als EMEPEROR zu machen, wenn sie nicht mehr in diesem Geisteszustand sind. Einfach, um das Erbe zu bewahren.

Ich habe nichts gegen DIMMU BORGIR, aber ich höre sie mir nicht so sehr an. Ich mag alles von „Spiritual Black Dimensions“ bis hin zu den „Puritanical“-Sachen. Beide Mal, als ich sie live gesehen habe, hatten sie technische Probleme und es war nicht so, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich habe jedoch Respekt vor ihrer Musik.

MAYHEM ist eine interessante Band, ihre Karriere hat sich sehr verändert, die aktuelle Besetzung ist wirklich gut. Ich habe sie dieses Jahr live gesehen und es war eine sehr starke Leistung, sie sind in Topform. Ich fand „Esoteric Warfare“ wirklich gut und bin auch sehr gespannt auf das neue Album. Coole Band. Auch wenn ich es nicht mag, wo sich eine Band am Ende befindet, kann ich die Musik aus der Zeit genießen, als sie sich mit mir verband.

Ich drehe nicht durch, wenn eine Band ihre Richtung ändert, das ist künstlerische Disziplin. Ja, ich höre gerne Sachen aus der zweiten Welle, aber es ist nicht das Einzige, worum es mir geht. Alle bei NECROUNAUTICAL hören eine Menge Musik, nicht nur Metal. Unsere Einflüsse sind breiter als du sich vorstellen kannst.

Wie würdest Du Black Metal jemandem beschreiben, der keine Ahnung davon hat?

Wenn ich extreme Musik in laienhaften Begriffen disambiguieren muss, sage ich oft, dass sie dem Klang von Horrorfilmen entspricht. Death Metal gleicht dann einem grausamen, blutigen Film und Black Metal vielleicht eher einem atmosphärischen, esoterischen oder düster-romantischen Gruselfilm. Aber es ist wirklich schwer, es jemandem zu erklären, der es nicht versteht. Im Allgemeinen kümmere ich mich nicht darum, das Genre an Leute zu verkaufen, die es nicht verstehen.

Es ist nicht Jedermanns Sache und die Leute sollten einfach das mögen, was sie mögen. Und diejenigen von uns, die eine Verbindung zur Black Metal Musik gefunden haben, verstehen es ja schon. Ich denke, es hängt mit etwas Unausgesprochenem in bestimmten Menschen zusammen, es kann auf einer fast spirituellen Ebene wirken.

Wird man NECRONAUTICAL bald mal in Deutschland live sehen können?

Unser Ziel ist es, nächstes Jahr nach Europa zurückzukehren, und jetzt warten wir nur auf die richtige Gelegenheit. Es ist noch nichts bestätigt, aber wir sind fest entschlossen mit diesem Album dort zu touren oder auf einigen Festivals aufzutreten.

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Review zu „Apotheosis“ von NECRONAUTICAL

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